Theodor-Frerichs-Preis für Verlangsamung der Zellteilung
Fehler in der Erbsubstanz, so genannte Mutationen, treiben das unkontrollierte Wachstum von Krebszellen voran. Bei bis zu 30 Prozent aller Krebserkrankungen sei dabei das sogenannte KRAS-Gen (Kirsten Rat Sarcoma-Gen) beteiligt. Die dauerhafte Aktivierung von KRAS in Krebszellen führe zudem zu genotoxischem Stress für die Zellen, sei also potenziell schädlich – auch für Krebszellen. Krebszellen neutralisierten diesen Stress oft durch bestimmte Enzyme – den sogenannten Checkpoint-Kinasen, um eine „mitotische Katastrophe“ und damit den Untergang der Zelle zu verhindern. Checkpoint-Kinasen bessertenn Fehler im Zellteilungsapparat aus und stellten sicher, dass die Mitosen für die Zellteilung trotz Stress reibungslos ablaufen. Die Kinasen seien damit ein guter Ansatzpunkt für Krebstherapien. Denn ihre Hemmung könnte die mitotische Katastrophe, also den Untergang von Krebszellen auslösen.
Medikamente, die Checkpoint-Kinasen angreifen, waren nach Angaben des DGIM bislang jedoch wenig erfolgreich. Reinhardt beschritt deshalb einen neuen Weg und hemmte nicht nur eine, sondern mehrere Checkpoint-Kinasen mit Medikamenten. Um die geeigneten Wirkstoffe zu finden, habe er zahlreiche Krebszellen im Labor untersucht und die Ergebnisse mit einer eigens entwickelten Software analysiert. „Die Untersuchungen haben gezeigt, dass speziell in von KRAS angetriebenen Krebszelllinien Hemmstoffe verschiedener Checkpoint-Kinasen zusammenwirken und dazu führen, dass die Zellteilung verhindert wird“, zeigt sich Professor Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der DGIM, von den Ergebnissen beeindruckt.
Die in der Fachzeitschrift "Cell" publizierte Arbeit belegt nach Ansicht des Preiskomitees der DGIM „in hervorragender Weise, dass stark grundlagenbezogene Untersuchungen einen wesentlichen Beitrag zum Krankheitsverständnis leisten und greifbares Potential zur Translation aufbieten“. Noch wurde die Kombination nicht an Krebspatienten erprobt. „Die Studienergebnisse liefern aber gute Argumente für eine klinische Prüfung der kombinierten Hemmung der Checkpoint-Kinasen“, sagt Fölsch. „Da KRAS bei vielen Krebserkrankungen mutiert ist, bietet der neue Ansatz eine therapeutische Perspektive, die mittelfristig für viele Tumorpatienten nutzbringend sein könnte.“