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Unfallopfer auch nach der Akutphase professionell begleiten

18.11.2014 19:25
Berlin – Am Leben, aber manchmal ohne Job, ohne Geld und schmerzgeplagt: Auch wenn schwere Unfälle heutzutage im Vergleich zu früher nur noch halb so oft tödlich enden, muss in der Folge die Lebensqualität der Betroffenen verbessert werden. Knapp ein Drittel der Schwerverletzten kann den bisherigen Beruf nicht mehr ausüben, wie eine aktuelle Studie zur Lebensqualität dieser Patienten aus Deutschland zeigt. Gut 60 Prozent leiden auch zwei Jahre nach dem Unfall noch an dauerhaften Schmerzen, 30 Prozent klagen über psychische Probleme. „Es reicht nicht aus, das Überleben zu sichern, wir müssen auch alles tun, um die Lebensqualität zu erhalten“, sagte Professor Dr. med. Bertil Bouillon, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) zum Abschluss des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) 2014 in Berlin, wo er die neue Studie erstmals vorstellte. Er ist Koautor der Studie und einer der Kongresspräsidenten der weltweit drittgrößten Veranstaltung für Unfallchirurgen und Orthopäden.

Bouillon nennt als Beispiel einen jungen Tontechniker, der nach einem Motorradunfall schwere Verletzungen an Kopf, Bauch, Wirbelsäule und Oberarm erlitten hatte. Mehreren Operationen folgte eine – weitgehend erfolgreiche – Rehabilitation. Allerdings leidet der 27-Jährige seit dem Unfall an einer Hörstörung: Wie spätere Untersuchungen ergaben, ist dies vermutlich auf eine Behandlung mit Antibiotika zurückzuführen, die er wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus bekam. Der Mann kann deshalb nicht mehr in seinem Beruf tätig sein. „Bei einer Therapie müssen wir immer auch Nutzen und mögliche Folgen für den Patienten abwägen und diese auf seine individuelle Lebenssituation und Erfordernisse abstimmen“, erklärt Bouillon, Direktor der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie in den Kliniken der Stadt Köln, Köln-Merheim. „Der behandelnde Orthopäde und Unfallchirurg ist nicht nur für den Notfall verantwortlich, sondern auch für die spätere Lebensqualität seines Patienten.“

Die von Bouillon mit verfasste Studie ergab, dass zwei Drittel der Unfallopfer schwerer Unfälle sich noch zwei Jahre nach dem Ereignis in unterschiedlichen Lebensbereichen stark beeinträchtigt fühlen – von chronischen Schmerzen bis hin zu eingeschränkter Mobilität. Immerhin 70 Prozent konnten in ihren früheren Beruf zurückkehren; 30 Prozent klagten jedoch über sozioökonomische Probleme. Ebenfalls knapp ein Drittel litt unter einer psychischen Störung. Eine große Mehrheit der Unfallopfer musste nach dem ersten Krankenhausaufenthalt weitere Male stationär behandelt werden; 35 Prozent erhielten nach zwei Jahren immer noch Medikamente, die im Zusammenhang mit den Unfallverletzungen standen. Die Wissenschaftler um Bouillon hatten insgesamt 129 Personen befragt. Die meisten waren Opfer von schweren Verkehrsunfällen. Sie hatten dabei vor allem Verletzungen an Beinen, Brust, Arm- und Schulterbereich sowie am Kopf erlitten. Das Überleben stand bei ihrer Behandlung zunächst im Mittelpunkt.

Die Sterberate dieser schwerverletzten Unfallopfer hat sich in den letzten Jahren  durch zahlreiche Initiativen wie beispielsweise die Schaffung von Traumazentren sogar halbiert. „Das ist extrem erfreulich, aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen“, erklärt Bouillon. Die Studie macht deutlich, dass weitere Fortschritte in der Unfallchirurgie nun durch eine langfristige Betrachtung und individualisierte Behandlung zu erzielen sind. „Auch psychische und sozioökonomische Folgen eines Unfalls sollten künftig ein noch stärkerer Bestandteil der Rehabilitation sein“, fordert Bouillon, „Wir Unfallchirurgen sollten bei der Therapie nicht lebensbedrohlicher Verletzungen eventuelle Spätfolgen im Blick haben. Daher fragen wir heute beispielsweise schon bei jedem Unfallopfer nach dessen Beruf oder Hobbies.“ Denn erleben die Betroffenen hierin als Folge ihres Unfalls Einschränkungen, verschlechtert das die Lebensqualität: „Je weniger Einschränkungen bleiben, umso besser.“

Editorial

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