Uni-Studie: Tatverdächtige im Gesundheitswesen sind häufig Mehrfachtäter
Bei betrügerischem Verhalten im Gesundheitswesen handelt es sich um ein besonders sozialschädliches Verhalten. Für die Erarbeitung effektiver Präventionsstrategien hat die Universität Hannover eine empirische Untersuchung gestartet. Prof. Bernd-Dieter Meier, Kriminologe an der Juristischen Fakultät der Universität Hannover: "Erste Zwischenergebnisse liegen bereits vor." Wie in den meisten Kriminalitätsbereichen sind auch die Tatverdächtigen im Gesundheitswesen mit 69 Prozent in der Regel männlich und zu 88 Prozent zwischen dem 30. und 59. Lebensjahr. In ca. drei Viertel der Fälle waren die Tatverdächtigen die so genannten Leistungserbringer wie etwa niedergelassene Ärzte, Zahnärzte, Optiker, ambulante Pflegedienste oder Krankentransportunternehmen. Bei den Leistungserbringern steht die Abrechnung von "Luftleistungen" im Vordergrund. Dies sind Leistungen, die nicht erbracht wurden. "Zudem haben wir eruiert, dass sich der Tathergang durchschnittlich über einen Zeitraum von 19 bis 23,5 Monaten erstreckt. In dieser Zeit kommt es häufig zu vielen Einzeltaten", berichtete Prof. Meier.
"Insgesamt hat die KKH im vergangenen Jahr 1.125 neue Fälle aufgegriffen", so Ingo Kailuweit, Vorstandsvorsitzender der KKH, anlässlich einer Juristischen
Fachtagung zum Betrug im Gesundheitswesen in Hannover. Seit Bestehen
des Bereichs Abrechnungsmanipulation im Jahr 2001 hat die KKH mehr als 6.200 Fälle von Betrug im Gesundheitswesen bearbeitet. Davon sind 4.800 Fälle bereits erfolgreich abgeschlossen. Ingo Kailuweit: "Derzeit erstatten wir im Monat durchschnittlich vier Strafanzeigen." Kailuweit betonte außerdem, dass Abrechnungsbetrug kein Kavaliersdelikt sei. "Es entsteht ein immenser Schaden für die soziale Krankenversicherung und in letzter Konsequenz für die Beitragszahler", sagte Kailuweit.
Physiotherapeuten und Krankengymnasten sind überproportional beteiligt. Die Straftaten durchziehen das gesamte Gesundheitssystem. "Mit rund 270 Straftaten", so Kailuweit, "haben unsere Ermittler jedoch überproportional Fälle aufgedeckt, bei denen Physiotherapeuten oder Krankengymnasten beteiligt waren", gefolgt von der häuslichen Krankenpflege mit 115 Fällen im Jahr 2007.
Das Geld, welches die KKH zurückholen konnte, kommt direkt den Versicherten zugute. "Eine Million Euro ist viel Geld - erst recht im finanziell stark belasteten Gesundheitswesen", betont Kailuweit. Für eine Million Euro kann die KKH beispielsweise rund 360 Geburten oder knapp 25.000 Masern-Impfungen bezahlen.
"Ermittlungsverfahren aus dem Gesundheitsmarkt führen die Strafverfolgungsbehörden noch zu häufig auf einen unbekannten Kontinent der kriminologischen Weltkarte. Gleiches gilt für Strafverteidiger", stellte Staatsanwalt Alexander Badle von der Eingreifreserve der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main fest. Aus Unkenntnis würden die Ermittlungsbehörden laut Badle viel zu häufig falsch oder gar nicht ermitteln.