Virtual Reality in der Pflege: Internationaler Preis für Bayreuther Doktorandin
Lena Schinner hat am Lehrstuhl für Medizinmanagement und Versorgungsforschung der Universität Bayreuth untersucht, inwiefern moderne digitale Entwicklungen wie Virtual Reality im Pflegealltag Erleichterungen schaffen können. Konkret ging es bei der Studie um die Entwicklung und Evaluation eines innovativen Virtual Reality-Konzepts, um Einsamkeit und soziale Isolation von Bewohner*innen in Pflegeheimen zu beheben. In das Forschungsvorhaben waren Bewohner, ihre Angehörigen und insbesondere Pflegende eng eingebunden. Praxisbezug und wissenschaftliche Relevanz konnten so optimal verknüpft werden.
Die Studie bestand aus einer qualitativen Vorstudie in ausgewählten Pflegeheimen und einer breit angelegten Onlineumfrage unter Mitarbeitenden des Pflegeheimbetreibers ORPEA in Deutschland. Im Rahmen der Studie haben Angehörige Szenen aus dem Familienalltag zuhause, den Garten, Geburtstagsfeiern oder das Büro eines zu Pflegenden gefilmt. Diese 360-Grad-Videos wurde den Heimbewohner*innen durch eine VR-Brille gezeigt. So gewannen die Pflegebedürftigen den Eindruck, selbst an einer Familienfeier teilzuhaben oder wurden an Orte ihres früheren Lebens „mitgenommen“. Ein Ergebnis: Bei den derzeitigen Bewohner*innen in Pflegeheimen bestehen zwar noch technische Unsicherheiten, trotzdem ergeben die Auswertungen der qualitativen Studie positive Reaktionen auf das entwickelte erweiterte VR-Konzept (eVR). Auch von Mitarbeitenden kam positive Resonanz, weil diese Filme z.B. als Teil der in Deutschland gesetzlich verankerten Einzelbetreuung genutzt werden könnten.
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist für die Diskussion über Innovationen in der Pflege besonders wichtig: „In kaum einem Pflegeheim in Deutschland gibt es W-Lan. Eine gute technische Infrastruktur ist aber essentiell, um digitale Ansätze, zum Beispiel im Sinne von personalentlastenden Digitalisierungsmaßnahmen wie Pflegerobotern, umsetzen zu können“, erläutert Lena Schinner. Nicht zuletzt unvorhergesehen Ereignisse, wie die SARS-CoV-2-Pandemie und vor allem die zukünftigen „digitalen“ Generationen, die die Heime bewohnen werden, implizieren laut Schinner die dringende Notwendigkeit eines digitalen Transformationsprozesses in Pflegeheimen.
Lösungsansätze für den wachsenden Pflegebedarf stehen nicht nur in Deutschland ganz oben auf der politischen Agenda – deshalb ist die Studie von Lena Schinner ein wichtiger Beitrag. „Die Ergebnisse ihrer Studie unterstreichen Wirksamkeit und Akzeptanz des VR-Ansatzes“, sagt Prof. Dr. Dr. Klaus H. Nagels, Inhaber des Lehrstuhls für Medizinmanagement und Versorgungsforschung der Universität Bayreuth, an dem Lena Schinner promoviert. „Die Studienergebnisse legen auch nahe, dass neben den technischen Voraussetzungen auch Weiterbildungsprogramme für die Mitarbeitenden erforderlich sind, um digitale Maßnahmen umzusetzen und auf die zukünftigen digitalen Bedürfnisse der Bewohner in Pflegeheimen vorbereitet zu sein“, gibt er zu bedenken. Eine stärkere Fokussierung auf Innovationen ist aus Sicht von Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Dr. Klaus H. Nagels angesichts der großen Baustellen im Pflegebereich – Finanzierung, Fachkräftemangel, Modernisierung – unausweichlich. Nagels und sein Team planen bereits weitere Studien zur digitalen Transformation in der Pflege.
Über den Preis:
Zum siebten Mal hat das ,,International Scientific Ethics Council‘‘ (ISEC) der ORPEA-Gruppe die ORPEA Excellence Awards verliehen. Jedes Jahr werden die Teams ausgezeichnet, die die besten Projekte in den Kategorien „Research“, „Clinical Ethics“ und „Innovation in Care“ eingereicht haben. Dieses Jahr wurden die Gewinner unter 44 Projekten aus 12 Ländern ausgewählt. Den Vorsitz des ISEC hat Professor Joël Belmin, Professor an der Pariser Universität Sorbonne und Leiter der geriatrischen Abteilung für kardiovaskuläre und neurokognitive Erkrankungen im weltberühmten Pariser Hôpital de la Salpêtrière. Unterstützt wird er von Dr. Linda Benattar, der internationalen medizinischen Direktorin der Orpea-Gruppe. Die international tätige ORPEA-Gruppe mit Hauptsitz Paris betreibt 1.156 Pflege- und Gesundheitseinrichtungen mit 116.514 Betten in 23 Ländern.