Was kann die „App auf Rezept“ leisten? DGIM-Arbeitsgruppe legt Expertenkonsens vor
Anwendungen im medizinischen Bereich, deren Hauptfunktion auf einer digitalen Technologie beruht und die in erster Linie von Patienten benutzt werden, werden als DiGA bezeichnet. „Meist handelt es sich dabei um Smartphone- oder Computer-Apps, aber auch Webanwendungen oder andere Programme können als DiGA fungieren“, erklärt Professor Dr. med. Martin Möckel, ärztlicher Leiter der Notfallmedizin/Zentrale Notaufnahmen und der Chest Pain Units am Campus Mitte und am Virchow-Klinikum der Berliner Charité. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Digitale Gesundheitsanwendungen/KI in Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, die für den Beitrag im Internisten verantwortlich zeichnet. Von herkömmlichen Gesundheits-Apps unterscheiden sich DiGA durch eine CE-Zertifizierung sowie die Tatsache, dass ihr Anbieter den medizinischen Nutzen oder eine sogenannte „patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserung in der Versorgung“ nachweisen muss. „Auch die Kosten sind ein Faktor, denn diese müssen primär von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen getragen werden und die Hersteller selbst dürfen keine Werbung schalten“, so Möckel.
Bis Mitte Dezember – dem Zeitpunkt, zu dem Möckel und seine Kolleginnen und Kollegen den Übersichtsbeitrag verfassten – waren auf den Seiten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 24 DiGA gelistet. „Naheliegende Anwendungsbereiche sind Tracking-Funktionen, die automatisch Bewegung oder Puls erfassen oder es erlauben, in Tagebuchform Ernährung, Gewicht oder spezifische Beschwerden zu vermerken“, erläutert der Berliner Experte.
„Einige DiGA erstellen aus diesen Daten auch Arztreports, die wertvolle Informationen für die individuelle Behandlung liefern können“, sagt Möckel. Andere Apps unterstützen die Patienten gezielt im Alltag mit detaillierten Anleitungen zu Bewegungsübungen oder Ratschlägen für eine gesunde Lebensweise. Unter den 24 bis Mitte Dezember 2021 gelisteten DiGA war allerdings nur eine, die gezielt eine internistische Erkrankung – die Adipositas – adressierte, sowie eine weitere mit Bezug zu rheumatischen Erkrankungen. „Hier besteht eindeutig Nachholbedarf seitens der Hersteller“, so Möckel.
Fehlende Testmöglichkeiten für Ärzte, offene Fragen zu Anwendungsbereichen
Dies gilt auch für die bislang nicht vorgesehenen Testmöglichkeiten für Ärzte. „In der BfArM-Liste finden sich zwar Angaben zu den Indikationen, für die die jeweilige App entwickelt wurde. Um zu entscheiden, ob sie für einen bestimmten Patienten geeignet ist, muss der Arzt oder die Ärztin die App jedoch selbst testen können“, sagt Möckel. Hierfür, und um dem Patienten die App am Bildschirm erklären zu können, wäre ein möglichst unbefristeter Testzugang sinnvoll. Zudem sprechen die bisherigen Anwendungen hauptsächlich niedergelassene Ärztinnen und Ärzte an, für den stationären Bereich sind sie nicht vorgesehen. „Im Rahmen des Entlassmanagements könnten sie jedoch auch für Klinikärzte interessant sein“, sagt Möckel. Noch gibt es hier aber keine Erfahrungen mit der Verordnungspraxis.
Unabhängig vom Setting dürfe der Einsatz von DiGA keinesfalls dazu führen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gestört werde. „DiGA können das Spektrum der Medizinprodukte in Zukunft sicherlich bereichern. Klar ist aber auch, dass sie die Behandlung und Medikation durch den behandelnden Arzt nur unterstützen, das heißt ihre Anwendung unter der Kontrolle des Arztes bleiben muss“, betont Professor Dr. med. Markus M. Lerch, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des LMU-Klinikums München und Präsident der DGIM.
Das Paper der AG DiGA istzu finden: https://www.springermedizin.de/praktische-anwendung-digitaler-gesundheitsanwendungen-diga-in-de/20040790?fulltextView=true