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„Chancen von Versorgungswettbewerb in der GKV“

22.09.2021 10:55
Kommentar von Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg

http://doi.org/10.24945/MVF.05.21.1866-0533.2343

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>> Angesichts der Finanzsituation der GKV erscheinen steigende Steuerzuschüsse und erhöhte Zusatzbeiträge bereits zu Beginn der 20. Legislaturperiode des Bundestags als kurzfristige Maßnahmen unausweichlich. Mittel- und langfristig braucht es hingegen keine fiskalischen, sondern strukturelle Maßnahmen für eine leistungsfähige GKV. Diese Einsicht belebt von neuem die „alte“ Diskussion um das Verhältnis zwischen staatlicher Regulierung und wettbewerblichen Ansätzen – und damit den Wunsch nach einem tauglichen Ordnungsrahmen, der insbesondere Qualität und Effizienz der gesundheitlichen Versorgung bestmöglich befördert. Nachfolgend soll kursorisch gezeigt werden, warum dabei – entgegen der gesundheitspolitischen Präferenz für exekutiven Dirigismus – wettbewerbliche Strukturen einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen leisten können – und sollten.

1. Demografie, sozialer Wandel, medizinischer Fortschritt und Digitalisierung als Treiber von Veränderungsprozessen

Die großen Herausforderungen für das deutsche Gesundheitssystem und die Perspektive der Gesetzlichen Krankenversicherung sind schnell benannt: Demografischer Wandel und vielfältige gesellschaftliche Veränderungen (hier insbesondere ein Trend zur Individualisierung), medizinischer Fortschritt und Digitalisierung. Die Konsequenzen dieses Vierklangs für die sozialpolitische Agenda der kommenden Jahre liegen auf der Hand.
Dennoch ist die Gesellschaft des „längeren Lebens“ offenkundig (noch) nicht bereit, die in den unterschiedlichsten biografischen Entwürfen liegende Dysbalance zwischen den Lebensphasen Ausbildung – Erwerbsarbeit – Alter/Ruhestand neu auszutarieren. Niedrige Geburtenraten und die Lebenserwartung, die seit Jahrzehnten stabil pro Jahr um etwa einen Monat steigt, schlagen naturgemäß als Unwucht unmittelbar auf die Renten- und Versorgungssysteme durch. Doch auch die Kranken- und Pflegeversicherung gerät mit ihrer Abhängigkeit von der Entwicklung der Erwerbseinkommen immer stärker in eine strukturelle Überforderung.
Im Gesundheitswesen stellt der medizinisch-wissenschaftliche Fortschritt eine weitere epochale Herausforderung dar. Die – aus Patientensicht – hoch erfreuliche Entwicklung neuer und besserer Diagnostik- und Therapieansätze verläuft dynamischer als der allgemeine Produktivitätszuwachs. Und mit Blick auf den Versicherten als „Kunden“ entfällt auch der Preis als limitierender Faktor für die Leistungsgewährung. Schließlich trägt in unserer Werteordnung aus guten Gründen die Solidargemeinschaft das Kostenrisiko des medizinischen Fortschritts; selbst dann, „wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht“.
Untrennbar verknüpft mit dem medizinischen Fortschritt ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Die Innovationspotenziale in Forschung, Versorgung und Administration sind noch längst nicht zu ermessen. Gleichzeitig ziehen die neuen Möglichkeiten der Datenverarbeitung neue Optionen und Wünsche nach sich – und nähren mit der Informationstechnologie Teile einer ganzen Branche aus den Beiträgen der Versicherten.
Und es zeichnen sich weitere „Stressfaktoren“ für die Kranken- und Pflegeversicherung ab: Etwa die Arbeitsmarkt-Effekte des sozialen und demogrfischen Wandels auf der Leistungsseite. So erreicht der Arbeitskräftemangel immer mehr Versorgungsbereiche und Gesundheitsberufe – auch wenn die Knappheit nicht durchweg der Demografie geschuldet ist, sondern, etwa in den akademischen Heilberufen, auch einer fehlgeleiteten politischen oder berufsständischen Regulierung von Ausbildung und Berufszugang.
Die hier genannten Trends sind weder Anlass für Untergangsszenarien noch zur Euphorie, sondern ein schlichtes Faktum, mit dem sich das Gesundheitssystem und seine Akteure zu befassen haben. Vieles dürfte dabei auf dem Prüfstand stehen: Der gesetzlich-regulatorische Rahmen – und damit Fragen nach dem Verhältnis zwischen Markt und Steuerung, das (Selbst-)Verständnis der Krankenkassen bzw. der GKV insgesamt, die Rollen und Funktionen der Versorgungsakteure – und nicht zuletzt die Perspektive der Versicherten: Ihre Ansprüche als Patienten und ihre Erwartungen als Kunden, aber auch legitime Anforderungen der Solidargemeinschaft an das Individuum.

2. Deregulierung und Wettbewerb als Erfolgsmodell mit hohem Kundenutzen

Entgegen dem verbreiteten Zerrbild einer „blockierten Republik“ hat die Politik seit den 1990er Jahren wiederholt tief in Strukturen und Besitzstände eingegriffen, die lange als sakrosankt gegolten hatten. Und dies mit Erfolg: Selbst Nostalgiker wünschen sich die alten Post- und Fernmeldemonopole nicht mehr zurück. Auch die Deregulierungen in Energie und Luftfahrt sind aus Verbrauchersicht Erfolgsgeschichten. In den genannten Beispielen ist es gelungen, Leistungen der Daseinsvorsorge aus der unmittelbaren Obhut des Staates in öffentlich regulierte Märkte zu überführen. Kritik und Unmut von Bürgern artikulieren sich heute sogar eher dort, wo die Daseinsvorsorge in den Händen der unmittelbaren Staatsverwaltung geblieben ist. So ist es etwa bis heute nicht gelungen, Schule und Verwaltung flächendeckend mit digitalen Plattformen und Werkzeugen auszustatten.
Trotz dieser unbestrittenen Erfolge der Deregulierung geraten wettbewerbliche Ansätze im politischen Diskurs zunehmend in die Defensive. Dies mag das Zögern der Politik erklären, den in 1990er Jahren begonnen Weg fortzuführen. Ganz besonders gilt dies für das Gesundheitswesen.

3. GSG – Integrierte Versorgung – Innovationsfonds: Etappen zu mehr Wettbewerb oder Fortführung der Regulierungsspirale?

Es fällt schwer, das Gesundheitswesen auf einem Kontinuum zwischen „Staat“ und „Markt“ zu verorten. Einzig bei der Kassenwahl der Versicherten bestand ab 1996 ein weitgehend homogener und transparenter Wettbewerb, in den die Krankenkassen nach dem „Lahnsteiner Kompromiss“ von 1992 entlassen wurden. In jüngerer Zeit hat jedoch auch hier der Staat die einst gewährten Freiheiten sukzessive zurückgenommen – im Kontext weiter Eingriffe in die Selbstverwaltung und die Finanzautonomie der Krankenkassen.
In der Gesamtschau vermittelt das Gesundheitswesen somit ein heterogenes Bild im Kontext der Kategorien von Markt und Wettbewerb. Zudem hat sich im deutschen Gesundheitswesen schon früh jener „dritte Weg“ etabliert, den die Politikwissenschaft als „Korporatismus“ bezeichnet. Also jenes fein austarierte Geflecht institutionalisierter Interessen – die vielzitierte „Selbstverwaltung“ –, die der Staat als Normgeber einerseits schützt und derer er sich andererseits als „Erfüllungsgehilfe“ für sein eigenes Rational bedient.
Der Korporatismus und die Sektorierung im deutschen Gesundheitswesen sind dabei zwei Seiten einer Medaille, insoweit „ambulant“ und „stationär“ dem Zuschnitt der wesentlichsten institutionellen Akteure auf der Leistungsseite entsprechen, nämlich Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG) bzw. deren Pendants in den Ländern.
Ökonomie und Politik arbeiten sich seit Jahrzehnten an diesem Status quo der Gesundheitsversorgung ab. Zwar hat der Gesetzgeber seit den 1990er Jahren Durchlässe und Übergänge an den „Sektorengrenzen“ geschaffen, aber dennoch die Statik des „Doppelhauses“ der ambulanten und stationären Versorgung im Kern nicht angetastet. Sektorübergreifende Versorgung war und ist unter diesen Umständen nur im experimentellen Setting möglich – und stets nur mit elaborierten Mechanismen zur Bereinigung sektorspezifischer Budgets, damit am Ende das Geld der Leistung folgt. Trotz einer hohen Investitionsbereitschaft der GKV ist die Integrierte – sektorunabhängige – Versorgung unter diesen Umständen kaum über den Modellstatus hinausgekommen.
Für diesen Strukturkonservatismus gibt es plausible Gründe: Die genannten korporatistischen Akteure mögen für die Politik mitunter unbequeme Partner sein. Noch mehr aber stehen sie – als Adressaten des Sicherstellungsauftrags – für Verlässlichkeit. Immerhin hat Deutschland mit seinem korporatistischen „Sonderweg“ seit 1945 keinen Streik seiner niedergelassenen Ärzte erlebt. Selbst die wenigen Streiks von Beschäftigten in Krankenhäusern erfolgten stets unter Aufrechterhaltung der Notfallversorgung. Auch mit Blick auf die Kostensteuerung erwies sich die Selbstverwaltung als probates Instrument: So greifen gesetzliche Maßnahmen der Preisregulierung und Kostendämpfung nur dann, wenn sie auch institutionell durchsetzbar sind. Dies gelingt – zumindest auf kurze Sicht – vortrefflich mittels sektoraler Budgets, die von den korporatistischen Akteuren effektiv „verwaltet“ werden.
Mit dem Motiv der Risikovermeidung hat der Gesetzgeber vor allzu liberalen Wettbewerbsmodellen stets Abstand genommen. Zwar hat die Politik den Vertragsärzten mit der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) bzw. der GKV mit der Integrierten Versorgung (IV) Zugeständnisse im Sinne einer institutionellen Alternative zur körperschaftlichen Interessenvertretung gewährt. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber auf die Versuche, insbesondere der Hausärzte, den körperschaftlichen Rahmen durch kollektive Zulassungsrückgabe vollständig zu verlassen, mit einer harschen, ja existenzgefährdenden Sanktionsdrohung reagiert.
Im Ergebnis bleiben Kollektivvertrag und Kontrahierungszwang in der ambulanten Versorgung bis heute die Regel, HZV und IV die Ausnahme. Und selbst in der HZV hat der Gesetzgeber beharrlich am Vertragszwang zu Lasten der Kassen festgehalten und auch die freie Wahl des Vertragspartners empfindlich eingeschränkt.
Eine systematische Öffnung im Sinne einer sektorunabhängigen Versorgung ist also nur möglich, wenn der Staat entweder selbst höhere Steuerungsrisiken in Kauf nimmt – oder ein regulatorisches Arrangement findet, in dem die Versorgungs- und Kostenrisiken von Akteuren übernommen werden, die selbst keine sektorspezifischen Eigeninteressen verfolgen. Keinesfalls kann dieses Arrangement ein strukturelles „Weiter so“ bedeuten. Stattdessen sollten die Chancen eines neuen Wettbewerbsmodells in den Blick genommen werden, mithin nicht die Frage ob, sondern wie Versorgungswettbewerb zukünftig im Gesundheitswesen erfolgreich etabliert werden kann. Dieser Paradigmenwechsel erschließt nicht nur wettbewerbliche Potenziale, sondern bietet auch die Chance, die Versorgung nicht aus der Perspektive von Strukturen zu denken, sondern von den individuellen Bedarfen von Versicherten und Patienten. Somit rücken Koordination und Kooperation in den Mittelpunkt der Leistungserbringung.

4. Ganzheitliche Versorgungsprozesse und Patientenorientierung

Das sektoral gegliederte deutsche Gesundheitssystem mag innerhalb seiner Sektoren leistungsfähig sein; allerdings führt das Binnenrational der Akteure aus einer patientenorientierten Gesamtversorgungssicht nicht zu einem befriedigenden Ergebnis. Ferdinand Gerlach, Vorsitzender des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen, hat diesen Befund gelegentlich als „Organisierte Verantwortungslosigkeit“ charakterisiert. Dieses Diktum mag zugespitzt sein, dennoch beschreibt es die vielen Brüche in den Versorgungsketten zwischen Professionen, Disziplinen und Sektoren. Zentrale Herausforderung für ein effizientes Gesamtsystem ist daher eine wirksame Koordination und Kooperation der Leistungsbereiche: Zum einen auf der Ebene der quantitativen und qualitativen Angebotsstrukturen (Bedarfsplanung), zum anderen auf der Ebene einer koordinierten Zusammenarbeit (Versorgungsaufträge und Versorgungspfade anhand stabiler Prozessketten) und schließlich – und in erster Linie – in einer patien-tenorientierten individuellen Versorgungssteuerung.
Die gesetzlichen Krankenkassen sind dabei die einzigen Akteure, die grundsätzlich aus ihrer institutionellen Verfasstheit heraus (indem sie einen internen Ausgleich zwischen den antagonistischen Interessen der Versicherten als Beitragszahler und Leistungsempfänger organisieren) und wegen ihrer Wettbewerbsstellung zueinander systemisch auf ein effektives und effizientes Gesamtversorgungsergebnis im Sinne der Versicherten und Patienten ausgerichtet sind.
Die skizzierte Rolle eines Systemintegrators bedarf auch auf operativer Ebene hoher logistischer Fähigkeiten und eines System- und Steuerungswissens, welches im dt. Gesundheitswesen in erster Linie Krankenkassen vorhalten (können). Sie sind in allen Leistungsepisoden von Versorgungsprozessen in unterschiedlichen Rollen involviert, etwa als Vertragspartner aller Leistungserbringern, als Genehmigungs- und Vergütungsinstanz, ggf. als Anbieter eigener (Satzungs-)Leistungen, als Informationsquelle, als Adressat von Beschwerden, als QS-Prüfinstanz – und nicht zuletzt als „Halter“ eines kaum übersehbaren Datenbestandes. Dieses Merkmal bzw. die Fähigkeit, sämtliche Behandlungsepisoden zu „verklammern“, prädestiniert allein Krankenkassen oder ihre Arbeitsgemeinschaften dafür, (Paket-)Leistungen nach Kunden-/Patientenbedürfnissen zu entwickeln und anzubieten, ggf. auch „einzukaufen“ – und sie gleichzeitig an Qualitätskriterien auszurichten, die dem Patienten in seiner Rolle als „Kunde“ kaum zugänglich und erst Recht nicht zu überprüfen sind. Durch eine gezielte Kompetenzzuweisung an Krankenkassen in den sektoralen Regulierungsregimen kann ein Innovationsprozess stimuliert werden, der intrinsisch auf eine optimale Gesamtversorgung zielt, ohne die Effizienzorientierung zu vernachlässigen.
Zur Erfüllung ihres Auftrags im SGB V, „den Versicherten die (…) Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung zu stellen“, stehen Krankenkassen zwar mit allen Leistungserbringergruppen in Vertragsbeziehungen. Aufgrund der heterogenen und sektoralen Regulierungsregime gelingt es gleichwohl nicht, diese Konstellation auf durchgängige Gesamtversorgungsprozesse auszurichten. Im Gegenteil: Zuletzt hat der Gesetzgeber mit zahlreichen unmittelbaren dirigistischen Eingriffen einen solchen Ansatz erschwert, etwa indem er
• in der Heilmittelversorgung Vertragsbeziehungen und Vergütungen vollständig vereinheitlicht und zentralisiert hat;
• mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) unsinnige Terminvorgaben und Zusatzvergütungen für Arztpraxen zentral oktroyiert;
• mit den Digitalen Gesundheitsanwendun-gen ganz neue Leistungsbereiche ohne Mitwirkung der Krankenkassen (und ohne Nutzenbewertung) ins Leistungsrecht aufnimmt.

Mit einer unmittelbaren staatlichen Steuerung kann eine rationale Gesamtsteuerung nicht erreicht werden. Noch weniger wird auf diese Weise eine Stabilisierung der GKV-Finanzen realistisch zu erzielen sein.

5. Kollektive Gesundheitsregionen als Lösungsoption?

Das zuletzt in der gesundheitspolitischen Fachöffentlichkeit diskutierte Konzept von Gesundheitsregionen  scheint hingegen kaum geeignet, den skizzierten Anforderungen patientenorientierter Gesamtversorgungsprozesse unter Berücksichtigung von Effizienz und Qualität gerecht zu werden. Die Übertragung von Initiativrechten auf Kommunen zur Ausrufung von Gesundheitsregionen und der damit konzeptionell verbundenen Einschaltung von Managementgesellschaften mit Koordinierungsfunktion gegenüber Leistungserbringern würde in der Konsequenz die Auflösung der für die GKV konstitutiven Kongruenz von Finanzierungs- und Versorgungsverantwortung bedeuten. Die oben aufgezeigten Kompetenzen der Krankenkassen blieben als Potenzial für das Gesundheitswesen ungenutzt.
Angesichts der Erfahrungen mit entsprechenden Modellen in Baden-Württemberg mag es erstaunen, dass dieser Ansatz weiterhin als Blaupause für eine flächendeckende Neuaufstellung der Versorgungsstrukturen in Deutschland gilt. Sehr viel naheliegender erscheint es, stufenweise die Krankenkassen in ihrem Gesamtversorgungsauftrag zu fordern und zu stärken und dafür die regulatorischen Weichen zu stellen.

6. Auf dem Weg zu einer Gesamtverantwortung durch die Krankenkassen

Eine zwingende Voraussetzung für Kooperation und Koordination auf der Versorgungsebene ist die Bereitschaft der verschiedenen Akteure, sich auf ein übergreifendes Steuerungsrational einzulassen und sich darin selbst als gestaltendes Element zu begreifen. Dazu bedarf es eines Regulierungsgefüges, das (regionale) gemeinsame Gestaltungsziele befördert, um schrittweise mehr sektorenübergreifende Versorgungsprozesse passgenauer abzustimmen und die Übergänge zwischen (Teil-)Versorgungsaufträgen verlässlicher auszugestalten. Dieser Rahmen beschreibt explizit nicht etwa die ehedem diskutierten Kasseneinkaufsmodelle, sondern vielmehr ein Setting, in dem regional vorhandene oder zu aktivierende Ressourcen entsprechend den Bedarfen mit klaren Versorgungsaufträgen hinsichtlich Quantität und Qualität in ein koordiniertes Versorgungsgeschehen eingebunden werden.
Auf dem Weg dorthin erscheinen folgende Maßnahmen zielführend:
1. Einführung des von der AOK-Gemeinschaft eingebrachten übergreifenden „3+1 Gremiums“ für sektorenunabhängige (regionale) Bedarfsplanung in Verbindung mit der Vergabe von Versorgungsaufträgen an Leistungserbringern bzw. deren Verbünde sowohl selektivvertraglich als auch kollektiv.
2. Die Verankerung von Versorgungs- und Finanzierungsverantwortung auf regionaler Ebene; derzeit steht die Ausgestaltung des Morbi-RSA (etwa der neu eingeführte Regionalfaktor) den dafür notwendigen Anreizen entgegen.
3. Die Digitalisierung als Innovationstreiber darf nicht durch einengende Regeln der Telematikinfrastruktur behindert werden. Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden jedoch nicht nur technisch beschränkt. Bleischwer wirkt hier die über Jahrzehnte gewachsene Struktur der ärztlichen Vergütung als Innovationshemmnis. Feste Preise in Verbindung mit einer konsequenten Prüfung der Leistungsmengen sollten die Tür öffnen für eine Auflösung der budgetierten Gesamtvergütung und des HVM.
4. Vertrags- und Vergütungskompetenz gehören dorthin, wo Versorgung gestaltet und (im Wettbewerb erfolgreich) verantwortet wird. Eine Revision der genannten zentralistischen Eingriffe der letzten Legislatur ist dringend geboten. <<


 

Zitationshinweis:
Bauernfeind, J.: „Chancen von Versorgungswettbewerb in der GKV“, in „Monitor Versorgungsforschung“ (05/21), S. 38-40. http://doi.org/10.24945/MVF.05.21.1866-0533.2343

Ausgabe 05 / 2021

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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