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Leistungskonzentration in der stationären Versorgung

22.09.2021 10:20
Die Diskussion um die Struktur der Krankenhausversorgung wird von zwei Thesen geprägt: Auf der einen Seite wird dafür plädiert, die Krankenhausversorgung auf eine geringere Anzahl von Standorten zu konzentrieren. Begründet wird dies nicht nur mit Verweis auf eine höhere Wirtschaftlichkeit der Krankenhausversorgung und eine effizientere Nutzung knapper Personalressourcen, sondern insbesondere auch mit einer höheren Versorgungsqualität vor allem bei komplexeren Eingriffen, für die sich ein positiver Volume-Outcome-Zusammenhang nachweisen lässt. Von anderer Seite hingegen wird unter anderem argumentiert, durch eine stärkere Konzentration verschlechtere sich die Erreichbarkeit der Krankenhausversorgung vor allem in ländlichen Regionen, während zusätzliche Qualitätsgewinne durch eine stärkere Konzentration entweder nicht mehr zu erwarten seien oder auch auf andere Art und Weise – etwa durch den verstärkten Einsatz von Telemedizin – erzielt werden könnten. Und auch aus wettbewerbstheoretischer Sicht könnte eine zu starke Konzentration sich negativ auf die Wettbewerbs-intensität zwischen Krankenhäusern auswirken und damit Qualitätsanreize vermindern. Bei dieser Diskussion fällt auf, dass bisher relativ wenig über die tatsächliche Konzentration der Krankenhausversorgung und ihrer Entwicklung bekannt ist. Ziel dieses Beitrages ist es daher, auf unterschiedlichen Ebenen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu prüfen, wie stark die Krankenhausversorgung in Deutschland gegenwärtig konzentriert ist, wie sich die Konzentration innerhalb der letzten Jahre verändert hat, und wo noch Potenziale für eine Steigerung der Versorgungsqualität durch eine stärkere Konzentration der Krankenhausversorgung bestehen1.

doi: http://doi.org/10.24945/MVF.05.21.1866-0533.2345

PDF

Abstract

In der Diskussion um Reformen im Krankenhaus-Sektor stehen vor allem Leis-tungskonzentration und Zentrenbildung im Fokus. Ziel ist es, so die Effizienz und Qualität der stationären Versorgung zu verbessern. Differenzierte Erkenntnisse über derartige Konzentrationsprozesse liegen jedoch bisher kaum vor. Zwar ist die Anzahl der Krankenhäuser in Deutschland seit dem Jahr 2010 um etwa zehn Prozent zurückgegangen. Doch im Kontrast zu diesem bundesweiten Trend zeigt sich bei ausgewählten Leistungsbereichen teilweise eine stark abnehmende Leistungskonzentration. Dies verdeutlichen neuartige Detailanalysen mit Daten gemäß § 21 KHEntgG und Daten der Qualitätsberichte der Krankenhäuser. Dabei sind Potenziale für Qualitätsverbesserungen durch eine stärkere Leistungskonzentration regional ungleich verteilt. Mehr bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben sollten entwickelt, die Krankenhausplanung der Länder gestärkt sowie die kartellrechtliche Bewertung von Klinikfusionen und -kooperationen erweitert werden.

Concentration of performance in inpatient care

The discussion about reforms in the hospital sector focuses primarily on the concentration of services and the formation of centers. The aim is to improve the efficiency and quality of inpatient care. So far however, there are hardly any differentiated findings about such concentration processes. It is true that the number of hospitals in Germany has declined by around ten percent since 2010. However, in contrast to this nationwide trend, there is in some cases a sharp decline in the concentration of services in certain service areas. This is illustrated by new types of detailed analyses using data pursuant to §21 KHEntgG and data from the quality reports of the hospitals. The potential for quality improvements through greater concentration of services is unevenly distributed across regions. More uniform national quality standards should be developed, hospital planning by the federal states should be strengthened, and the assessment of hospital mergers and collaborations under antitrust law should be expanded..

Keywords
Quality, hospital, service concentration, quality improvement

Dr. Stefan Loos / Dr. Martin Albrecht

Literatur

Albrecht, M./Loos, S./Irps, S. (2021): Qualitätsverbesserung durch Leistungskonzentration in der stationären Versorgung. In: www.iges.com/leistungskonzentration (abgerufen am 15.06.2021)

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Zitationshinweis: Loos, S., Albrecht, M.: „Leistungskonzentration in der stationären Versorgung“, in: „Monitor Versorgungsforschung“ (05/21), S. 51-56. http://doi.org/10.24945/MVF.05.21.1866-0533.2345

Open Access

Plain-Text:

>> Die Analysen basieren im Wesentlichen auf einer Auswertung der Daten gemäß § 21 KHEntgG (Krankenhausentgeltgesetz) durch das Forschungsdatenzentrum (FDZ) des Statistischen Bundesamtes sowie auf Daten der Qualitätsberichte der Krankenhäuser, die als xml-Datei vom Gemeinsamen Bundesausschuss zur Verfügung gestellt werden.2 Weitere Datenquellen wurden für Einzelfragen herangezogen.
Betrachtet wurden die beiden Jahre 2010 und 2018 (das zum Zeitpunkt der Studiendurchführung aktuellste verfügbare Datenjahr). Zur Beschreibung der Krankenhausversorgung wurde neben der Zahl der Standorte, Fachabteilungen, Fälle und Leistungen insbesondere der Herfindahl-Hirschman-Index (HHI) als Konzentrationsmaß herangezogen, bei dem der Wert 1 eine Monopolsituation und 0 gleiche Marktanteile anzeigt.
Die Konzentration wurde aus zwei Perspektiven betrachtet: Zum einen wurde untersucht, wie sich die Häufigkeit der Durchführung bestimmter Behandlungsleistungen deutschlandweit oder regional auf die Krankenhausstandorte verteilt. Zum anderen wurde untersucht, wie sich die Inanspruchnahme der Wohnbevölkerung eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt3 bei bestimmten Leistungen auf die leistungserbringenden Krankenhausstandorte – die sich sowohl inner- als auch außerhalb des betrachteten Kreises befinden können – verteilt.
Die Analysen erfolgen sowohl explorativ (z. B. für alle Fachabteilungen, ICD-3-Steller und OPS-4-Steller der Kapitel 5 und 8 des OPS-Katalogs) als auch prüfend für bestimmte Leistungen. Ausgewählt wurden hierfür Leistungen, für die in der bisherigen Fachdiskussion eine zu niedrige Konzentration der Leistungserbringung vermutet wird und für die Qualitätsverbesserungen durch eine stärkere Konzentration erwartet werden. Analysiert wurde die Leistungskonzentration auf Bundesebene, auf Ebene einzelner Kreise sowie auf der Ebene regionaler Krankenhauscluster. Aufgrund der Geheimhaltungsvorgaben des FDZ können Einschränkungen der Aussagekraft von Ergebnissen nicht ausgeschlossen werden.
Ergebnisse
A1 Übergreifende Analysen
Seit langem schon ist die Zahl der Krankenhausstandorte in Deutschland trotz über viele Jahre steigender Fallzahlen rückläufig. Auf Ebene der Fachabteilungen zeigen sich jedoch ganz unterschiedliche Entwicklungen. Während die Anzahl der Fachabteilungen etwa in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Zeitraum 2010 bis 2018 um 16% zurückgegangen ist, ist die Anzahl der Fachabteilungen für Geriatrie um 38% gestiegen (Abb. 1).
Durch die deutlichen Rückgänge in den häufigen und fallzahlstarken Fachabteilungen für Innere Medizin, Allgemeine Chirurgie sowie Frauenheilkunde und Geburtshilfe kommt es insgesamt zu einem Rückgang der Anzahl an Fachabteilungen.
Auf Kreisebene zeigen sich deutliche Unterschiede in der Konzentration der Inanspruchnahme, d. h. wie sich die Patienten mit Wohnort in einem Kreis auf unterschiedliche Krankenhäuser verteilen. Dies gilt vor allem für die Geriatrie: Trotz des starken Zuwachses der Anzahl der geriatrischen Fachabteilungen lag der HHI im Median über alle Kreise vergleichsweise hoch bei 0,45 (Abb 2.); in dem Viertel der Kreise mit den höchsten HHI-Werten sogar bei mindestens 0,73.
In der allgemeinen Chirurgie hingegen gab es trotz eines deutlichen Rückgangs im Jahr 2018 immer noch 1.033 Fachabteilungen; der HHI lag daher im Median über die Kreise nur bei 0,23, und die regionalen Unterschiede in der Kon-
zentration waren in der allgemeinen Chirurgie deutlich weniger stark als in der Geriatrie.

A2 Ausgewählte Leistungsbereiche
Für eine Detailanalyse wurden drei Leistungen ausgewählt, für die sich nach Studienlage positive Qualitätswirkungen einer Konzentration der Behandlungsfälle erwarten lassen: minimalinvasive Aortenklappenimplantation (darunter primär Transkatheter-Aortenklappenimplantation – TAVI), anatomische Lungenresektion und die Implantation von Hüft-Totalendoprothesen. Für keine dieser drei Leistungen wurde bislang eine gesetzliche Mindestfallzahl festgelegt, für TAVI und Lungenresektionen wird darüber aber beraten (Stand April 2021). Für alle Bereiche lassen sich zudem moderate Mindestfallzahlen aus Zertifizierungsvorgaben oder aus Studien ableiten.
Die Ergebnisse für die Jahre 2010 und 2018 zeigen, dass sich in keinem der drei Bereiche die Leistungskonzentration erhöht hat. Für die beiden kleineren Leistungsbereiche TAVI und Lungenresektion hat sich – im Gegenteil – die Leistungskonzentration sogar deutlich verringert. Dies gilt bei bundesweiter Betrachtung, aber ganz überwiegend auch auf regionaler Ebene. Knapp ein Drittel der Leistungsfälle mit anatomischer Lungenresektion wurde an Klinikstandorten behandelt, welche die Mindestfallzahl für eine Zertifizierung (75 pro Jahr) nicht erreichten (Tab. 1).
Bei TAVI ist der entsprechende Anteil – legt man studienbasiert eine Mindestfallzahl von 157 pro Jahr zugrunde – mit knapp 10 Prozent deutlich niedriger.
Ein Großteil der Kliniken (87 Prozent), die Hüft-TEP implantierten, erreichte im Jahr 2018 die Mindestfallzahl für eine Zertifizierung von 50 pro Jahr. Unabhängig von den Veränderungen ist die Leistungskonzentration bei den Implantationen einer Hüft-TEP im Vergleich zu den beiden anderen Leistungsbereichen deutlich geringer.
Für alle drei Leistungsbereiche zeigen sich schließlich regionale Unterschiede: Neben geringer Leis-tungskonzentration in Ballungsgebieten gibt es einige ländliche Regionen, in denen die Verteilung aller in den Krankenhäusern des regionalen Clusters behandelten Fälle auf die Klinikstandorte hochgradig konzentriert ist. Diese regionalen Unterschiede der Konzentration der Krankenhausversorgung zeigen sich auch aus Perspektive der regionalen Bevölkerung, also der Verteilung der Patienten aus einer Region auf Klinikstandorte (in und außerhalb der Region).
Im Folgenden werden exemplarisch ausgewählte Ergebnisse für zwei Leistungsbereiche vorgestellt: TAVI und die Implantation von Hüft-TEP.4

TAVI
Die TAVI war im Jahr 2010 in den einzelnen Kreisen noch hochkonzentriert: In lediglich 76 Kreisen verteilte sich die Inanspruchnahme der Wohnbevölkerung auf mindestens drei verschiedene Krankenhäuser;5 im Jahr 2018 lag die entsprechende Anzahl bei 352 Kreisen mit annähernd gleicher Krankenhauszahl. In den übrigen 61 Kreisen wurde die Wohnbevölkerung durch maximal zwei Krankenhäuser versorgt.
In diesen 76 Kreisen stieg die Konzentration der Inanspruchnahme durch die jeweiligen Wohnbevölkerungen (HHI) im Median leicht von 0,38 im Jahr 2010 auf 0,41 im Jahr 2018. In allen 352 Kreisen lag der HHI im Jahr 2018 bei 0,47; und in dem Viertel der Kreise mit den höchsten HHI lag er bei mindestens 0,64 (Abb. 3). In 34 Kreisen hatte das fallzahlstärkste Krankenhaus einen Marktanteil von mindestens 90%. Geht man davon aus, dass in den Kreisen, für die aus Geheimhaltungsgründen keine Daten für das Jahr 2010 vorliegen6, höher war als in den anderen Kreisen, dürfte die Konzentration von 2010 zu 2018 auf Kreisebene im Mittel gesunken sein.
Die stärksten Veränderungen des HHI im Vergleich der Jahre 2010 und 2018 resultieren jeweils aus Marktanteilsverschiebungen zwischen den Krankenhäusern; dies soll an zwei Beispielen verdeutlicht werden: In den beiden Kreisen mit dem stärksten Anstieg des HHI hat das jeweils fallzahlstärk-ste Haus deutlich Marktanteile hinzugewonnen: von 33% auf 90% im Landkreis Biberach und im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen von 43% auf 90%.
In den beiden Kreisen mit dem stärksten Rückgang des HHI hat sich der Marktanteil des jeweils fallzahlstärksten Hauses hingegen deutlich reduziert: von 87% auf 67% im Landkreis Böblingen und von 75% auf 44% im Vogelsberg-kreis. Dabei ist in drei der vier Kreise die Zahl der in Anspruch genommenen Krankenhäuser konstant bei drei geblieben; lediglich im Landkreis Biberach ist sie von vier auf fünf gestiegen.

Hüft-TEP
Die Verteilung der Inanspruchnahme der Bevölkerung auf Klinikstandorte, die (in und außerhalb der Region) Versorgungen mit Hüft-TEP durchführten, ist in den Kreisen deutlich unterschiedlich stark konzentriert (Abb. 4). Die durchschnittliche Wohnbevölkerung eines Kreises (Median) nahm im Jahr 2018 für Hüft-TEP-Operationen 33 verschiedene Krankenhäuser in Anspruch (Min: 12, Max: 100); im Jahr 2010 waren es 29 Krankenhäuser. Der Marktanteil des jeweils fallzahlstärksten Klinikstandorts lag im Median bei 36% (Min: 12%, Max: 80%; 2010: 35%). Der Konzentrationsgrad (HHI) lag im Median mit 0,204 (Min: 0,054, Max: 0,643) geringfügig unter dem Konzentrationsgrad im Jahr 2010 (0,213). Nur in sechs Kreisen lag der HHI im Jahr 2018 über 0,5; dort lag auch der Marktanteil des fallzahlstärksten Hauses bei mindestens 70%. Dabei handelt sich in vier Fällen um regional isolierte Kreise in Randlagen (Berchtesgadener Land, Wittmund, Passau und Garmisch-Partenkirchen).7 Bei den Regionen mit der geringsten Leistungskonzentration handelt es sich vielfach um kreisfreie Großstädte und angrenzende Landkreise.
Der Vergleich des Konzentrationsgrads in den Kreisen für die Jahre 2010 und 2018 zeigt insgesamt eine leichte Nivellierung: In Regionen mit einer überdurchschnittlich hohen Konzentration im Jahr 2010 ist die Konzentration eher zurückgegangen, in Regionen mit einer ursprünglich unterdurchschnittlichen Konzentration dagegen eher angestiegen.
Bei dem deutlichen Anstieg links in Abb 5. handelt es sich um den Landkreis Berchtesgadener Land. Hier ist der HHI von 0,323 auf 0,643 gestiegen und der Marktanteil der fallzahlstärksten Klinik von 52% auf 80% (Abb. 5). Alle drei Krankenhäuser im Kreis gehören zur Kliniken Südostbayern AG, zwei davon führen Hüft-TEP-Implantationen durch. Eines der beiden wurde im Jahr 2013 als Endoprothetikzentrum zertifiziert; dort sind die Fallzahlen gegenüber dem Jahr 2010 deutlich angestiegen, am anderen Standort dagegen zurückgegangen. Bei dem zweiten deutlichen Anstieg des HHI von 0,256 auf 0,544 handelt es sich um den Landkreis Celle. Das von den Patienten aus diesem Kreis am häufigsten in Anspruch genommene Haus konnte seinen Marktanteil von 47% auf 73% steigern. In dem Kreis werden nur an einem Standort Hüft-TEP-Implantationen durchgeführt: Dieser hat seine Fallzahl seit dem Jahr 2010 verdoppelt; somit liegt die Vermutung nahe, dass es diesem Standort gelungen ist, das regionale Fallaufkommen besser auszuschöpfen und die Anzahl der Behandlungen in umliegenden Regionen zu reduzieren.
Der deutliche Rückgang der Konzentration am linken Rand der Abbildung 5 von 0,672 auf 0,316 betrifft die kreisfreie Stadt Schwerin: Hier lag der Marktanteil der fallzahlstärksten Klinik im Jahr 2010 bei 81%, im Jahr 2018 nur noch bei 53%. Die einzige Klinik in Schwerin selbst hat deutlich an Fällen verloren, während Kliniken in der Umgebung (z. B. Hagenow, Crivitz, Grevesmühlen, Wismar und Parchow) ihre Fallzahlen erhöhen konnten.
Zusammenfassung und Diskussion
Die Anzahl der Krankenhäuser in Deutschland ist seit dem Jahr 2010 um etwa 10% zurückgegangen; auch auf Ebene der Fachabteilungen war insgesamt ein Rückgang zu verzeichnen. Allerdings gab es hier schon unterschiedliche Entwicklungen: Während sich etwa die Zahl der Fachabteilungen für Augenheilkunde, HNO sowie Frauenheilkunde und Geburtshilfe deutlich reduziert hat, hat beispielsweise die Zahl der geriatrischen und neurologischen Fachabteilungen deutlich zugenommen. Um die Frage beantworten zu können, ob durch eine stärkere Konzentration der Krankenhausversorgung Qualitätsverbesserungen erzielt werden können, bleibt eine Betrachtung auf dieser Ebene jedoch zu grob, denn die vorliegende empirische Evidenz zu höherer Qualität in Einrichtungen mit größeren Fallzahlen bezieht sich jeweils auf einzelne Leistungen.
Aus diesem Grund erfolgten Detailanalysen in drei Leistungsbereichen, für die sich nach Studienlage positive Qualitätswirkungen einer Konzentration der Behandlungsfälle erwarten lassen:
• TAVI,
• (anatomische) Lungenresektion und
• Hüft-TEP.

Im Vergleich der Jahre 2010 und 2018 gab es generell zwar deutlich gestiegene Fallzahlen in allen drei Bereichen, aber im wesentlichen konstante Einrichtungszahlen. Bei TAVI und Lungenresektionen hat die Leistungskonzentration dennoch deutlich abgenommen. Standorte, die im Jahr 2010 besonders hohe Fallzahlen hatten, haben vielfach Marktanteilseinbußen, teilweise aber auch absolute Fallzahlrückgänge hinnehmen müssen. Trotz der im Mittel deutlich gestiegenen Einrichtungsfallzahlen kam es bei TAVI und Hüft-TEP noch immer in geringerem Umfang zur Unterschreitung von Mindestmengen, wie sie etwa in Zertifizierungsverfahren gefordert werden. Bei den anatomischen Lungenrese    ktionen hingegen wurde rund ein Drittel aller Resektionen in Kliniken durchgeführt, die die Mindestmenge von 75 Eingriffen p. a.
nicht erreichten.
Auf regionaler Ebene stellt sich die Situation sowohl hinsichtlich des Niveaus der Konzentration als auch hinsichtlich der Entwicklung recht unterschiedlich dar: Während die Inanspruchnahme der Versorgung mit Hüft-TEP durch die Wohnbevölkerung in 17 Regionen (insbesondere den Großstädten und dem Ruhrgebiet) stark dekonzentriert (HHI < 0,1) ist, liegt bei der Versorgung mit TAVI der HHI in 32 Kreisen über 0,81 und der Marktanteil des fallzahlstärksten Krankenhauses bei 90% und mehr. Die Entwicklung der Fallkonzentration war ähnlich vielfältig: In vielen Regionen gab es nur geringe Veränderungen des Konzentrationsgrades (obwohl es teilweise zu deutlichen Verschiebungen der Fallanteile zwischen den Krankenhäusern kam). In wenigen Regionen stieg die Konzentration deutlich an: Dies war in den untersuchten Beispielen häufig dann der Fall, wenn Standorte komplett geschlossen oder Leistungen innerhalb eines Krankenhausverbundes an einem Standort konzentriert wurden.
Insgesamt zeigen sich in allen drei untersuchten Leistungsbereichen und in vielen Regionen noch Potenziale für Qualitätsverbesserungen durch eine stärkere Konzentration der Versorgung. Angesichts der regionalen Vielgestaltigkeit der Krankenhausversorgung und den identifizierten Treibern für Konzentrationsprozesse werden dafür verschiedene Maßnahmen empfohlen:
Von bundesgesetzlicher Ebene sollten weitere Impulse kommen, die Entwicklung der Krankenhausstrukturen stärker an Qualitätszielen auszurichten. Dazu kann auch eine evidenzbasierte Weiterentwicklung der Mindestmengenvorgaben beitragen. Ergänzend sollten weitere Optionen für den Zugang zu Zentren in ländlichen Regionen mit geringen Fallzahlen geschaffen werden (z. B. telemedizinische Kooperationen mit größeren Zentren).
Die bislang insgesamt noch überschaubaren Ansätze einer aktiveren Krankenhausplanung der Bundesländer sollten fortgesetzt und erweitert werden. Dies sollte auf der Grundlage eines kontinuierlichen und systematischen Monitorings des regionalen Versorgungsgeschehens im Hinblick auf die Verfügbarkeit, Erreichbarkeit und Qualität der Versorgung geschehen. Die Aufnahme von Klinikkapazitäten in die Krankenhauspläne der Länder sollten an die Einhaltung von Qualitätsvorgaben gebunden werden. Erforderlich ist hierfür eine personelle Stärkung der Planungsbehörden und eine gezielte, ausreichende Investitionsfinanzierung sowie die frühzeitige und systematische Einbindung von Krankenhaus- und Kostenträgern.
Schließungen von Standorten und trägerinterne Reorganisationen haben in Regionen teilweise zu einem deutlichen Anstieg der Konzentration der Krankenhausversorgung geführt. Eigene Bestrebungen der Krankenhäuser, trägerübergreifend zu kooperieren und Angebote zu konzentrieren, stoßen häufig nicht nur auf politische, sondern auch auf kartellrechtliche Vorbehalte. Die kartellrechtliche Bewertung von Krankenhauskooperationen und -fusionen sollte daher erweitert werden. Empfehlenswert ist, die Konzentration der Krankenhausversorgung mindestens ergänzend auch für spezifische Leistungsmärkte zu messen und Qualitätseffekte bei der Prüfung von Krankenhausfusionen stärker einzubeziehen. Und die ordnungspolitische Diskussion um die Rolle des Wettbewerbs auf regionalen Krankenhausmärkten muss geführt werden. <<

Ausgabe 05 / 2021

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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