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Ökonomische Folgen der Meningokokken-Infektionen

22.09.2021 11:25
Das Robert Koch-Institut (RKI) schreibt auf seiner Homepage1 folgenden Satz: „Impfungen gehören zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen.“ In 2019 haben die Kosten für Impfstoffe und Impfleistungen rund 0,75% der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) betragen. Die Ausgaben beliefen sich im Jahr 2019 auf rund 1,80 Mrd. Euro.2

http://doi.org/10.24945/MVF.05.21.1866-0533.2341

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>> Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die einmalige Impfung gegen Meningokokken Serogruppe C (Meningokokken C) als Standardimpfung für Kinder und Jugendliche, nicht jedoch die Impfung gegen Meningokokken Serogruppe B (Meningokokken B) als Standardimpfung.3 Im Zuge der STIKO-Empfehlung wird zwischen Standardimpfungen und Indikationsimpfungen für besonders gefährdete Personengruppen unterschieden.
Die Serogruppe B war zwischen den Jahren 2011 und 2020 für über 65% aller IME-Fälle über alle Altersgruppen hinweg verantwortlich. 4
Die Empfehlung zur Meningokokken-Impfung aufgrund von medizinischen Indikationen wurde im Epidemiologischen Bulletin 37/2015 aktualisiert. Die STIKO begründet die Empfehlung zum Einsatz eines Meningokokken-B-Impfstoffs als Ergänzung zur Impfung mit einem Meningokokken-ACWY-Konjugatimpfstoff bei Personen mit besonderen Grunderkrankungen (bspw. Asplenie 5, Komplementdefekten 6) oder aufgrund von medikamentöser Therapie (bspw. C5-Komplement-Inhibitoren 7). Im Zuge dieser wissenschaftlichen Begründung kommt die STIKO auf eine Number Needed to Vaccinate (NNV) von 19.000 bei den Meningokokken B und 31.250 bei den Meningokokken ACWY für Patienten mit Asplenie. Bei Patienten mit Komplementdefekten beträgt die NNV 49 – 98 bei den Meningokokken B und 89 – 17 9 bei den Meningokokken ACWY- und bei HIV-Patienten müssen 51.000 – 102.000 gegen Meningokokken B und 89.000 – 179.000 gegen Meningokokken ACWY geimpft werden, um jeweils einen Fall zu verhindern. Die NNV bezieht sich in diesen Fällen auf die Verhinderung jeweils eines Falls im Jahr nach der Impfung. Die Inzidenzen und die damit verbundenen NNV hat die STIKO geschätzt. Die STIKO geht von einer Schutzdauer von drei Jahren aus. 8
Etwa 10% 9 der Bevölkerung sind asymptomatische Träger 10 von Neisseria meningitidis. Der Nasen-Rachen-Raum dieser Personen ist mit Meningokokken besiedelt. Die Trägerrate ist u. a. vom Alter abhängig. Bei Kleinkindern sind rund 4,5% und bei den 19-Jährigen bis zu 24% Träger. 11
Eine invasive Meningokokken Erkrankung (IME) beginnt recht häufig mit unspezifischen Symptomen im Nasen-Rachen-Raum, Kopfschmerzen, Fieber, Schüttelfrost, Schwindel und schwerstem Krankheitsgefühl. Bei Säuglingen und Kleinkindern, die den Großteil der Fälle ausmachen, können die Symptome unspezifischer sein. Die IME kann sich innerhalb von wenigen Stunden von den unspezifischen Symptomen hin zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung entwickeln und binnen 24 Stunden tödlich enden.12
Die Letalität bei einer IME hängt u.a. von der Serogruppe als auch von der Art der Infektion (Sepsis bzw. Meningitis) ab. In Deutschland liegt die Letalität bei einer IME der Serogruppe B bei 9,4% und im Falle der Serogruppe C bei 13,6%. Die Letalität aller IME bei einer reinen Meningitis liegt bei etwa 2,1% und bei einer Sepsis bei ca. 18%. Kommt es im Rahmen der Sepsis zum Waterhouse-Friderichsen-Syndrom liegt die Letalität bei ca. 38%.13
In 10 – 20% der IME-Fälle entwickeln sich Spätfolgen der Infektion.14 Diese reichen von Amputationen (ca. 1,26%) in Folge von Gefäßschäden und Nekrosen im Zuge einer Sepsis bis hin zu verschiedensten Formen von Nervenschäden (ca. 6,62%) bei einer Meningitis. Die Meningitis kann zu Hirnnervenlähmungen, Hemiplegie, Krampfanfällen, Taubheit (inkl. Hörschäden ca. 11,46%), Einschränkungen des Intellekts (ca. 0,5%) und Lernschwierigkeiten führen. 15
Die durchschnittlichen Kosten zur Behandlung einer IME inklusive Folgekosten belaufen sich bis zum 5. Geburtstag gemäß der Veröffentlichung von Scholz et al. (2019)16 auf 74.290 Euro. Die notwendige NNV zur Verhinderung einer IME der Serogruppe B im ersten Lebensjahr beträgt auf Basis der Daten des RKI17 39.962 im ersten Jahr nach der Impfung. Die Inzidenzen wurden vom RKI anhand der gemeldeten Fallzahlen ermittelt und nicht wie bei den Indikationspatienten geschätzt.  
Die Inzidenz bei Säuglingen im ersten Lebensjahr ist etwa drei Mal so hoch wie bei HIV-Patienten.18 Selbst durch die geringe Stammabdeckung bei Säuglingen19 ist die NNV zur Verhinderung einer IME der Serogruppe B geringer als bei HIV-Patienten. Die IME-Fälle der Serogruppen A, W und Y spielen vor allem im höheren Lebensalter eine Rolle.


Fazit
Da sich das Impfschema in den ersten 24 Monaten nicht grundlegend unterscheidet, macht eine Impfung im ersten Lebensjahr Sinn und ist aufgrund der hohen Inzidenz im ersten Lebensjahr gerechtfertigt.
Außerdem ist durch die gute immunologische Antwort und die Auswirkungen auf das Trägertum durch die Nutzung von Konjugatimpfstoffen ein Switch von reinen Meningokokken-C-Konjugatimpfstoffen zu tetravalenten Meningokokken-ACWY-Konjugatimpfstoffen bei der Grundimmunisierung von Kleinkindern ein überlegenswerter Schritt. <<
von: Peter Münch*

* Manager Marktzugang und Erstattung, Health & Value Germany bei
Pfizer Deutschland


Literatur

2: GKV-Spitzenverband (Hrsg.): GKV-Kennzahlen (URL: https://www.gkv-spitzenverband.de/service/zahlen_und_grafiken/gkv_kennzahlen/gkv_kennzahlen.jsp).
3: Robert Koch-Institut (Hrsg.): Epidemiologisches Bulletin 34/2020 Tab. 1
4: Robert Koch-Institut (Hrsg.): SurvStat@RKI 2.0, Abfragedatum 07.03.2021
5: Robert Koch-Institut (Hrsg.): Impfungen bei Asplenie (Entfernung der Milz oder Ausfall der Organfunktion) (URL: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/AllgFr_Grunderkrankungen/FAQ01.html)
6: Kirschfink, M. (2014): Komplementsystem und Komplementdefekte
7: Robert Koch-Institut (Hrsg.): Epidemiologisches Bulletin 34/2020 S. 11
8: Robert Koch-Institut (Hrsg.): Epidemiologisches Bulletin 37/2015
9: Robert Koch-Institut (Hrsg.): RKI-Ratgeber Meningokokken, invasive Erkrankungen (Neisseria meningitidis) (URL: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Meningokokken.html)
10: Robert Koch-Institut (Hrsg.): RKI-Fachwörterbuch Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie S. 79
11: Christensen, H. et al. (2010): Meningococcal carriage by age: a systematic review and meta-analysis (The Lancet Infectious Diseases).
12: Robert Koch-Institut (Hrsg.): RKI-Ratgeber Meningokokken, invasive Erkrankungen (Neisseria meningitidis) (URL: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Meningokokken.html)
13: Robert Koch-Institut (Hrsg.): Epidemiologisches Bulletin 43/2016 S. 474
14: Robert Koch-Institut (Hrsg.): RKI-Ratgeber Meningokokken, invasive Erkrankungen (Neisseria meningitidis) (URL: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Meningokokken.html)
15: Vgl. für prozentuale Angaben im Absatz Scholz, S. et al. (2019): The cost-of-illness for invasive meningococcal disease caused by serogroup B Neisseria meningitidis (MenB) in Germany (Elsevier Vaccine)
16: Scholz, S. et al. (2019): The cost-of-illness for invasive meningococcal disease caused by serogroup B Neisseria meningitidis (MenB) in Germany (Elsevier Vaccine)
17: Robert Koch-Institut (Hrsg.): Epidemiologisches Bulletin 37/2015
18: Robert Koch-Institut (Hrsg.): Epidemiologisches Bulletin 3/2018 i. V. m. Robert Koch-Institut (Hrsg.): Epidemiologisches Bulletin 37/2015.
19: Robert Koch-Institut (Hrsg.): Epidemiologisches Bulletin 37/2015

 

Zitationshinweis:
Münch, P.: „Ökonomische Folgen der Meningokokken-Infektionen“, in „Monitor Versorgungsforschung“ (05/21), S. 30-31. http://doi.org/10.24945/MVF.05.21.1866-0533.2341

Ausgabe 05 / 2021

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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