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Analyse der Therapie- und Kostenstrukturen bei Patienten mit DLBCL in der GKV

17.05.2022 13:20
Die von den Immunzellen ausgehende bösartige Tumorerkrankung des diffus großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) gilt mit etwa 30 bis 58% als häufigstes Non-Hodgkin-Lymphom bei Erwachsenen (Tilly et. al 2015: S. 116). Mit einer Inzidenz im Zweijahreszeitraum von 3,8 Fällen pro 100.000 Einwohnern ist es die häufigste maligne Erkrankung des lymphatischen Systems in Europa (Sant et al. 2010: 3728). Die Inzidenz steigt mit zunehmendem Lebensalter an, bei einem Median von 70 Jahren (Morton et al. 2006: 265). Neben einer Vergrößerung der Lymphknoten kann auch die Milz betroffen sein. Lymphome haben häufig einen aggressiven Verlauf. Bleibt DLBCL unbehandelt, kann die Erkrankung zum Tod führen. Aufgrund einer hohen histologischen, klinischen und molekularen Variabilität fällt die mittlere Überlebensdauer sehr unterschiedlich aus. Die 5-Jahres-Überlebensraten werden mit 60-90% angegeben (Ärztezeitung 2021), wobei das Überleben insbesondere bei Nichtansprechen auf die 1L-Therapie schlechter ausfällt (AWMF online 2022). In der Therapie werden u.a. autologe oder allogene Stammzelltransplantationen (STZ) durchgeführt; die Ausgaben belaufen sich dabei zwischen 107.457 Euro bis 230.399 Euro je Patienten (Mayerhoff et al. 2019: 126). Nunmehr gibt es neu zugelassene Therapieoptionen in Deutschland, die den Erkrankten ein längeres Überleben ermöglichen sollen. Im August 2018 wurde in der Europäischen Union die Behandlungsmethode der CAR-T-Zelltherapie (Chimärer Antigenrezeptor an T-Zellen) nach 2L oder mehr Therapielinien zugelassen. Hierbei handelt es sich um eine Krebsimmuntherapie, die auf genetisch veränderten T-Zellen mit synthetischen antigenspezifischen Rezeptoren basiert (Srivastava/Riddell 2015: 494). Weiterhin werden, v.a. in der 1L und 2L, Immunchemotherapien oder klassische Chemotherapien, häufig in Form von komplexen Behandlungsschemata und teilweise in Kombination mit Rituximab (RTX), eingesetzt. Aufgrund dieser komplexen Behandlungsmöglichkeiten besteht ein Bedarf an wissenschaftlicher Evidenz zur Versorgung.

http://doi.org/10.24945/MVF.03.22.1866-0533.2416

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Abstract

Die vorliegende Analyse zum diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) untersucht die Realversorgung von Patienten mit DLBCL anhand einer Auswertung von Abrechnungsdaten der Gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Im Rahmen der Analyse wurde festgestellt, dass die Immunchemotherapie die dominierende Therapieform darstellt. Insbesondere in der jüngeren Population folgt danach die allogene/autologe Stammzelltransplantation (SZT) ab der Zweitlinientherapie, während in der älteren Population eher Monotherapien zum Einsatz kommen. CAR (Chimärer Antigenrezeptor)-T-Zell-Therapien konnten im Analysezeitraum (Jahre 2014 bis 2019) nicht beobachtet werden. Die ersten CAR-T-Zell-Präparate wurden im August 2018 zugelassen und in 2019 als OPS im Vergütungssystem abgebildet, aber im Analysezeitraum bis Ende 2019 nur selten eingesetzt und waren somit in dem Kollektiv nicht abgebildet. Insgesamt weisen 40% der Patienten nach der Erstlinie (1L), 52% nach der Zweitlinie (2L) und 57% nach der Drittlinie (3L) keine weitere definierte Behandlungslinie bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes auf und versterben auch nicht.

Treatment and costs of patients suffering from DLBCL in the German statutory health insurance – A retrospective real world data analysis

This analysis uses German statutory health insurers‘ administrative data to generate real world evidence on how patients suffering from diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL) are treated. It becomes evident that immunochemotherapy is the leading form of treatment. From the second line of therapy onwards, allogenic/autologous stem cell transplantation becomes more important for the younger population while older patients are rather treated with mono therapies. Within the period to analyze from year 2014 to 2019, CAR (Chimeric Antigen Receptor)-T cell therapies could not be observed in our data. The first CAR T-cell drugs were approved in August 2018 and mapped as OPS in the reimbursement system in 2019 but were rarely used in the period analyzed through the end of 2019 and thus were not mapped in the sample. Overall, it can be seen, that 40% of the patients after the first (1L) and 52 % after the second (2L) and 57% after the third line of therapy (3L) did not have neither a further defined line of therapy documented nor do they die until the end of the observation periods.

Keywords
statutory health insurers‘ administrative data, DLBCL, DLBCL population, therapeutic regimens, immunochemotherapy, stem cell transplantation, real world evidence

Dr. rer. oec. Katja Gehrke / Dr. rer. pol. Stefanie Thönnes / Sebastian Lempfert

Literatur
AGENS, DGSMP und DGEpi (2014): Gute Praxis Sekundärdatenanalyse (GPS) Leitlinien und Empfehlungen. In: https://www.dgepi.de/assets/Leitlinien-und-Empfehlungen/GPS_revision2-final_august2014.pdf (abgerufen am 07.12.2021)
Ärzt:innenzeitung (2021): Innovative Krebsbehandlung. CAR-T-Zell-Therapie ist in Deutschland angekommen. In: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/CAR-T-Zell-Therapie-ist-in-Deutschland-angekommen-406907.html (abgerufen am 07.12.2021)
AWMF online (2022): Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge für erwachsene Patienten mit einem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom. In: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/018-038OL.html (abgerufen am 05.01.2022)
Mayerhoff, L./Lehne, M./Hickstein, L./ Salimullah, T./ Prieur, S./Thomas, S.K./Zhang, J. (2019): Cost associated with hematopoetic stem cell transplantation: a retrospective claims data analysis in Germany. In: Journal of Comparative Effectiveness Research 2019, 8, 2: S. 121-131.
Morton, L.M./Wang, S.S./Devesa, S.S./Hartge, P./Weisenburger, D.D./ Linet, M.S. (2006): Lymphoma incidence patterns by WHO subtype in the United States, 1992-2001. In: Blood 2006, 107: S. 265-276 (DOI: 10.1182/blood-2005-06-2508)
Neubauer, S./Zeidler, J./Lange, A./von der Schulenburg, M. (2014): Grundlagen und Methoden von GKV-Routinedatenstudien., Diskussionspapier Nr. 534. In: https://www.researchgate.net/publication/292605730_Grundlagenund_Methoden_von_GKV-Routinedatenstudien, (abgerufen am 16.01.2022)
Onkopedia (2021): Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom. In: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/diffuses-grosszelliges-b-zell-lymphom/@@guideline/html/index.html (abgerufen am 04.01.2022)
Sant, M,/ Allemani, C./ Tereanu, C./ De Angelis, R./ Capocaccia, R./Visser, O./Marcos-Gragera, R./Maynadié, M./Simonetti, A./Lutz, J.M./Berrino, F. HAEMACARE Working Group. Incidence of hematologic malignancies in Europe by morphologic subtype: results of the HAEMACARE project. In: Blood. 2010 Nov 11;116(19): S. 3724-34. DOI: 10.1182/blood-2010-05-282632)
Srivastava, S./ Riddell, S. R. Engineering (2015): Engineering CAR-T cells: Design concepts. In: Trends in Immunology 2015, 36: S. 494–502 (DOI:10.1016/j.it.2015.06.004)
Tilly, H./Gomes da Silva, M./Vitolo, U., Jack, A./Meignan M./Lopez-Guillermo, A./ Walewski, J./André, M./Johnson, P.W./Pfreundschuh, M./Ladetto, M. ESMO Guidelines Committee. Diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL): ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann On-col. 2015 Sep; 26 Supplement 5: S. 116-125. (DOI: 10.1093/annonc/mdv304. PMID: 26314773)

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Zitationshinweis: Gehrke, K., Thönnes, S., Lempfert, S.: „Analyse der Therapie- und Kostenstrukturen bei Patienten mit DLBCL in der GKV“, in: „Monitor Versorgungsforschung“ (03/22), S. 77-84. http://doi.org/10.24945/MVF.03.22.1866-0533.2416

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Analyse der Therapie- und Kostenstrukturen bei Patienten mit DLBCL in der GKV / Eine retrospektive Real World Data Analyse

Die von den Immunzellen ausgehende bösartige Tumorerkrankung des diffus großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) gilt mit etwa 30 bis 58% als häufigstes Non-Hodgkin-Lymphom bei Erwachsenen (Tilly et. al 2015: S. 116). Mit einer Inzidenz im Zweijahreszeitraum von 3,8 Fällen pro 100.000 Einwohnern ist es die häufigste maligne Erkrankung des lymphatischen Systems in Europa (Sant et al. 2010: 3728). Die Inzidenz steigt mit zunehmendem Lebensalter an, bei einem Median von 70 Jahren (Morton et al. 2006: 265). Neben einer Vergrößerung der Lymphknoten kann auch die Milz betroffen sein. Lymphome haben häufig einen aggressiven Verlauf. Bleibt DLBCL unbehandelt, kann die Erkrankung zum Tod führen. Aufgrund einer hohen histologischen, klinischen und molekularen Variabilität fällt die mittlere Überlebensdauer sehr unterschiedlich aus. Die 5-Jahres-Überlebensraten werden mit 60-90% angegeben (Ärztezeitung 2021), wobei das Überleben insbesondere bei Nichtansprechen auf die 1L-Therapie schlechter ausfällt (AWMF online 2022). In der Therapie werden u.a. autologe oder allogene Stammzelltransplantationen (STZ) durchgeführt; die Ausgaben belaufen sich dabei zwischen 107.457 Euro bis 230.399 Euro je Patienten (Mayerhoff et al. 2019: 126). Nunmehr gibt es neu zugelassene Therapieoptionen in Deutschland, die den Erkrankten ein längeres Überleben ermöglichen sollen. Im August 2018 wurde in der Europäischen Union die Behandlungsmethode der CAR-T-Zelltherapie (Chimärer Antigenrezeptor an T-Zellen) nach 2L oder mehr Therapielinien zugelassen. Hierbei handelt es sich um eine Krebsimmuntherapie, die auf genetisch veränderten T-Zellen mit synthetischen antigenspezifischen Rezeptoren basiert (Srivastava/Riddell 2015: 494). Weiterhin werden, v.a. in der 1L und 2L, Immunchemotherapien oder klassische Chemotherapien, häufig in Form von komplexen Behandlungsschemata und teilweise in Kombination mit Rituximab (RTX), eingesetzt. Aufgrund dieser komplexen Behandlungsmöglichkeiten besteht ein Bedarf an wissenschaftlicher Evidenz zur Versorgung.

>> Hierfür wurde im Rahmen dieser Analyse ein spezieller Algorithmus für die Therapie- und Linienanalytik entwickelt. Aus Sicht der GKV gibt es ein Interesse an der Evidenz aus der Versorgung, um z.B. zu sehen, inwiefern eine zugelassene Therapie beim Patienten ankommt. Weiterhin kann die Versorgung von DLBCL-Patienten insbesondere hinsichtlich des Einsatzes neuer Therapieoptionen in den späteren Therapielinien abgebildet werden. Nach aktuellem Stand der Recherche ist dies die erste Analyse zu diesen Fragestellungen auf der Basis von GKV-Abrechnungsdaten.

Methoden
Datenauswahl und -extraktion

Es wurden anonymisierte Abrechnungsdaten eines Kollektivs von 5,1 Mio. Versicherten der Jahre 2014 bis 2019 ausgewertet. Diese Daten wurden nach einem gemeinsam vereinbarten Protokoll unter strikter Beachtung des zugrundeliegenden Datenschutzkonzeptes aufbereitet und ausgewertet. Diese anonymisierten Abrechnungsdaten der GKV beinhalten u.a. soziodemografische Informationen zu den Versicherten (Alter, Geschlecht, Versichertenstatus), Versichertenzeiten, Diagnosen von niedergelassenen Allgemein- und Fachärzt:innen sowie Krankenhäusern (ambulante und stationäre Behandlung), durchgeführte Behandlungen über Ziffern des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) als Codes im ambulanten Sektor, Diagnosis Related Groups (DRGs) und Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) als Codes im stationären Sektor sowie Informationen/Codes zu verordneten Arzneimitteln anhand des Anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystems (ATC). Des Weiteren sind die daraus für die GKV entstehenden Kosten in den Leistungsbereichen niedergelassener Arzt, Krankenhaus, Arzneimittel, Arbeitsunfähigkeit (d.h. Krankengeld) sowie für Fahrtkosten ersichtlich. Aufgrund eines Identifiers ist es möglich, die einzelnen Versichertenanonyme longitudinal zu beobachten. Die Erstellung des Designs und die Durchführung dieser Analysen orientieren sich an den Leitlinien und Empfehlungen Gute Praxis Sekundärdatenanalyse (AGENS et al. 2014) und erfolgte mit Einwilligung der beteiligten Krankenkassen.

Identifikation der Analysepopulation

Eingeschlossen in diese Datenanalyse werden Versichertenanonyme (nachfolgend Patienten) mit einer gesicherten DLBCL-Diagnose im Zeitraum Q1/2016 bis Q4/2017. (1)
Dazu wurde die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10-Diagnose) verwendet und mit C83.3 (Diffus großzelliges B-Zell-Lymphom) in den Abrechnungsdaten von niedergelassenen Ärzt:innen und im Krankenhaus identifiziert. Von diesen Patienten werden nur solche analysiert, die mindestens 8 Quartale vor der relevanten Diagnose (Indexquartal) beobachtet werden können (Vorbeobachtungszeitraum). Zusätzlich wird verlangt, dass sie auch mindestens 7 Quartale nach dem Indexquartal beobachtet werden können, außer sie versterben in dem Zeitraum (Nachbeobachtungszeitraum). Weiterhin dürfen die Patienten im Vorbeobachtungszeitraum keine gesicherte Krebsdiagnose (mit Ausnahme von sonstigen bösartigen Neubildungen der Haut, Prostatakarzinom oder In-situ-Karzinom) aufweisen, siehe Abbildung 1.
Von den prävalenten Patienten gelten jene als inzident, für die im Vorbeobachtungszeitraum keine DLBCL-Diagnose dokumentiert wurde und diese sind Basis für die vertiefenden Analysen.

Epidemiologie

Für die prävalente und inzidente Analysepopulation erfolgt eine alters- und geschlechtsstratifizierte Hochrechnung auf die GKV, basierend auf der KM6-Statistik (2017). Es werden neben der tatsächlichen Anzahl der Patienten in der Studie (N) auch die hochgerechnete Anzahl der gesetzlich Versicherten insgesamt (N GKV) und pro 100.000 Einwohner (N 100.000) für zwei Jahre berechnet. Die Berechnungen von Median und Mittelwert stützen sich auf die hochgerechnete Anzahl der Patienten und sind somit alters- und geschlechtsnormiert.


Zuordnung zu Therapieregimen, -linien und -gruppen

In einem ersten Schritt werden das Indexquartal und die nachfolgenden 7 Quartale in Prüfzyklen à 14 Kalendertage aufgeteilt, beginnend mit dem ersten Tag des Indexquartals. Hintergrund ist, dass der kleinste Einnahmezyklus von Arzneimitteln bei den relevanten Regimen zwei Kalenderwochen beträgt. Dann wird für jeden Prüfzyklus geprüft, welche Behandlungen ein Patient in diesem erhalten hat. Dazu wird eine definierte Liste von Regimen anhand von OPS-, ATC- und EBM-Codes disjunkt und hierarchisiert geprüft, d.h. in der in Tabelle 1 aufgeführten Reihenfolge, zunächst OPS-, dann ATC-, zuletzt EBM-Codes. Während manche Regime direkt identifiziert werden können, ist dies für andere nur mithilfe einer Leitsubstanz möglich. Der erste Code, der im jeweiligen Prüfzyklus gemäß dieser Hierarchisierung gefunden wird, ist der einzige der Berücksichtigung findet (disjunkt). Rituximab (RTX) wird regelhaft nachlaufend zu einem der anderen Regime gegeben (max. drei Prüfzyklen nachlaufend). In diesem Fall erhalten die Prüfzyklen mit RTX das gleiche Regime wie die zeitlich vorherigen Prüfzyklen und der Gesamtzeitraum wird als Regime mit RTX gesondert gekennzeichnet (+RTX). RTX kann auch als Monotherapie zur Anwendung kommen (vier oder mehr Prüfzyklen aufeinander folgend RTX). Unmittelbar zeitlich zusammenhängende Prüfzyklen mit identischen Regimen, werden zusammengezogen. Dabei führt eine zeitliche Unterbrechung von bis zu drei Prüfzyklen nicht zu einem Regimewechsel.
Als Regimewechsel wird gewertet, wenn sich das Regime ändert, oder die zeitliche Unterbrechung vier oder mehr Prüfzyklen beträgt. Kann keines der definierten Regime zugeordnet werden und handelt es sich nicht um eine zeitliche Unterbrechung von max. drei Prüfzyk-len, erfolgt die Zuordnung des Prüfzeitraumes zum Regime „Keine definierte Therapie“. Die Kombination von „Keine definierte Therapie“ und einer nachlaufenden dokumentierten Gabe von RTX (max. drei Prüfzyklen) hingegen wird als Regime „Off-Label/Studie“ gekennzeichnet. Bei einer nachlaufenden Gabe von RTX erfolgte i.d.R. eine vorlaufende Therapie. Da diese entweder nicht dem zugelassenen Standard entspricht (Off-Label) oder die Medikation in den Abrechnungsdaten nicht dokumentiert wurde (Studie), konnte diese im Rahmen der Analyse nicht identifiziert werden. Strahlentherapie wird nicht als Regime gewertet, sondern der Zeitraum der Strahlentherapie wird dem zeitlich vorangehenden Regime zugerechnet. Jedes zeitlich abgegrenzte Regime bei einem Patienten definiert eine Therapielinie. Das erste Therapieregime entspricht der 1L, das zweite der 2L, bis max. zur 4L. Das Pseudoregime „Keine definierte Therapie“ wird nicht als eigenständige Linie gewertet. Hat ein Patient nach einer Linie keine weitere Therapielinie, ist er entweder in der Linie verstorben (Pseudoregime „Tod“) oder es wurde im gesamten Nachbeobachtungszeitraum kein weiteres Regime außer „keine definierte Therapie“ für diesen Patienten mehr identifiziert. Folgerichtig dezimiert sich die Studienpopulation von der 1L bis zur 4L um die o.g. Patienten.
Abschließend werden die Regime zu diversen Gruppen zusammengefasst.
Gruppe Immunchemo:
*HAP/*HAX(+RTX),
*EPOCH(+RTX), GDP/GemOx(+RTX), Etoposid(+RTX);
Gruppe Mono:
Polatuzumab(+RTX),
Lenalidomid(+RTX),
Brentuximab(+RTX),
Pixantron,
Ibrutinib,
Bendamustin(+RTX),
Rituximab(RTX);
Einzelkategorien:
CAR-T,
Allo/Auto SZT;
Hilfskategorien:
Verstorben, Off-Label/Studie, Kein definiertes Regime (2 )

Zusätzlich werden EBM-Codes für Bestrahlungsplanung (25340, 25341, 25342) und Hochvolttherapie (25320,
25321, 25322, 25323) abgefragt. In Tabelle 2 sind den Regimen entsprechende Wirkstoffe zugeordnet.
Die Regime wurden umfassend analysiert und eine Zuordnung der Wirkstoffe vorgenommen, wobei sofern möglich Leitsubstanzen identifiziert wurden. Die Zuordnung erfolgte disjunkt und hierarchisiert, um Doppelzählungen auszuschließen. Dabei wurden international übliche Bezeichnungen für Regime verwendete. Eine Kombination ohne „Doxorubicin“ oder andere Leitsubstanz, also bspw. nur Cyclophosphamid mit/ohne Vincristin wird zur Gruppe Etoposid zugeordnet, denn hier sind alle Wirkstoffe enthalten, die nicht direkt als Leitsubstanz gefunden wurden.

Kostenanalyse der GKV-relevanten Kosten

Für die Kostenbetrachtung wurde keine Hochrechnung der Patientenzahlen auf die GKV durchgeführt, da diese für die Durchschnittskosten unerheblich ist. In der Kostenanalyse werden die Kosten für Arzneimittel, niedergelassene ärztliche Behandlung, Behandlung im Krankenhaus (stationär und ambulant), Krankengeld sowie Fahrtkosten berücksichtigt. Die Kostenanalytik setzt auf die Regime auf. Somit sind die Kosten auf das jeweilige Regime in der jeweiligen Linie zeitlich abgegrenzt. Arzneimittelkosten werden berücksichtigt, wenn das Datum der Ausgabe durch die Apotheke im jeweiligen Zeitraum des Regimes dokumentiert ist. Ebenso wird mit den Kosten der niedergelassenen ärztlichen Behandlung (Datum der Behandlung), Behandlung im Krankenhaus (Entlassdatum) und Fahrtkosten verfahren. Im Gegensatz dazu wird das Krankengeld, da es sich über einen langen Zeitraum erstrecken kann, pro Tag bestimmt und so anteilig den jeweiligen Regimen zugerechnet. Bei den Kosten der ärztlichen Behandlung werden nur extrabudgetäre Kosten aus der Onkologievereinbarung und Strahlenmedizin berücksichtigt, alle anderen Kosten sind aus Sicht der Kostenträger mit der Vergütungspauschale an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) abgegolten. Dagegen werden in den anderen Bereichen alle Kosten, die innerhalb des jeweiligen Regimes verursacht wurden, berücksichtigt, da eine Abgrenzung nach Diagnosen aufgrund der Schwere der onkologischen Grunderkrankung nicht sinnvoll durchführbar war. Zu jedem Regime in jeder Linie wird die durchschnittliche Regimedauer pro Tag, Regime, Linie sowie Leistungsbereich und getrennt nach Regimen mit und ohne RTX berechnet. Aus Relevanzgründen werden hier nur die Kosten der Therapien mit RTX dargestellt. Die Kostenbetrachtung der SZT konnte im Rahmen der Analyse nicht abschließend durchgeführt werden. Hintergrund ist die noch nicht umgesetzte Abgrenzung der Therapien vor der SZT (Konditionierung) und der anrechenbaren Folgekosten nach der SZT.

Ergebnisse
Charakteristika der DLBCL-Population

In dem Kollektiv konnten über zwei Jahre 2.056 Patienten identifiziert werden, von denen 1.398 alle definierten Einschlusskriterien erfüllen (siehe Abbildung 2), davon sind 726 Patienten als inzident detektiert. 62% der inzidenten Patienten sind männlich und 38% weiblich.
Hochgerechnet auf die GKV inkl. Alters- und Geschlechtsstratifizierung umfasst die Analysepopulation insgesamt 19.774 prävalente Patienten. Das entspricht einer Prävalenz über zwei Jahre von 27,6 Patienten je 100.000 Einwohner mit einem medianen Alter von 70 Jahren. Die Inzidenz über zwei Jahre entspricht 14,3 Patienten je 100.000 Einwohner mit einem medianen Alter von 72 Jahren. Der Anteil der Männer ist mit 56% jeweils etwas höher als der der Frauen mit 44% (ohne Abbildung). Der Anteil der inzidenten an der prävalenten Analysepopulation über zwei Jahre liegt für Patienten ab 30 Jahren relativ konstant bei 43% bis 47% (siehe Abbildung 3). Lediglich bei jüngeren Patienten schwanken die Werte aufgrund der geringeren Patientenzahl in diesen Altersgruppen.


Realversorgung von DLBCL in der GKV

Die Analyse bildet die dokumentierte Realversorgung in der GKV ab, d.h. welche Regime zu den Patienten in welchen Linien detektiert wurden (siehe Abbildung 4). In Analogie zur Onkopedia-Leitlinie zum diffus großzelligen B-Zell-Lymphom vom April 2021 (Onkopedia 2021) erfolgte eine Unterteilung nach drei Altersgruppen, die „jungen“ (0 bis 59 Jahre), „alten“ (60 bis 79 Jahre) und „sehr alten“ Patienten (80 Jahre und älter). Nach der 4L wurde die Analyse wegen zu geringer Besetzungszahlen abgeschnitten (über alle nur 39 Patienten in der 5L). Bei den 10.247 als inzident identifizierten Patienten wurde für 8.774 Patienten über alle Altersgruppen eine 1L-Therapie gefunden. D.h. bei 14% der Patienten wurde im Beobachtungszeitraum keins der definierten Regime detektiert. Eine mögliche Erklärung hierfür sind dokumentierte (gesicherte) Fehl- oder nicht gekennzeichnete Verdachtsdiagnosen, insbesondere im stationären Kontext. Von der 1L bis zur 4L reduziert sich die Anzahl der beob-achtbaren Patienten jeweils um die Verstorbenen. In der 1L versterben hochgerechnet in der „jungen“ Population 2,0%, in der „alten“ 8,4% und in der „sehr alten“ 36,3% der Patienten. In der 2L steigt die Mortalitätsrate in der „jungen“ Population auf 8,7% und dann um ca. 2% je weitere Linie bis zu 12,7% in der 4L. In der „alten“ Population fallen die Steigerungen bei der Mortalitätsrate mit 16,5% in der 2L, über 22,1% in der 3L und 30,1% in der 4L deutlicher aus. Bei der „sehr alten Population stagniert die Mortalitätsrate zunächst auf 29,3%, steigt dann auf 35,7% und sinkt in der 4L auf 19,5% ab.
Zusätzlich reduziert sich die Anzahl um die Patienten, für die bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes kein weiteres definiertes Regime dokumentiert wurde. Die letztgenannten sind somit entweder bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes in Remission oder in einer palliativen Versorgung, ohne zu versterben. In der „jungen“ Altersgruppe betrifft dies gerundet 591 Patienten bzw. 29,5% der Patienten in der 1L, 732 bzw. 51,9% der Patienten in der 2L und 354 bzw. 52,2% der Patienten in der 3L. In der „alten“ Altersgruppe fällt die Linie der Patienten ohne weiteres dokumentiertes Regime noch deutlicher ab. Zur 2L sind 1.790 Patienten (37,5%) in Remission oder Palliation, ohne zu versterben. Nach der 2L sind dies 1.595 (53,3%) und nach der 3L 817 Patienten (58,6%). Selbst in der „sehr alten“ Altersgruppe ist die Gruppe dieser Patienten mit 1.084 Patienten (54,4%) nach der 1L, 466 Patienten (51,3%) nach der 2L und 269 Patienten (60,7%) nach der 3L ausgeprägt.
Zur Vergleichbarkeit mit Analysen aus Registern, werden die Regime anteilig prozentual nur auf die Population berechnet, zu der in der jeweiligen Linie auch eine Therapie dokumentiert wurde. D.h. die hochgerechnete GKV-Population pro Linie (N GKV in Linie) wurde um die Verstorbenen reduziert. Davon ausgehend ergibt sich für die „junge“ Population in der 1L eine Summe von 1.961 Patienten für die Analyse der Regime. Von diesen erhielten 1.639 Patienten (83,6%) eine Immunchemotherapie, 147 Patienten (7,5%) eine Monotherapie und 175 Patienten (8,9%) wurden der Gruppe Off-Label/Studie zugeordnet. Die Immunchemotherapie bleibt in der „jungen“ Population mit 71,6% in der 2L, 54,9% in der 3L und 52,7% in der 4L dominierend. Die Monotherapien sind mit 7,5% in der 1L, über 13,9% und 14,8% bis zur 4L mit 8,8% nachrangig. Ab der 2L wurden auch zu 10,4% SZT mit steigender Tendenz von 21,8% bis 29,3% in der 4L dokumentiert.
Auch in der „alten“ Population ist die Immunchemotherapie mit 82,2% in der 1L, über 69,4% und 64,4% bis zu 72,8% in der 4L dominant. Im Vergleich zur „jungen“ Population wurden mehr Monotherapien dokumentiert. Der Anteil der Monotherapien steigt von der 1L mit 10,2% auf 20,7% in der 2L, um dann über 18,2% auf 16,9% in der 4L zu sinken. Der Anteil der SZT fällt hingegen mit 2,3% in der 2L und 6,5% bzw. 7,0% in der 3L und 4L deutlich niedriger aus. Die „sehr alte“ Population zeichnet sich neben der hohen Mortalität durch die geringste Rate an Immunchemotherapien aus. Der Anteil beträgt in der 1L 74,5%, in der 2L 65,6%, in der 3L 43,2% und in der 4L 86,0%. Korrespondierend sind in dieser Altersgruppe verstärkt Monotherapien von 18,5% in der 1L, über 26,8% und 48,1% in der 2L und 3L bis zu 12,0% in der 4L dokumentiert. SZT wurden in dieser Altersgruppe nicht detektiert. Ebenso konnten in keiner Altersgruppe CAR-T-Zell-Therapien gefunden werden.


Kostenstrukturen der wesentlichen Therapievarianten

Von den 726 Patient:innen der inzidenten Analysepopulation (Abbildung 2) wurden für 621 Patienten Regime detektiert (86%). Zu 81% dieser Patienten wurden RTX-Monotherapien oder RTX-Nachgaben nach Immunchemotherapien dokumentiert. Zudem stellt RTX als Wirkstoff einen Kostenfaktor dar, somit wurden die Kosten der Regime inkl. RTX maßgeblich für die Darstellung der Durchschnittskosten. Regime ohne RTX wurden nicht berücksichtigt, das betrifft die Monotherapien Ibrutinib, Lenalidomid und Polatuzumab. In dieser Analyse wurden keine CAR-T-Behandlungen gefunden, dementsprechend erfolgt keine CAR-T-Kostendarstellung.

Abbildung 5: Da sich die ermittelten Tageskosten (Abb. 6) nicht in dem Maß verringern wie die Mittelwerte (MW) der Regimekosten (Abb. 5), ist anzunehmen, dass die Regimedauer mit fortschreitender Linienanzahl kürzer wird.
Die hohen Kosten sowohl von Pixantron als auch von *HAP/*HAX umfassen nur sehr wenige Fälle und sind nicht repräsentativ.
*EPOCH weist einen niedrigen Krankenhausanteil auf, wohingegen Etoposid einen hohen zeigt. Dies ergibt sich aufgrund der Zuordnung der Regime und ist der Systematik der Analyse geschuldet, siehe auch Tabelle 2.
Ansonsten bewegen sich die Tageskosten (Abb. 6) in einem Bereich zwischen 140 Euro und 530 Euro, wobei *EPOCH und GDP/GemOX etwas unter den Kosten für Etoposid liegen.

Diskussion

Die Analyse zeigt, dass die SZT ab der 2L und dann häufiger in 3L und 4L erfolgt. Am häufigsten wird diese Therapieform bei der jüngeren Altersgruppe eingesetzt und entspricht den Vorgaben für die Behandlung von Patienten mit DLBCL laut Leitlinie.
Darüber hinaus nimmt insbesondere bei der „jungen“ und „alten“ Population die relative Morbidität mit zeitlich fortschreitender Erkrankung deutlich zu. Bei der „sehr alten“ Population ist die Mortalität bereits ab der 1L stark ausgeprägt. Dies ist u.a. der generellen Sterblichkeit in der Altersgruppe 80+ geschuldet und nur sekundär dem DLBCL zuzurechnen. Korrelierend zur Mortalität steigt der relative Anteil der Monotherapien, die häufig als Salvage-Therapien eingesetzt werden. Beide Aspekte zeigen ein deutliches Bild zur abnehmenden Belastbarkeit bzw. dem reduzierten Gesundheitszustand der Patienten im Zeitverlauf und mit dem Fortschreiten der Erkrankung.
Grundsätzlich gibt es bei der Verwendung von GKV-Abrechnungsdaten für Analysen eine Vielzahl von Limitationen, denn ursprünglich sind diese Daten für den Zweck der Abrechnung erhoben worden. (Neubauer et al. 2014: 123ff.) So lassen sich beispielsweise nicht alle medizinischen Werte ermitteln. Sofern diese abrechnungsbegründend nicht erforderlich sind, erfolgt für medizinische Parameter regelhaft keine Dokumentation. Ebenso werden Fallpauschalen abgerechnet, die eine Reihe von relevanten medizinischen Werten subsumieren. Typisch sind hier die Fallpauschalen im G-DRG-System. Kosten- oder aufwandsintensive Verfahren werden über die OPS-Schlüssel kodiert, um die Höhe der abgerechneten Fallpauschale zu begründen. Kostengünstige Arzneimittel werden nicht gesondert kodiert, denn diese sind mit der Grundpauschale der DRG abgegolten. Dies gilt für einen Großteil der platinbasierten Chemotherapien.
Für diese Analyse wurde ein eigenständiges Modell entwickelt, um die verwendeten Regime und durchlaufenden Therapielinien implizit zu detektieren. Die basierenden Annahmen wurden aus den genannten Leitlinien abgeleitet. Trotzdem konnte nicht jedes mögliche Regime eindeutig aufgrund der Wirkstoffkombination identifiziert werden und es mussten Aggregationen (z.B. *HAP/*HAX) gebildet werden.
Aufgrund der o.g. Limitierungen stellt die differenzierte Abgrenzung der zeitlich vorlaufenden Chemotherapien zur SZT (Konditionierung) oder CAR-T (Bridging/Lymphodepletion) eine Herausforderung dar. Diese soll im Rahmen einer Weiterentwicklung der bestehenden Analytik umgesetzt und auf zeitlich aktualisierte Daten (Jahre 2015 bis 2020) angewendet werden. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, Patient:innen mit CAR-T in dem anonymisierten untersuchten Kollektiv aufzufinden. <<
1: Gesichert bedeutet: Beim niedergelassenen Arzt werden nur Diagnosen berücksichtigt, die in den drei Folgequartalen durch mindestens eine weitere DLBCL-Diagnose (ambulant oder stationär) abgesichert werden können (sog. M2Q-Kriterium). Weiterhin werden beim niedergelassenen Arzt nur Diagnosen ohne den Zusatz V (Verdachtsdiagnose) oder A (Ausschlussdiagnose) berücksichtigt. Q bedeutet: Quartal.
2: (+RTX) bedeutet: Kombination mit Rituximab.

Ausgabe 03 / 2022

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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