Implementierungsstand des Zweitmeinungsverfahrens in Hessen – I
http://doi.org/10.24945/MVF.03.22.1866-0533.2414
Die Zweitmeinungsverfahren sollen einer angebotsinduzierten Nachfrage bei bestimmten ärztlichen Leistungen entgegenwirken. Seit 2019 gibt es dazu einen kollektivvertraglichen Ansatz über niedergelassene Vertrags- und ermächtigte Krankenhausärzt:innen. Eine Analyse von Abrechnungsdaten betreffend der Zweitmeinung zu Hysterektomie und der Tonsillotomie/Tonsillektomie zeigt, dass die verschiedenen Angebote der Zweitmeinung in Hessen bedingt wohnortnah verfügbar sind. Die Nachfrage schwankt eingriffs- und jahresabhängig deutlich. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die ursprüngliche, gesundheitspolitische Intention, das Zweitmeinungsverfahren flächendeckend in die Regelversorgung zu überführen, noch nicht erreicht wurde.
Implementation status of the second opinion procedure in Hesse – Analysis of the collective agreement offer of a second opinion and its utilisation – I
A second opinion on the necessity of medical interventions is supposed to reduce the economic impact of supply-induced demand. Since 2019, the German health care system offers patients insured within the statutory health insurance an opportunity to benefit from a second opinion on distinct surgical interventions. An analysis of the second opinion process concerning hysterectomy and tonsillotomy/tonsillectomy in Hesse shows that there is limited close-to-living access for patients. However, the demand for second opinions in affected patients differs widely between the different indicated surgical interventions and different years. These results suggest that the health policy intention for an extensive roll out of the second opinion process has apparently not yet been reached in Germany.
Keywords
second opinion, out-patient treatment, optional benefits, statutory health insurance, contracted physicians
Prof. Dr. rer. pol. Hans-R. Hartweg / Tabea Suk BSc
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Zitationshinweis: Hartweg, H.-R., Suk, T.: „Implementierungsstand des Zweitmeinungsverfahrens in Hessen – I“ in: „Monitor Versorgungsforschung“ (03/22), S. 65-70. http://doi.org/10.24945/MVF.03.22.1866-0533.2414
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Implementierungsstand des Zweitmeinungsverfahrens in Hessen – I / Analyse des kollektivvertraglichen Angebots der Zweitmeinung und seiner Inanspruchnahme
Seitdem Formen vergüteter Krankenbehandlungen bekannt sind, gibt es auch Befürchtungen, dass Angehörige der Heilberufe ihren Patient:innen Versorgungsoptionen empfehlen, die nicht oder noch nicht erforderlich sind. Gesundheitspolitische Brisanz gewinnt diese Befürchtung im Hinblick auf eine gesetzliche Krankenversicherung, bei der die Kosten und Folgekosten für nicht oder aber noch nicht angezeigte Behandlungen von der Gesamtheit der Versicherten solidarisch finanziert werden (Breyer/Zweifel/Kifmann, 2013; Breyer/Buchholz, 2021). Bereits in den Jahren 2000/2001 führte der Sachverständigenrat in seinem Gutachten aus, dass eine Versorgung mit nicht-indizierten Leistungen oder aber mit Leistungen ohne hinreichend gesichertem Netto-Nutzen einer „medizinischen Überversorgung“ gleichkommt. Hingegen werden Leistungen mit nur geringem Nutzen, der die Kosten nicht (mehr) rechtfertigt oder aber in ineffizienter (also unwirtschaftlicher) Form erbracht wird, als eine „ökonomische Überversorgung“ klassifiziert (Sachverständigenrat 2000/2001). Auch diese Form der Fehlversorgung geht mit falsch gesetzten Anreizen einher, die sich in niedrigschwelligen Zugangsbedingungen manifestieren und damit zu Inanspruchnahme von nicht-angemessenen Versorgungsebenen führen können (John/Stillfried 2021).
Versorgungspolitische und regulatorische Einordnung
Diese im Rahmen gesundheitspolitischer Transparenz- und Qualitätsoffensiven etablierten Regelungen reichten offenbar nicht aus, um Beitragssatzstabilität und das damit verbundene zentrale Leitziel der gesetzlichen Krankenversicherung, die stetig steigenden Kosten im Gesundheitswesen zu beherrschen, im Bereich der operativen Leistungen zu erreichen. So wurde im Jahr 2015 eine weitere auf die Vermeidung von Fehlversorgung abzielende und Versorgungsqualität sichernde Maßnahme etabliert: In das die gesetzliche Krankenversicherung betreffende Sozialgesetzbuch V wurden Regelungen für ein Zweitmeinungsverfahren aufgenommen (§ 27b SGB V).
Zweitmeinungsverfahren gelten als Instrument der partizipativen Entscheidungsfindung zwischen Patient:in und Ärzt:in („shared decision making“). Alle für die Entscheidung für oder gegen eine Behandlungsoption relevanten Informationen sollen aktiv und gleichberechtigt in den Abwägungsprozess eingebracht werden, um partnerschaftliche Behandlungsentscheidungen zu ermöglichen (Hartung/Wihofszky 2022). Dieses Vorgehen knüpft an das mit den Patientenrechten verbundene Selbstbestimmungsrecht an. Auch gesetzlich krankenversicherte Patienten haben seit 2015 einen Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung, wenn ärztlicherseits bestimmte Versorgungen empfohlen werden. Dieser allgemein gehaltenen Gesetzesnorm folgte im Dezember 2018 eine Richtlinie vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zum ärztlichen Zweitmeinungsverfahren (Gemeinsamer Bundesauschuss 2021). In dieser Richtlinie wird definiert, welche planbaren Eingriffe einen Anspruch auf Zweitmeinung beinhalten und welche Anforderungen an die beurteilenden Ärzt:innen gestellt werden.
Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, wurden sukzessive weitere Eingriffe hinzugenommen. Diese Beratungsleistungen sind Bestandteil des kollektivvertraglich geregelten Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung.
Zweitmeinungsverfahren im Kollektivvertrag
Entschließt sich die Patient:in dazu, eine Zweitmeinung in Anspruch zu nehmen, muss sie sich an eine Ärzt:in wenden, die seitens der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung eine Genehmigung zur Zweitmeinung erhalten hat. Diese Genehmigung erfordert besondere Qualifikationen: So verfügen die Ärzt:innen über eine Facharzt-anerkennung und sind seit mindestens fünf Jahren ganztätig in der unmittelbaren Patientenversorgung im relevanten Fachgebiet tätig (bzw. in Teilzeit entsprechend länger). Die Fortbildungsverpflichtungen sind allesamt erfüllt und eine Weiterbildungs- oder akademische Lehrbefugnis wurde erworben.
Die Zweitmeiner:innen verpflichten sich darüber hinaus dazu, die betroffenen Patient:innen nicht selbst zu operieren. Zweitmeinen können alle niedergelassenen Ärzt:innen mit entsprechender Genehmigung, aber auch für die Zweitmeinung vom jeweiligen Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung ermächtigte Krankenhausärzt:innen mit denselben Voraussetzungen zur Genehmigung.
Im persönlichen oder telemedizinischen Patientengespräch beraten die Zweitmeiner:innen unter Einbezug der vorliegenden Befunde über mögliche Therapie- und Handlungsoptionen. Sofern die Patient:in es wünscht, soll die Erstmeiner:in das Ergebnis der Zweitmeinung übermittelt bekommen (Gemeinsamer Bundesausschuss 2021; § 27b SGB V). Durch die genannten Rahmenbedingungen ergibt sich, dass die Leistungen der Zweitmeinung über den EBM mit der lokalen Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet werden.
Implementierungsstand in Hessen
Geografische Verteilung
Die Karten beziehen sich auf die Kreisebenen, da dies die Planungsebenen der betroffenen Fachgruppen sind. Sie zeigen deutlich, dass je nach Wohnort seitens der Patient:innen längere Anfahrten erforderlich sein können, um eine Zweitmeinung in Anspruch zu nehmen. Im Falle ländlicher, mittel- und nordhessischer Kreise könnten dabei auch PKW-Fahrzeiten von einer Stunde und mehr zurückzulegen sein. Für einige der im hessischen „Grenzgebiet“ liegenden Kreise ist es dabei auch denkbar, dass hier auf Zweitmeiner:innen zurückgegriffen werden könnte, die in benachbarten Bundesländern ansässig sind.
Indikationsstellung und Inanspruchnahme
Die Analyse der Inanspruchnahme des Zweitmeinungsverfahrens rund um die Hyster-ektomie in Hessen zeigt, dass die Zweitmeinung in diesem Versorgungsfeld (Gesamtanzahl der Indikationsstellungen: 809) kaum in Anspruch genommen wird. Lediglich im 2. Quartal 2019 wurden sie insgesamt siebenmal bzw. im 4. Quartal 2019 sowie im 4. Quartal 2020 jeweils sogar nur sechsmal abgerechnet. Dabei zeigt sich eine stabile Indikationsstellung bei ca. 0,01% der Behandlungsfälle3. Im Kalenderjahr 2019 nahmen demnach 3,3% der Patienten mit entsprechender Indikationsstellung die Zweitmeinung in Anspruch, 2020 waren es nur noch 1,7%.
Anders stellt sich die Analyse der Inanspruchnahme des Zweitmeinungsverfahrens rund um die Tonsillotomie/Tonsillektomie (Indikationsstellungen insgesamt: 780) in Hessen dar. Hier werden Zweitmeinungen in größerem Umfang nachgefragt. So kann für das 4. Quartal 2019 ein Spitzenwert von 102 Inanspruchnahmen festgestellt werden. Danach ist eine deutliche Reduktion zu beobachten: Mit Blick auf die darauffolgenden Quartale werden zu keiner Zeit mehr dreistellige Werte, sondern Werte im niedrigen 2-stelligen Bereich erreicht. Auffällig ist zudem, dass im 1. Quartal 2021 keine einzige Zweitmeinung abgegeben wurde.
Die Indikationsstellung erfolgt im Fachgebiet HNO bei etwa 0,03% der Behandlungsfälle, seit 4/2020 etwas geringer bei 0,02% der Behandlungsfälle der Fachgruppe. Insgesamt nahmen 2019 etwa 29% der Patienten mit entsprechender Indikationsstellung die Zweitmeinung in Anspruch, 2020 waren es ca. 23%.2 Mit dem Beginn der Kontaktbeschränkungen und damit einhergehenden rückläufigen Inanspruchnahmen im 2. Quartal 2020 (Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, 2020) ist ein deutlicher Rückgang der Indikationsstellungen bei beiden Facharztgruppen zu beobachten. Dieser Rückgang zeigt sich jedoch nicht in Bezug auf die Inanspruchnahme der Zweitmeinung.
Diskussion
Inanspruchnahme
Dieser Unterschied könnte sich auf zwei Wegen manifestieren: Einerseits könnte die Hysterektomie, die die Fortpflanzungsorgane betrifft, als intimer Eingriff wahrgenommen werden, was den Wunsch bei einer fremden Ärzt:in eine Zweitmeinung einzuholen, verringern dürfte. Die Tonsillektomie hingegen könnte in der Wahrnehmung der Patient:innen ein weniger schambehafteter Eingriff sein. Andererseits könnte auch ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Gynäkolog:innen und Patientinnen dazu führen, dass die Indikationsstellung seltener hinterfragt wird. Diese Vermutung wird durch eine Untersuchung der BARMER (2019) gestützt. Diese ergab, dass Patient:innen sich grundsätzlich dann gegen eine Zweitmeinung entscheiden, wenn sie keine Zweifel an der Notwendigkeit des Eingriffs haben oder sie sich durch ihre Ärzt:in gut aufgeklärt fühlen. Das legt nahe, dass bei der Indikationsstellung zur Hysterektomie Elemente der partizipativen Entscheidungsfindung häufiger Eingang gefunden haben als bei der zur Tonsillotomie/Tonsillektomie.
Auffällig ist die Leistungsspitze bei Zweitmeinung zu Tonsillotomien/Tonsillektomien im 4. Quartal 2019 nach drei Quartalen ohne Abrechnung einer Zweitmeinung. Hier ist anzunehmen, dass Zweitmeinungen erst in einem Folgequartal oder vielleicht sogar noch später nach der erfolgten Indikationsstellung in Anspruch genommen wurden. Das könnte auf einen Zeitpunkt der Indikationsstellung zurückzuführen sein, dem dann eine längere patientenseitige Bedenkzeit gefolgt wäre sowie auf den Zeitpunkt der erstmaligen Genehmigungserteilung.
Bei der Auswertung dieser Daten ist zu berücksichtigen, dass ab Ende 1/2020 bis Ende 2/2020 aufgrund des Pandemiegeschehens rund um Covid-19 ein Verbot elektiver Operationen bestand, sodass hier mit einer Verlagerung von elektiven Operationen in spätere Quartale zu rechnen ist. Das könnte zu einer geringeren Inanspruchnahme der Zweitmeinung im ersten Halbjahr geführt haben. Allerdings zeigen die Daten auch im 4. Quartal 2020 oder im 1. Quartal 2021 keine erhöhten Inanspruchnahmen. Hier ist fraglich, ob das mit dem erneuten Lockdown im November 2020 zusammenhängt.
Angebotsseite
Die großen Schwankungen bei den Zweitmeinungen zu Tonsillotomien/Tonsillektomien könnten auf knappe Terminkapazitäten aufseiten der Zweitmeiner:innen zurückzuführen sein, die zu verzögerten Inanspruchnahmen geführt haben. Allerdings ist aufgrund der geringen Anzahl an Zweitmeiner:innen auch denkbar, dass diese starken Schwankungen auf das Abrechnungsverhalten weniger Ärzt:innen zurückzuführen sind und damit auf Besonderheiten einer einzigen Praxis wie Schließzeiten oder Krankheit. Die Leistungsspitze im 4. Quartal ist aber vermutlich darauf zurückzuführen, dass aufgrund der Etablierung im EBM im Laufe des ersten Quartals 2019 sowie den dann festzulegenden Genehmigungsverfahren durch die Kassenärzt-lichen Vereinigungen, die erforderlichen Genehmigungen erstmalig zum 4. Quartal 2019 erteilt wurden.
Als weiterer Untersuchungspunkt bieten sich Distanzreibungen bzw. regionale Disparitäten an. Bereits in früheren Analysen konnte geschlussfolgert werden, dass starke regionale Unterschiede bei der Versorgung der Tonsillotomien/Tonsillektomien bestehen, was auch den Verdacht der angebotsinduzierten Nachfrage nährte (Windfuhr/Gerste 2016). In diesem Kontext ist vorstellbar, dass auch die Abgabe einer Zweitmeinung regionale Unterschiede zeigt. Die geringe Anzahl der Zweitmeiner:innen verbietet aufgrund der Rückverfolgbarkeit auf den Einzelnen jedoch eine regional bezogene Auswertung. Fraglich ist, welche Auswirkung die aktuelle Angebotslage auf die Inanspruchnahme hat. Um die Daten zur aktuellen Verteilung der Zweitmeiner:innen in Hessen aus Versorgungsaspekten einzuordnen, müsste es Anhaltspunkte dazu geben, wie dicht das Angebot für eine effektive Umsetzung des Zweitmeinungsverfahrens sein muss und wie nah erreichbar Zweitmeiner:innen für Patient:innen sein müssen, um Distanzreibungen gering zu halten. Hierzu macht die Richtlinie des G-BA keine Vorgaben. Es ist jedoch fraglich, ob bei einer solch spezialisierten Leistung eine physische Erreichbarkeit auf Kreisebene erforderlich ist, die der der allgemeinen fachärztlichen Versorgung entspricht.
Ein weiterer Einflussfaktor ist der Eindruck, den die Ärzt:innen vom Zeitmeinungsverfahren haben. Obermann et al. (2021) zeigten auf, dass Ärzt:innen Zweitmeinungen vor allem bei onkologischen Erkrankungen als sinnvoll erachten. Gerade diese Indikation wird von der Zweitmeinungsrichtlinie des G-BA jedoch nicht erfasst.
Informelle Gespräche mit Ärzt:innen verschiedener zweitmeinungsberechtigter Fachgruppen, die nicht am Zweitmeinungsverfahren teilnehmen, ergaben weitere Hinweise: Demnach werden Zweitmeinungen eher nicht als attraktive Versorgungsform wahrgenommen, da die Erstellung einer qualitativ hochwertigen Zweitmeinung mit einer nicht zu unterschätzenden Ressourcenbindung einhergeht. Genannt wurden dabei ein gegebenenfalls umfangreiches Aktenstudium und erforderliche intensive Gespräche mit den Patient:innen. Diesen Aufwand sehen sie als nicht adäquat vergütet. Tatsächlich ist es so, dass die Erbringung der Zweitmeinung lediglich mit der Grundpauschale vergütet wird. Die Grundpauschale ist einmal im Quartal berechnungsfähig, sobald ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt stattfindet und beträgt laut EBM (2022, 1. Quartal) in der mittleren Altersgruppe für die Gynäkologie 16,56 Euro und für die HNO-Heilkunde 23,10 Euro. Nur wenn weitere Leistungen erbracht werden, können diese Untersuchungen mit Begründung zusätzlich berechnet werden. Seit dem 01.01.2022 unterfallen diese Leistungen gegebenenfalls Budgetierungsregeln.
Schlussfolgerungen
Es ist deutlich erkennbar, dass sowohl das Angebot als auch die Nachfrage zur Zweitmeinung Potenzial zur Weiterentwicklung haben. Die geringe Inanspruchnahme gerade bei elektiven Hysterektomien wirft Zweifel auf, ob dieses Angebot flächendeckend zur Verfügung stehen muss. Allerdings gibt es aktuell keine Studien, die die Gründe für die Inanspruchnahme oder Nicht-Inanspruchnahme durch betroffene Patient:innen untersuchen. Das geringe Angebot an ärztlicher Zweitmeinung und die Informationen aus informellen Gesprächen werfen hingegen die Frage auf, ob honorarpolitisch
attraktive Rahmenbedingungen für eine qualitativ hochwertige Zweitmeinung gegeben sind und ob die Anreize für diese einer Fehlversorgung entgegenwirkenden Maßnahme in angemessenem Verhältnis stehen. Auch hier fehlen allerdings Studien, die beleuchten, warum Ärzt:innen das Zweitmeinungsverfahren in seiner aktuellen Form nicht flächendeckend anbieten. Diese Informationen wären jedoch in Anbetracht der weiteren Ausweitung der Indikationen erforderlich, um das Zweitmeinungsverfahren so zu gestalten, dass es seiner gesundheitspolitisch intendierten Funktion gerecht werden kann.
Neben den bestehenden, hier beschriebenen kollektivvertraglichen Angeboten haben viele Krankenkassen die Zweitmeinungsverfahren für sich als Themen besetzt. Diese Krankenkassen werben auf ihren Internetpräsenzen mit eigenen Zweitmeinungsverfahren, die über das kollektivvertragliche Angebot hinausgehen und als Satzungsleistungen angeboten werden (AOK Hessen 2022; Techniker Krankenkassen 2022; BARMER 2022). Zu diesem Wettbewerbsfeld der Krankenkasse folgt deswegen ein weiterer Beitrag in einer der folgenden Ausgaben. <<