„Digitalisierung kann man nicht anordnen, man muss sie wollen“
http://doi.org/10.24945/MVF.03.22.1866-0533.2400
>> Herr Bernhard, auf der Website von GE Healthcare ist zu lesen, dass Ihr Unternehmen ein führender Innovator sei, der Präzisionsmedizin ermögliche, indem klinische Versorgung und Daten über die gesamte Patientenreise integriert werden, was zum einen die Entscheidungsfindung vereinfache, zum anderen die Versorgung und Ergebnisse verbessere. Das klingt zu schön, um wahr zu sein; oder: Wie soll das funktionieren?
Das ist keine Zukunftsmusik, das passiert heute schon ansatzweise, wenn zum Beispiel der Befund eines CT-Scan, der in der Notaufnahme eines Krankenhauses gemacht wurde, direkt in den OP weitergeleitet wird, um das Operationsteam vorzubereiten. Das ist der Beginn dessen, was wir unter Digitalisierung verstehen, allerdings noch weit davon entfernt, was auch heute schon möglich wäre.
Wo verorten Sie die Hinderungsgründe?
Die große Herausforderung ist die oft noch fehlende Interoperabilität, was natürlich mit dem – sagen wir: ausbaufähigen – Status der Digitalisierung in einem Land wie Deutschland zusammenhängt. Die Herausforderung, vor der vor allem die Krankenhäuser, niedergelassenen Ärzt:innen sowie Diagnostik- und Radiologie-Zentren stehen, ist es, die Menge verschiedener Systeme und extrem fragmentierter Dateninformationen auf einer gemeinsamen Plattform zu einer durchgängigen Patienteninformation im Sinne einer Patient Journey zu konsolidieren und dann den jeweiligen Behandlern zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen – und das auch noch im höchsten Maße datenschutzkonform.
Gelingt das?
Sicher. Aber nur dann, wenn man es will. GE Healthcare hat dazu eine IT-Lösung namens „Edison Orchestrator“ entwickelt und mit internationalen Krankenhäusern erprobt, die seit März dieses Jahres in den breiten Einsatz kommen kann. Die Edison Plattform besteht aus Tools und Services, um KI zu entwickeln und ebenso KI Applikationen zu integrieren.
Wie kann man sich diese Orchestrierung vorstellen?
GE hat wie viele andere große oder auch kleine Unternehmen bei Krankenhäusern, aber auch in niedergelassenen Praxen sowie in Diagnostik- und Radiologie-Zentren viele verschiedene Subsysteme im Einsatz. Diese erzeugen Daten, tauschen diese in der Regel aber nicht aus, geschweige denn bringen sie diese auf eine gemeinsame Ebene, wo sie im besten Falle strukturiert zusammengeführt, vorgehalten und bei Bedarf – eben orchestriert – ausgegeben werden, zur zeitnahen Information des Behandelnden und zum Nutzen des Patienten.
Auf dass GE „master of the game“ werde.
Unser Edison Orchestrator ist zunächst einmal herstellerunabhängig. Er kann Daten aus dem Picture Archiving and Communication System (PACS) oder Bildablage- und Kommunikationssystem und aus dem Radiologieinformationssystem (RIS) sowie zukünftig auch aus anderen Archivierungsbereichen, die
eine Analyse von Gewebeveränderungen in Lunge und Dickdarm ermöglichen, auslesen. Aber auch von Geräten eines jeden anderen Anbieters, der offene Schnittstellen anbietet. Das ist die Kernidee des Edison Orchestrators, der bereits auf dem Jahreskongress 2021 der Radiological Society of North America (RSNA) in Chicago auch einigen deutschen Kunden vorgestellt wurde, aber erst im März offiziell auf der HIMSS in Orlando beziehungsweise in Deutschland auf der DMEA in Berlin vorgestellt wurde.
Wem gehören die Daten?
Dem, der sie einspeist. Wichtig ist, dass unsere Lösung herstellerneutral arbeitet. Will heißen: Weder ein Krankenhaus noch irgendein anderer Daten-Einspeiser ist gezwungen, sich in irgendeine Abhängigkeit zu begeben. Und dennoch kann unsere digitale Plattform den gesamten Patientenpfad von Diagnose, über Behandlung bis hin zur Nachbehandlung zu Hause abbilden.
Das ist ein neuer Ansatz für ein Unternehmen wie unseres, das seit vielen, vielen Jahren datenerzeugende Hardware-Lösungen für das Gesundheitswesen baut – alleine in diesem Jahr kommen rund 70 weitere Innovationen dazu. Der KI-Ansatz, den das Edison-Ökosystem verkörpert, ist jedoch nicht mehr auf die Maschine, auf die Hardware begrenzt, sondern schafft etwas ganz Neues, das das Workflow- und das Wissensmanagement revolutionieren kann, wenn man es richtig – und natürlich immer datenschutzkonform – einsetzt.
Es ist anzunehmen, dass es im internationalen Raum schon Benchmarks gibt, die zeigen können, dass dieser Ansatz auch funktioniert?
Sicher. Die ersten Prototyp-IT-Lösungen sind seit einiger Zeit bei internationalen Großkunden im Einsatz, was es uns erlaubt, ein sicheres, vielfach getestetes System mit entsprechenden Erfahrungsdaten und Erkenntniswerten aus diesen Pilotversuchen zu untermauern.
Im Titelinterview der ersten Ausgabe von „Monitor Versorgungs-forschung“ in diesem Jahr gab Prof. Dr. Wolfgang Holzgreve, der Vorstandsvorsitzende der Universitätsklinik Bonn, zu Protokoll, dass er stolz sei, dass sein Großklinikum zum Ende des Jahres durchdigitalisiert sei. Er sagt aber auch, dass viele andere deutsche Kliniken noch lange nicht so weit seien. Das heißt: Es gibt noch ein erhebliches Nachhol-, natürlich auch Marktpotenzial für Sie, aber sicherlich auch viel Aufklärungsarbeit.
Viele Kliniken bekommen aus dem Krankenhauszukunftsfonds viele Milliarden Euro, um die Digitalisierung nach vorne zu bringen. Das ist ein löblicher Ansatz, heißt aber auch: Digitalisierung kann man nicht anordnen, man muss sie wollen, umsetzen und vor allem: in den Köpfen als nutzen- und sinnstiftendes Instrument verankern. Digitalisierung lebt nur dann, wenn die Leute auch mitmachen wollen, weil sie erkennen, dass sich das, was sie machen, datengestützt leichter und besser machen lässt als wie bisher mit Stift, Kladden und händisch ausgefüllten Exceltabellen. Es gibt jedoch noch einen weiteren Unterschied, der vielen nicht bewusst ist, wenn sie meinen „durchdigitalisiert“ zu sein.
Welchen?
Die Herausforderung ist es, vom Zustand der „Durch-Elektrifizierung“ zu jenem der „Digitalisierung“ zu kommen. Noch befinden wir uns in einer Art Zwischenprozess, der Prozesse zwar elektrifiziert, aber eben noch nicht gänzlich digitalisiert. Zu letzterem braucht man nämlich das, woran es vielfach noch mangelt: der Interoperabilität. Nur so wird es gelingen, dass die Systeme wirklich miteinander sprechen und vor allem sich auch verstehen, wodurch sich Prozesse verschlanken und beschleunigen, gleichzeitig aber auch Entscheidungsprozesse schneller und sicherer gemacht werden können. Das ist ein großer Unterschied, oft auch eine Verständnisfrage.
Und da nennen Sie Ihren neuen „Artificial Intelligence Orchestrator“ ausgerechnet Edison, der mit der Erfindung des Wechselstroms den Beginn der umfassenden Elektrifizierung der industrialisierten Welt auslöste.
Immerhin ist er Gründungsvater unseres Unternehmens, das auf die Edison General Electric Co. zurückgeht. Edison steht für Innovation. Wir sind uns bewusst, dass wir erst am Beginn eines langen Wegs stehen. Wahrscheinlich sind wir bei GE zwar generell etwas weiter als andere, doch KI ist zum einen ein weites Feld, zum anderen ein hoher Anspruch. Wir sind noch im Stadium des maschinellen Lernens und des Einsatzes mehr oder weniger ausgefeilter Algorithmen, die von richtiger Künstlicher Intelligenz und eines wirklich denkenden Systems noch ein ganzes Stück weit entfernt sind. Dennoch hilft uns der heute mögliche, algorithmus-basierte Ansatz, sowohl den Workflow zu verbessern, als auch Entscheidungsprozesse zu unterstützen, wobei die Kombination der beiden aus unserer Sicht die Lösung ist. Die klinische Diagnostik und Behandlung wird dadurch schneller und sicherer.
Nun beträgt nach Auskunft des Bundesamts für Soziale Sicherung (BSS) die Anzahl der gestellten Anträge zum Krankenhauszukunftsgesetz rund 6.300, wobei fast alle der damit abgedeckten Fördertatbestände digitale Anteile aufweisen. Zu wie vielen dieser Fördertatbeständen können Sie Lösungen anbieten?
Die meisten Anträge kamen zum Fördertatbestand 2 „Patientenportale“ und Fördertatbestand 3 „Digitale Dokumentation“. Allein diese beiden Bereiche machen rund 2.600 der 6.300 Anträge aus. Danach folgen die Bereiche „Notaufnahme“ und „IT-Sicherheit“ und noch etliche weitere kleinere Bereiche mit recht wenigen Anträgen. Zu 10 von 11 förderfähigen Unterbereichen bieten wir Lösungen an, insbesondere zur Interoperabilität und Dokumentation.
Patientenportale und auch -apps sind sicher nett und sinnvoll, aber haben mit Workflow recht wenig zu tun. Warum werden komplette Systeme wie etwa Ihr Wissensmanagement-System (noch) nicht nachgefragt?
Das liegt daran, dass Digitalisierung, wie wir sie verstehen, noch weit in der Zukunft verortet ist. Die Häuser sind schon mit der Komplexität, die ihnen das Krankenhauszukunftsgesetz bringt, herausgefordert. Dazu muss man auch wissen, woher das ganz spezielle Interesse an recht wenigen Digitalisierungs-Ansätzen kommt.
Weil die Politik eine Art Damoklesschwert eingebaut hat.
Genau. In zwei der sechs Förderbereichen – bei „Patientenportalen“ und „Digitale Leistungsanforderung“ – drohen ab 2025 Abschläge, falls eine unzureichende Digitalisierung festgestellt wird.
Aus den Umfragen des „DigitalRadar Krankenhaus“, an dem Krankenhäuser, die gefördert werden wollen, nach § 108 SGB V teilnehmen müssen, kam heraus, dass sich bei der Frage nach der eigenen Digital-Reife 1.200 der 1.600 Antwortenden bei Grad 3 oder 4 von 10 einordnen. Ist dieser selbst berichtete Reifegrad hoch oder niedrig?
Ich denke, dass die Antworten, die im Rahmen des eigenen
Assessments zum Thema Digitalisierung gemacht wurden, ein durchaus realistisches Bild widerspiegeln. Das sieht man, wenn man die Umfrage genauer analysiert und erkennt, dass sich die Häuser in der Regel darum besser einschätzen, weil sie eingesetzte Techniksysteme für Verwaltung und Abrechnung – das klassische KIS eben – als Maß der Dinge und Möglichkeiten sehen. In Bereichen wie Workflow oder Patientensicherheit liegt das Eigenrating sogar noch weit unter der 3. Genau da aber beginnt die große Herausforderung: Ein wirklich digitalisiertes Krankenhaus zu haben, ist eben nicht die Frage des Einsatzes eines Krankenhausinformationssystems, das heute State ot the Art ist, sondern eben die der gelungenen Interoperabilität.
Fehlt es vielleicht an Fantasie?
Die zum großen Teil auch. Vor allem aber fehlt es an Ressourcen. Mit der oft vorhandenen Manpower in der IT kann man eben kleinere Projekte aufsetzen, aber wer als Krankenhaus ein Workflow-Projekt aufsetzen will, braucht nicht nur einen guten Anbieter, sondern auch personelle Ressourcen, viel Know-how und Spezialwissen, das weder allgemein verfügbar ist, noch sich jeder leisten kann. All das führt dann unbewusst zu fehlender Fantasie. Viele Häuser gehen dann lieber den Weg des geringsten Widerstandes, auf dem sie die ab 2025 gefragte Digitalisierungsrate eben sicher erreichen können, ob diese nun sinnvoll ist oder nicht. Dabei wird meist nach dem Ansatz des „Best of Breed“ das fortgeschrieben, was man schon hat, oder eben um weitere Module erweitert, die der bestehende IT-Dienstleister – meist ein KIS-Anbieter – zufällig im Portfolio hat.
Das scheint mit einer Digitalstrategie nun recht wenig zu tun zu haben.
Ich finde einen solchen Ansatz schade, weil er den Möglichkeiten, die es schon heute gibt, wenig Chancen einräumt. Andererseits kann man ihn durchaus nachvollziehen, weil viele damit scheinbare Unsicherheiten vermieden werden sollen, die mit jedem Anbieterwechsel einhergehen können. Leider kann der „Best of Breed“-Ansatz zu Monopol-Situationen führen und wie gesagt, einer innovativen und ganzheitlichen Digitalisierungsstrategie im Wege stehen. Darum haben wir bei unseren IT-Lösungen ganz bewusst einen herstellerunabhängigen Ansatz gewählt, mit dem ein Krankenhaus, auch wenn es sein bisheriges KIS behalten will, dennoch eine Möglichkeit bekommt, Digitalisierung im Sinne einer wirklichen Workflow-Verbesserung anzupacken.
Das Krankenhauszukunftsgesetz sieht zwar
Abschläge, aber keine Boni für diejenigen vor, die statt vieler kleiner, insuffizienter Lösungen eine große Lösung wie eben ein workflow-optimiertes und auch versorgungssystem-optimiertes Haus in Angriff nehmen.So macht man überschaubare Projekte, die sich ganz nett machen und auf die man digital schreiben kann, aber eigentlich nur ein Feigenblättchen sind, weil man damit die Versorgung nicht wirklich verbessern kann.
Das wird so sein. Wir haben aber auch viele Kunden, mit denen wir an größeren Themen arbeiten. Beim Fördertatbestand 2 und 3 sind zum Beispiel auch Workflow-Lösungen im Bereich der Kardio- und Radiologie dabei, aber auch Lösungen für Patientendaten-Management und -Austausch, die man durchaus als den Beginn einer weitreichenderen Workflow-Verbesserung begreifen kann. Da wird eben nicht nur „elektrifiziert“, sondern genau analysiert, welcher Prozess so digitalisiert werden kann, dass auch ein Nutzen daraus entsteht.
Die Schwierigkeit besteht sicher auch darin, dass ein Krankenhaus aus den verschiedensten Bereichen besteht.
Und jeder Bereich – von der Notfallmedizin bis zur Pflege – hat seine Art der – wie wir sagen – horizontalen Digitalisierung, die auch dazu beitragen wird, den Digitalisierungsgrad des deutschen Krankenhauswesens nach vorne zu tragen. Was aber wird passieren, wenn wir die Stufe der vertikalen Digitalisierung erreichen?
Sind wir dann bei richtigen digitalen Krankenhäusern wie etwa Johns Hopkins?
Die haben wir bei uns auch, die heißen bei uns Charité, UK Essen und Vivantes und vielleicht auch UKB. Doch leider vergisst man dabei national wie international die Menge an Häusern, die noch sehr weit davon entfernt sind. Wie auch immer und was auch immer man tut: Das KHZG wird dazu beitragen, dass der Grad, vor allem aber die Akzeptanz der Digitalisierung zunehmen wird.
Sie haben sicher Einblick in viele Häuser. Wo stehen wir hierzulande beim Weg von der „Elektrifizierung“ zur „Digitalisierung“?
Ein kleines, regionales Haus steht vor dem Hintergrund der ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen vor einer echt großen Herausforderung, die von ihm geforderten Lösungen auch nur annähernd umzusetzen. Da wird für große Würfe kein Platz bleiben. Anders steht es um größere kommunale Häuser, größere Konzerne und natürlich Universitätskliniken, die sich vom Rest abkoppeln werden.
In Großbritannien beispielsweise werden die in einer Großregion tätigen Kliniken über eine gemeinsame IT-Plattform vernetzt, also eine Art Daten-Pool.
Das ist ein praktikabler Ansatz. Dass es im IT-Bereich so wenige Pool-Lösungen gibt liegt daran, dass das Thema Daten bei uns eng verbunden ist mit Datenschutz und Datensensitivität, die ganz zu Recht hoch sein müssen.Wenn Covid-19 im Rückblick etwas Gutes mit sich gebracht hat, ist es, dass man heutzutage das Thema der Digitalisierung, KI und Vereinfachung der Prozesse nicht nur mit den Augen des Datenschutzes, sondern auch des Gesundheitsschutzes betrachten kann, ohne gleich an den Pranger gestellt zu werden. Aber nicht nur die Pandemie, sondern auch der allenthalben sichtbar werdende Fachkräftemangel werden dazu führen, dass das ganze Gesundheitssystem alle Ressourcen wird heben müssen, um weiterhin gut funktionieren zu können – eine davon ist eben die Digitalisierung.
Beschreiben Sie ein Best-Practice-Beispiel, das mit Digitalisierung und nicht Elektrifizierung etikettiert werden kann.
Hier sind die Albis- und Sana-Kliniken zu nennen.
Das sind beides privat finanzierte Klinikkonzerne. Gibt es auch andere Beispiele zum Beispiel im kommunalen Bereich?
Da kommt mir das Klinikum Nürnberg in den Sinn, wo wir unser Kardiologieinformationssystem mit verschiedenen anderen digitalen Lösungen verknüpft haben. Durch die Einführung unserer zentralen IT-Lösung für die Kardiologie erreicht das Klinikum Nürnberg heute eine Zeitersparnis in der digitalen kardiologischen Befundung von 60 Prozent, wobei die Erstellung eines strukturierten Befundes zwischen 5 bis 10 Minuten dauert.
Nun soll GE Healthcare ab 2023 verselbstständigt werden und will sich ab dann ausschließlich mit Präzisionsmedizin beschäftigen. Was verstehen Sie darunter?
Wir freuen uns schon auf den Spin-Off im ersten Quartal kommenden Jahres. Ab dann werden wir ein veritabel großes Unternehmen sein, das sein selbst erwirtschaftetes Geld in die eigene Entwicklung reinvestieren kann. Wir freuen uns auf diese Eigenständigkeit, für unsere Kunden, für unsere Mitarbeiter und für das, was wir tun.
Was verstehen Sie unter „Präzisionsmedizin“?
Wir verwenden bei uns eigentlich den englischen Begriff: „Precision Health“. Der englische Begriff ist viel weiter gefasst als die deutsche Übersetzung, die meist nur im medizinischen Kontext gebraucht wird. „Precision Health“ hingegen meint eine Sinn- und auch Wertschöpfungskette über den gesamten Patientienpfad hinweg, aber auch in Bereiche wie Patientensicherheit und Theragnostics – also Diagnostik und Therapie – hinein reicht. Das Fokusfeld Theragnostics werden wir nach und nach ausbauen. Beispielsweise gab es im letzten Jahr eine Akquisition eines invasiv medizinischen Unternehmens namens BK Medical. Wenn man sich den Weg eines Patienten – von Eingangsdiagnostik, über Theragnostics, Monitoring bis Wissensmanagement vorstellt, hat man das, was GE Healthcare unter „Precision Health“ versteht. Das heißt, dass sich unser Scope eher erweitern als einengen wird.
Was erwarten Sie ab 2023?
GE Healthcare ist die Vision eines Unternehmens mit rund 45.000 Mitarbeitern und einem weltweiten Umsatz von 20 Milliarden Dollar. Das wird ein ziemlich großer Spin-Off werden, vielleicht der größte, den es im Medizinbereich je gab. Wir werden uns dann ganz auf das konzentrieren, was wir tun möchten, getreu unseres Mission-Statements „Improving lives in moments that matter“.
Bis 2023 sind es nur noch wenige Monate. Was sind für Sie die nächsten großen Schritte?
Es wird eine Vielzahl mittelgroßer Schritte geben. Wobei für uns trotz des sicher anspruchsvollen Spin-Offs eine Regel gilt: Wir wollen uns weiterhin zu 95 Prozent unserer Zeit auf das Tagesgeschäft konzentrieren und uns nicht um den Spin-Off kümmern. Für mich wird das in diesem Jahr vielleicht nicht ganz zutreffen, doch für meine Mitarbeiter wird es das. Die großen strategischen Ziele für den DACH-Raum für die nächsten Monate ist sicherlich der Launch des „Edison Orchestrators“. Außerdem verstärken wir unsere Organisation im Bereich Executive Account Management, damit wir unsere Präsenz bei Großkunden über alle unsere Produkte hinweg verstärken können, inklusive der digitalen Komponenten oder gar KI-Lösungsansätzen.
Herr Bernhard, danke für das Gespräch. <<
Das Gespräch führte MVF-Chefredakteur Peter Stegmaier.
Zitationshinweis: Bernhard, C., Stegmaier, P.: „Digitalisierung kann man nicht anordnen, man muss sie wollen“, in „Monitor Versorgungsforschung“ (03/22), S. 18-22. http://doi.org/10.24945/MVF.03.22.1866-0533.2400
Vita
Christian Bernhard
ist seit dem 1. Januar 2021 als General Manager DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) für das gesamte GE Healthcare Portfolio verantwortlich. Vor dieser Position hat er seit 2016 GE Healthcare Financial Services in Europa aufgebaut und geleitet. Bevor er zu GE Healthcare kam, war Bernhard zehn Jahre bei GE Capital in verschiedenen kaufmännischen, Six Sigma-, M&A- und operativen Führungspositionen in der Schweiz, Großbritannien, Frankreich und Deutschland tätig. Er ist ein Six Sigma zertifizierter Master Black Belt. Er hat außerdem einen Master of Philosophy/Pedagogy und einen Executive MBA der Universitäten Mannheim und Essec/Paris.