Haben HzV Selektivverträge Zukunft?
>> Selektivverträge sollen den Wettbewerb in der GKV fördern. Sie sind im 5. Sozialgesetzbuch geregelt und umfassen u. a. Verträge zur ambulanten ärztlichen Versorgung, Disease-Management-Programme, Verträge zur Integrierten Versorgung sowie die Hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b SGB V. Die AOK Baden-Württemberg legte die Vertragsinhalte zur Hausarztzentrierten Versorgung im Mai 2008 fest. Sie sehen Rechte und Pflichten für alle an diesem Selektivvertrag Beteiligten (Ärzte, Krankenkassen und gesetzlich Versicherte) vor. Mit der Teilnahme am HzV-Programm, die freiwillig erfolgt, sind zahlreiche Vorteile für Patient und behandelndem Arzt verbunden. Beispielsweise ist der Hausarzt für eingeschriebene Versicherte der erste Anlaufpunkt. In einer Lotsenfunktion soll er die Behandlung gezielt koordinieren und bei Bedarf an Fachärzte überweisen. Er verpflichtet sich zur Behandlung nach evidenzbasierten, praxiserprobten Leitlinien in der hausärztlichen Versorgung und zur regelmäßigen Teilnahme an Fortbildungen. Mit der Übernahme der gesamten Behandlungsdokumentation behält der Hausarzt auch alle verordneten Medikamente im Blick. Patienten haben u. a. Anspruch auf eine Extra-Sprechstunde, Zuzahlungsbefreiungen und eine jährliche Gesundheitsuntersuchung.
HzV der AOK Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg ist die Zahl der in die HzV eingeschriebenen Versicherten laut eigenen Angaben im März 2015 auf 1,9 Millionen gestiegen - das entspricht nahezu jedem fünften GKV-Versicherten in Baden-Württemberg. Zudem nahmen im Jahr 2014 über 3.800 Hausärzte an der Hausarztzentrierten Versorgung teil. Die AOK Baden-Württemberg weist 1,25 Mio. Teilnehmer auf, das sind 32 Prozent ihrer Versicherten. Vertragspartner der AOK Baden-Württemberg sind die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft (HAVG) und die MEDI Verbund AG. Die Ärzte im HzV-Programm decken das gesamte hausärztliche Leistungsspektrum ab und nehmen regelmäßig an Qualitätszirkeln zur Arzneimitteltherapie und hausarztspezifischen Fortbildungen teil. Der Vertrag beinhaltet eine attraktivere Vergütung und erleichtert die Abrechnungs- und Dokumentationsprozesse. Geringerer bürokratischer Aufwand bedeutet mehr Zeit, die schlussendlich für den Patienten genutzt werden kann (vgl. „Hausarztzentrierte Versorgung“ (HZV) bei der AOK Baden-Württemberg, 25.10.2010). Teilnehmende Patienten verpflichten sich für einen Zeitraum von mindestens einem Jahr, bei gesundheitlichen Problemen ausschließlich ihren Hausarzt zu konsultieren. Ausnahmen von dieser Regel bilden spezielle Fälle wie Besuche beim Gynäkologen, Kinder- oder Augenarzt sowie dringende medizinische Notfälle. Dafür profitieren sie unter anderem von einer zusätzlichen Abendsprechstunde bis mindestens 20.00 Uhr, von der Zuzahlungsbefreiung bei vielen rabattierten Arzneimitteln und von einer besseren Abstimmung der Behandler (vgl. Vertrag zur Hausarztzentrierten Versorgung in Baden-Württemberg vom 01.01.2014).
Deutlich mehr Verordnungen
beim Allgemeinmediziner
Der Hausarzt ist die erste Anlaufstelle, an der der weitere Behandlungsverlauf der Patienten koordiniert wird. Dass dies auch die Pharmakotherapie betrifft, wird bei einem Vergleich der Verordnungsanteile bei Allgemein- und Fachärzten sowie auf Ebene der ATC2-Klassen zwischen eingeschriebenen und nicht eingeschriebenen Versicherten deutlich. Zum Beispiel gingen bei den Allgemeinmedizinern von Januar 2014 bis Juni 2015 im Mittel 75,1 Prozent der Verordnungen an eingeschriebene Patienten (24,9 Prozent entfallen auf die Fachärzte). Bezogen auf die übrigen Versicherten der AOK Baden-Württemberg lag der Anteil der Verordnungen bei den Allgemeinmedizinern bei durchschnittlich 45,8 Prozent und damit deutlich darunter (Verordnungsanteil der Fachärzte 54,2 Prozent).
Tabelle 1 zeigt zusätzlich die Verordnungsanteile für verschiedene ATC2-Klassen. In der HzV liegen diese bei den Renin-Angiotensin wirksamen Präparaten im 2. Quartal 2015 bei 45,6 Prozent. Ähnlich hohe Anteile zeigen sich bei den Betarezeptoren-Blocker und Diuretika. Mit 47,2 Prozent erreicht die ATC2-Klasse der Lipidregulatoren und Arteriosklerose-Präparaten den höchsten Wert in der HzV. Im Gegenzug entfallen in der HzV deutlich geringere Anteile auf systemisch wirkende Antibiotika und Psycholeptika.
Positive Bewertung von
Patienten, Ärzten und Kassen
Laut den Ergebnissen der telefonischen Versichertenbefragung 2015 im Rahmen der hausarzt- und facharztzentrierten Versorgung der AOK Baden-Württemberg ist die Zufriedenheit der befragten Versicherten im Vergleich zum Jahr 2014 nahezu unverändert hoch. Der Hauptgrund für die Teilnehmer, sich in das Hausarztprogramm einzuschreiben, liegt in der verbesserten Koordination der medizinischen Versorgung. 81 Prozent gaben als zweithäufigsten Grund die Erwartung einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen den Ärzten an. Finanzielle Aspekte spielen überraschenderweise laut Befragung keine Rolle. Ärzte sehen im HzV-Programm „eine Win-win-Situation für alle Beteiligten, Praxen wie Patienten“ (vgl. Der Hausarzt, 01/2015), und auch die teilnehmende Kasse bewertet das trotz hoher Investitionen positiv. So bilanziert Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, 2014: „Insgesamt ist ein Drittel unserer Versicherten in der HzV freiwillig dabei und profitiert von einer strukturierten und qualitätsorientierten Versorgung“.
Die AOK Baden-Württemberg sieht den HzV-Vertrag als einen Baustein in der umfassenden qualitätsorientierten ambulanten Vers ... <<
Lesen Sie als Abonnent mehr im Archiv