Spang: „Kein Schwarz und Weiß mehr wie früher“
>> „Ambulant und stationär, das ist heute kein Schwarz und Weiß mehr wie früher“, erklärt Dr. med. Stefan Spang aus Tuttlingen. Im Süden Baden-Württembergs leitet er als niedergelassener Augenarzt mit seinem Kollegen Dr. med. Christoph Manthey in Form einer überörtlichen Berufsaus-übungsgemeinschaft ein ambulantes Augenzentrum und eine Augenklinik. Und das unter einem Dach, nämlich dem Dach des örtlichen Klinikums. „Der Weg in die Notaufnahme ist kurz. Es gibt teilweise Synergieeffekte beim Einkauf. Wir nutzen die Sterilisation mit und können auf die Radiologie zugreifen“, weist Spang auf die Vorteile hin. Auch die Komfortstation des Krankenhauses können die Augenärzte mitnutzen, wenn Patienten mit weiter Anreise lieber schon eine Nacht vor einer ambulanten Operation kommen wollen oder nach einem Eingriff auf eigenen Wunsch noch bleiben möchten. Die enge Kooperation mit der Klinik sei für alle Beteiligten – vor allem aber für die Patienten – von Nutzen, so Manthey. Dabei endet die Gemeinsamkeit bei der aufgeführten Art der Partizipation, denn das Augenzentrum tritt als selbständiger, vertragsärztlicher Partner auf.
Austausch mit Fachkollegen
Die Patienten kommen zur konservativen Behandlung in das Intersektorale Facharztzentrum der Augen-Partner-Gruppe, der als überregionalen Gemeinschaft von Augenärzten Spang und Manthey als Hauptgesellschafter vorstehen.
Darüber hinaus werden am IFZ ambulante Operationen durchgeführt und nicht zuletzt können die Patienten auch stationär versorgt werden, da die Belegärzte eine ganze Etage im Krankenhaus gemietet haben. Neben Spang und Manthey kümmern sich nämlich weitere selbständige und angestellte Ärzte in der Einrichtung um die Patienten und sorgen durch die Kooperation im Team, die gemeinsame Patientendokumentation sowie die gemeinsamen Betreuungsstandards für eine schnittstellenarme Patientenversorgung. Nach Angaben der OcuNet Gruppe arbeiteten 2015 im Schnitt 19 Fachärzte für Augenheilkunde pro IFZ. Diese Zahl wird natürlich nicht an einem Standort erreicht, sondern ergibt sich aus dem Netz angeschlossener Praxen und weiterer operativer Standorte, die damit einen Beitrag zur flächendeckenden Versorgung beitragen können.
So arbeiten zum Beispiel für das Augen-Zentrum-Nordwest in Ahaus nach Angaben von IFZ-Ärztin Dr. med. Stefanie Schmickler und Dr. med. Olaf Cartsburg 15 Fach- und fünf Assistenzärzte an acht Standorten. Auch wenn die Filialpraxen weiter entfernt sind, sei das Modell für den ärztlichen Nachwuchs besonders attraktiv, da viele junge Ärzte nur noch angestellt sein wollten. „Alleine in der Einzelpraxis – für viele junge Ärztinnen und Ärzte ist dieses Arbeitsmodell undenkbar“, analysiert Sabine Froschauer, Geschäftsführerin Bundesverband ambulante Spezialfachärztliche Versorgung e. V., München. Der Wunsch nach flexibleren Arbeitszeitmodellen und der Austausch im Team sei angesichts der zunehmenden Spezialisierung in der Facharztmedizin hier die treibende Kraft.
Auch Weiterbildungen sind an vielen IFZ möglich und so lässt die OcuNet Gruppe Dr. med. Hendrik Buhl, der vom Universitätsklinikum Münster kam und nun angestellter Augenarzt am Augen-Zentrum-Nordwest ist, aus Erfahrung sprechen: „Ich war viel im OP und konnte auch im konservativen Bereich sehr viel von den erfahreneren Kolleginnen und Kollegen lernen.“
Neben praktischen Beispielen kommen auch Politiker und Gesundheitsexperten zur Sprache, die das Modell der Intersektoralen Facharztzentren für gut befinden. „Kleine Belegabteilungen“, so Lothar Riebsamen, CDU, der Mitglied des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages ist, „haben angesichts der medizinischen und der versorgerischen Erfordernisse der Zukunft eher keine Perspektive mehr. Doch eine stationäre Versorgung durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte in abgewandelter Form wie im Bereich der Augenheilkunde ist weiterhin von Bedeutung, um die ländliche Versorgung zu sichern“, führt der ehemalige Verwaltungsdirektor und Aufsichtsrat kommunaler Kliniken aus.
Langer Atem
Auch Professor Dr. Volker Amelung, Vorstandsvorsitzender des Bundesverband Managed Care e.V., hofft, dass die IFZ als relativ neuer Typus von Versorgungsunternehmen einen langen Atem und Widerstandskraft beweisen, welche „es für einen Strukturwandel im deutschen Gesundheitswesen braucht.“ Denn durch teamorientiertes Arbeiten und übergreifende Patientendokumentation unter einem Unternehmensdach, könnten Versorgungsbrüche vermieden und bessere Flächendeckung erzielt werden. „Wichtig ist, dass die innovativen Modelle, die sich bewährt haben, später in die Regelversorgung überführt werden“, ergänzt Allgemeinärztin Sabine Dittmar, die als Bundestagsabgeordnete der SPD Mitglied im Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages ist und auch als Sprecherin fungiert. Denn neue Versorgungsmodelle, die Überwindung von Sektorengrenzen und die Verzahnung der Leistungen seien politisch gewollt, so Dittmar.
Um dieses Signal von politischer Seite zu empfangen, scheint die OcuNet Gruppe jedoch noch einiges an Veränderungen zu erwarten, wie zum Beispiel eine Verbesserung der Rahmenbedingungen der belegärztlichen Versorgung. Besonders die Vergütung sei für die Akteure – „sowohl für die Krankenhäuser und noch mehr für die Belegärzte“ – unattraktiv. Einer ausreichenden Finanzierung müsse sicher auch eine Bereinigung des Belegarztwesens einhergehen, wird selbstkritisch angemerkt. Die Akzeptanz fachspezifischer Vorgaben zur Struktur- und Ergebnisqualität in Form von Größe der Einrichtung, Fallzahl, Leistungsbandbreite und räumlicher Nähe der Partner belegärztlicher Strukturen wird hier als erfüllbare Voraussetzung gesehen.
Doch auch Steuer- und Sozialversicherungsrecht seien noch unzureichend harmonisiert. Wettbewerbsnachteile zu Lasten von medizinischen Einrichtungen, die ärztliche Kollegen anstellen, könnten nicht gewollt sein, ist die OcuNet Gruppe überzeugt. Trotz Reformbedarf ist sich Burkhard Nolte, Geschäftsführer des St. Franziskus-Hospitals Münster, unter dessen Dach sich ein eigenständiges IFZ der Augenheilkunde inklusive wissenschaftlicher Forschung und Publikation etabliert hat, letztlich aber sicher: „Wenn alles passt, ermöglicht die gemeinsame Struktur – Praxis, Belegarzt, Krankenhaus – ein qualitativ hochstehendes Angebot, wirkliche High-End-Medizin. Und das, verbunden mit einer schlanken, durchgängigen Versorgung der Patienten, ist es doch, was alle im System wollen.“ <<