„Versorgungsforschung aus der Region für die Region“
http://doi.org/10.24945/MVF.04.15.1866-0533.1909
>> Vor mehr als 40 Jahren haben Wennberg und Gittelsohn ihren vielbeachteten Artikel „Small Area Variations“ geschrieben, fast 20 Jahre später wurde in den USA der „Dartmouth Atlas of Health Care“ ins Leben gerufen. 2011, gut 15 Jahre später, folgte dann der „Versorgungsatlas“ des Zentralinstituts (Zi). Welcher Zusammenhang besteht da?
Unsere Initiative für einen deutschen Versorgungsatlas geht zurück auf das Jahr 2007. In dem Jahr wurde das Zi neu ausgerichtet. Es gab noch keine bundesweite Datengrundlage für die ambulante Versorgung und auch keine Transparenz über regionale Versorgungsunterschiede. Das Zi sollte zunächst eine solche Datengrundlage schaffen und auf dieser Basis eine Versorgungsforschung für und über die ambulante Versorgung entwickeln. Ein Versorgungsatlas war von Anfang an Teil des Konzepts. Im Jahr 2010 konnten wir uns erstmals mit systematischen räumlichen Mustern in der Risikostruktur der Versicherten und ihrer Versorgung befassen. Auf dieser Basis konnte der „Versorgungsatlas“ konzipiert werden. Dabei ging es von Anfang an darum, den Vertragspartnern in den Regionen Anhaltspunkte für konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung zur Verfügung zu stellen. Hierfür haben wir viele Anregungen aus dem Ausland, insbesondere aber aus dem „Dartmouth Atlas“ und der englischen Right-Care-Initiative geprüft, um die jetzige Form des „Versorgungsatlas“ zu finden.
Worin unterscheidet sich der „Versorgungsatlas“ des Zi von seinen Vorbildern?
Der „Versorgungsatlas“ ist ausdrücklich nicht als Publikationsorgan des Zi konzipiert, sondern als Internetportal, das allen Versorgungsforschern offensteht, die ihre Erkenntnisse den Entscheidungsträgern in den Regionen auch in Form von Ergebnisdaten zur Verfügung stellen wollen. Wir sind davon ausgegangen, dass mit einem öffentlich zugänglichen Internetportal und der Aufbereitung der Ergebnisse in Form interaktiver Landkarten ein größerer Wirkungskreis erreicht werden kann als allein durch wissenschaftliche Fachpublikationen, und dass Versorgungsforscher neben den Impactpunkten aus wissenschaftlichen Publikationen auch Impactpunkte bei der Anwendung ihrer Erkenntnisse in der konkreten Versorgung sammeln wollen. Außerdem soll diese Konzeption dazu beitragen, schrittweise Datenlücken zu schließen, die in Deutschland für Versorgungsforscher bestehen.
Sind Sie neidisch auf die Datenfülle, die z.B. ihren US-Kollegen dank Medicare zur Verfügung steht?
Auch die Amerikaner beklagen erhebliche Datenlücken, denn Medicare versichert nur Menschen, die älter als 65 Jahre sind. Die beste Lösung haben meiner Kenntnis nach die Australier geschaffen. Mit dem Population Health Research Network steht der Wissenschaft dort eine Zusammenführung aller Abrechnungsdaten aus unterschiedlichen Quellen bis hin zu klinischen Daten für die gesamte australische Bevölkerung zur Verfügung. In Deutschland gibt es zwar alle Abrechnungsdaten aller GKV-Versicherten, nur nicht komplett an einem Ort, mit Regions- und Leistungsbezug. Jede in Deutschland veröffentlichte Studie enthält daher Erkenntnis-
lücken. Da wir nicht erwartet haben, dass sich dies kurzfristig ändert, können die Ergebnisse aller im „Versorgungsatlas“ veröffentlichten Studien als weiterverarbeitungsfähige Datensätze heruntergeladen werden. Das KV-System möchte hier ganz bewusst zur Transparenz der medizinischen Versorgung beitragen. Wir wollen hier mit gutem Beispiel voran gehen. Bis der Versorgungsforschung auf gesetzlicher Grundlage Zugang zu vollständigen Abrechnungsdaten nach australischem Vorbild eingeräumt wird, bedarf es auch solcher kleinen Schritte.
Mal abgesehen vom Thema Datenverfügbarkeit – Was können wir von den Machern der Versorgungsatlanten im Ausland lernen?
Ein ständiger Austausch hilft allen! Die Analysemethoden und die Erfahrungen mit der Kommunikation bzw. Implementierung der Erkenntnisse entwickeln sich dauernd weiter. Manchmal hilft es auch zu sehen, dass in allen Ländern vergleichbare Schwierigkeiten bestehen. Lernen können wir dabei auch aus Rückschlägen unserer Kollegen in anderen Ländern. Der internationale Austausch hat sowohl eine inhaltliche wie auch eine motivationale Katalysatorfunktion für die deutsche Versorgungsforschung. Darum haben wir ja im Juni 2015 die „Wennberg International Collaborative Policy Conference“ in Berlin veranstaltet. Das Ergebnis war ... <<
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doi: 10.24945/MVF.04.15.1866-0533.1909