Kurzfassungen Ausgabe MVF 04/12
„Entscheidungen mit Verpflichtung zur Einigung“
Ausgabe 04 / 2012
Der Bonner Jurist Josef Hecken war bis auf einen kleinen Ausflug in die Privatwirtschaft - 1998/1999 war er Abteilungsleiter bei der METRO AG-Konzernholding - Zeit seines Lebens in Ministerien tätig. Von sich reden machte er als Minister für Justiz, Gesundheit und Soziales des Saarlands, als er 2006 die ersten DocMorris-Filialen zuließ und von 2004 bis 2008 Vorsitzender des Gesundheitsausschusses war. Von 2008 bis 2009 war er als Präsident des Bundesversicherungsamtes unter anderem für die Einführung des Gesundheitsfonds und des Morbi-RSA zuständig, seit Dezember 2009 dann als Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend u.a. für die Einführung des Betreuungsgeldes. Zum 1. Juli 2012 übernahm Hecken das Amt des unparteiischen Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).
„Suche nach dem Maß des Gesamtnutzens“
Ausgabe 04 / 2012
Knapp zwei Jahre arbeitete das IQWiG gemeinsam mit nationalen und internationalen Experten an einer Methode für die Bewertung von Kosten-Nutzen-Verhältnissen. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Methode ist die Analyse der Effizienzgrenze, die - so der damalige Institutsleiter Prof. Dr. Peter T. Sawicki - „die für die deutschen Rahmenbedingungen am besten geeignete Methode“ sei. Doch genau die stieß bei der Vorstellung des Methodenpapiers im Oktober 2009 auf harsche Kritik: 29 führende deutsche Gesundheitsökonomen lehnten damals den Vorschlag des IQWiG als „wissenschaftlich unhaltbar“ und „normativ nicht begründet“ ab. „Nirgendwo in dem Methodenpapier ist ein Algorithmus beschrieben, wie ein Summenparameter berechnet wird, durch den die Gewichtung von Nutzen und Schaden vorgenommen wird“, kritisierte damals Prof. Dr. med. Jürgen Fritze, leitender Verbandsarzt beim PKV-Verband. Dieses Manko ging das Institut mit zwei Generalaufträgen in Form von Pilotstudien an, mit einer „Conjoint Analyse“ (CA) in der Indikation Hepatitis C sowie einem „Analytic Hierarchy Process“ (AHP) in der Indikation Major Depression - leider in zwei unterschiedlichen Indikationsgebieten, so dass der direkte Vergleich nicht möglich ist. Das Ziel, das nun dennoch zum Greifen nahe scheint: Verfahren wissenschaftlich zu beschreiben, die es ermöglichen, einen kardinalen Nutzenwert zu beschreiben, mit dessen Hilfe alle denkbaren Therapiealternativen in einem Indikationsgebiet über alle relevanten Endpunkte hinweg verglichen werden können. Mit dem Leiter der „Conjoint Analyse“-Pilotstudie, Prof. Dr. Axel Mühlbacher (Hochschule Neubrandenburg, IGM Institut Gesundheitsökonomie und Medizinmanagement sowie Mitgründer der Gesellschaft für empirische Beratung mbH), sprach „Monitor Versorgungsforschung“.
„Erhebliche Effizienz- und Effektivitätsreserven“
Ausgabe 04 / 2012
Am 20. Juni 2012 hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen sein Sondergutachten 2012 mit dem Titel „Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung“ an Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr übergeben. Es ist wieder einmal in umfangreiches und lesenswertes Werk mit 437 Seiten. Am 18. September 2012 wird es im Rahmen eines Symposiums in Berlin genauer vorgestellt. „Monitor Versorgungsforschung“ sprach mit dem langjährigen Leiter des Sachverständigenrats, Professor Dr. rer. pol. Eberhard Wille, Universität Mannheim, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Finanzwissenschaft.
Nationaler Diabetesplan: Die Politik ist am Zug
Ausgabe 04 / 2012
Vor 23 Jahren erging durch die „St. Vincent Deklaration“ die Aufforderung an alle unterzeichnenden Länder, die Ziele von St. Vincent umzusetzen und dafür nationale Diabetespläne zu erarbeiten. 2002 erfolgte das „Call for Action Statement” der WHO gemeinsam mit der Internationalen Diabetes Federation (IDF), in dem die Regierungen aufgefordert wurden, nationale Programme zur Primärprävention des Diabetes zu entwickeln, was 2007 durch die „Declaration of Diabetes“ (EU-Resolution P6_TA(2006)0185) der EU verstärkt wurde, in der nachdrücklich alle Mitgliedsländer erneut ermahnt wurden, doch endlich nationale Diabetespläne zu entwickeln. Fakt ist, dass ein „Nationaler Diabetesplan“ für Deutschland zwar bisher nicht umgesetzt, aber inzwischen von allen an der Diabetesvorsorgung beteiligten Parteien zumindest konsentiert und auch schon an den Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr herangetragen wurde. Nun liegt es an ihm, diesen Plan anzunehmen und umzusetzen.
Kommentar: „Kosten der Demenz - für den Morbi-RSA zu niedrig"
Ausgabe 04 / 2012
Kommentar von Günther Sauerbrey, Vice President Merz Pharmaceuticals GmbH. Er ist seit 1975 bei Merz Pharma, 1978-2001 Leitung Marketing und Vertrieb Pharma Deutschland; seit 2001 Bereichsleiter Health Care Relations; 2001 Gründung des Zukunftsforum Demenz; 1996 - 2005 Mitglied im Vorstand bzw. stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Veröffentlichungen zur Schnittstellenproblematik von gesetzlicher Kranken- und Pflegeversicherung und zu den Defiziten in der geriatrischen Versorgung.
Ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz – eine Versorgungsform mit Zukunft?
Ausgabe 04 / 2012
Wie viele andere - vor allem westliche Länder - wird sich die demografische Altersstruktur der Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Jahren deutlich verändern. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (2006: 23) erhöht sich die Zahl der 65 bis unter 80-Jährigen von 12 Millionen im Jahr 2005 auf 13 Millionen im Jahr 2050. Parallel dazu steigt mit dem Anteil älterer und hochaltriger Personen in der Gesellschaft auch die Anzahl von Menschen mit Pflegebedarf. Damit rückt zunehmend die Frage nach Versorgungserfordernissen und -bedarfen in den Vordergrund. Ein besonderes Augenmerk muss dabei der Versorgung von Menschen mit Demenz (MmD) gelten, da demenzielle Erkrankungen zu den schwerwiegendsten und auch zahlenmäßig häufigsten Erkrankungen im Alter zählen und die Prävalenz demenzieller Erkrankungen mit zunehmendem Alter deutlich ansteigt (Weyerer 2005: 7). Derzeit gehen Schätzungen für das Jahr 2050 von mehr als zwei Millionen Menschen mit einer demenziellen Erkrankung in Deutschland aus (Ziegler/Doblhammer 2009; Deutsche Alzheimer Gesellschaft 2008; Bickel 2001; Bickel 2000). Nach Angaben einer Presseerklärung des Statistischen Bundesamtes werden die Krankheitskosten für Demenzerkrankungen für das Jahr 2008 in Deutschland mit 9,4 Milliarden Euro beziffert. „Allein bei Demenz und Depressionen erhöhten sich die Kosten in diesem Zeitraum [von 2002 bis 2008] um zusammen 3,5 Milliarden Euro beziehungsweise 32 %. Insgesamt sind die Krankheitskosten seit 2002 um 35,5 Milliarden angestiegen (+ 16 %) und lagen im Jahr 2008 bei 254,3 Milliarden Euro.“ (Statistisches Bundesamt 2010).
Versorgungsstrukturen und Patientenrolle im Wandel der Medizin und des Gesundheitssystems
Ausgabe 04 / 2012
Aus heuristischen Gründen lohnt es sich für unsere Zwecke die primäre Organisationsform der Medizin in drei Phasen einzuteilen: I. die Medizin der traditionalen Gesellschaft, II. die Medizin der modernen Gesellschaft und III. die Medizin der nächsten Gesellschaft (s. ausführlich Schubert and Vogd 2008; Vogd 2011). Die Medizin der traditionalen Gesellschaft – man denke etwa an die höfische Medizin des 17. Jahrhunderts, man könnte aber ebenso die indigenen Heilkulturen von Stammesgesellschaften betrachten – war von ihrer Praxisorganisation primär eine interaktionsorientierte Medizin (vgl. Eckart 1998). Üblicherweise fand ein ausführliches Krankenexamen im häuslichen Kontext statt. Diagnose und Therapie wurden mit dem Patienten ausgehandelt, wobei der unmittelbare soziale Kontext berücksichtigt werden konnte. Die Bedeutung der interaktiven Aushandlungsprozesse war seitens des Behandlers allein schon deshalb unhintergehbar, um Folgeaufträge zu sichern.
Impact der Versorgungsforschung für die Versorgungsrealität
Ausgabe 04 / 2012
Versorgungsforschung und Versorgungsrealität sind eng miteinander verwoben. Ein konstituierender Bestandteil der Versorgungsforschung ist es, Versorgungsrealität zu analysieren, zu bewerten und zur Optimierung beizutragen. Insbesondere im Kontext der Gesetzlichen Krankenversicherung erhält dies eine besondere Bedeutung. Die Umsetzung und Optimierung von Versorgungsmodellen gehört zu einer der Kernaufgaben einer Krankenkasse. Wissenschaftliche Evidenz und Versorgungsmanagement bilden damit eine quasi natürliche Einheit. Die Umsetzung von Erkenntnissen der Versorgungsforschung in den Versorgungsalltag bildet damit den direkten Nutzen für Versicherte der Krankenkasse als auch für die GKV ab.
Qualitätssteigerung durch Transparenz? Einsatz von Gütesiegeln im Gesundheitswesen
Ausgabe 04 / 2012
Als lange gefordertes ordnungspolitisches Leitbild soll mehr Wettbewerb zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, der Bedarfsorientierung und der Versorgungsqualität beitragen. Doch neben positiven Effekten führt die (bedingt durch die Wettbewerbsdynamik) erhöhte Angebotsvarianz zu einem Informationsungleichgewicht auf der Nachfrageseite, die eine vollständige Marktübersicht unmöglich macht. Immer mehr Gütesiegel, Zertifikate, Auszeichnungen und Ratings weisen als Orientierungshilfen den Verbrauchern den Weg, deren derzeitige inflationäre Ausuferung wiederum zu einer Verunsicherung führt. Aus diesem Grund wurde in der vorliegenden Omnibus-Studie des Fachbereichs Prävention und Gesundheitsförderung der APOLLON Hochschule, der Standpunkt der Entscheider des Gesundheitswesens zum Einsatz und den Wirkungen von Gütesiegeln untersucht.