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Steigende Hautkrebsprävalenz bei geringer Inanspruchnahme von Hautkrebsscreening

04.06.2018 10:20
Die Früherkennung, das sogenannte Hautkrebsscreening, ist seit dem Jahr 2008 eine Leistung, die gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren alle zwei Jahre kostenfrei in Anspruch nehmen dürfen. Dabei untersuchen Dermatologen und Ärzte bestimmter Fachgruppen mit entsprechender Fortbildung die Haut auf verdächtige Veränderungen, die entfernt werden sollten. Den Status Quo sowie Entwicklungstendenzen bei der Inanspruchnahme beschreiben die hier durchgeführten Analysen. Grundlage der Analysen ist die anonymisierte Forschungsdatenbasis der AOK Nordost mit ihren rund 1,75 Millionen Versicherten. Die vorgestellten Ergebnisse erfassen die Entwicklung zwischen 2008 – dem Jahr der Einführung des Hautkrebsscreenings als Versicherungsleistung – und dem Jahr 2015. Alle Versicherten der AOK Nordost ab dem Alter von 35 Jahren, die innerhalb des jeweils betrachteten Jahres vollständig versichert waren und in den drei Bundesländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern lebten, sind Teil der Studienpopulation. Im Jahr 2008 umfasste die Studienpopulation circa 1,23 Millionen Versicherte. Bis zum Jahr 2015 fiel sie auf circa 1,19 Millionen Versicherte ab (vgl. Tabelle 1). Für einige Analysen fand eine Betrachtung nach Nationalitäten statt. Dabei kann die Nationalität als Indikator für Unterschiede hinsichtlich individueller Risikofaktoren – wie dem Hauttyp – angesehen werden.

http://doi.org/10.24945/MVF.04.18.1866-0533.2090

Abstract

Hautkrebs ist die häufigste Krebserkrankung in Deutschland. Es kann unterschieden werden zwischen dem frühzeitig metastasierenden malignen Melanom und den sonstigen malignen Neubildungen der Haut, die zumeist lokal Gewebe zerstören, aber selten metastasieren. Die Einjahres-Prävalenz von Hautkrebs betrug bei den Versicherten der AOK Nordost ab 35 Jahren im Jahr 2015 alters- und geschlechtsstandardisiert 1,9 %. Die Analysen zeigen eine starke Zunahme in den letzten Jahren, auch bei verhältnismäßig jungen Patienten zwischen 35 und 50 Jahren. Seit 2008 ist das Hautkrebsscreening eine für Patienten kostenfreie Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen für Versicherte ab 35 Jahren. Nur 22 Prozent der Anspruchsberechtigten nutzten allerdings diese Möglichkeit. Vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, wo die Hautkrebsraten besonders hoch sind, ist die Inanspruchnahme besonders gering.

Development of skin cancer and skin cancer screenings in northeastern Germany
Skin cancer is the most common form of cancer in Germany with an increasing prevalence. It is to be differentiated between the malignant melanoma which metastasizes early and the malignant skin neoplasms. The latter tumors are rarely fatal but locally destructive. A substantial growth of skin cancer is indicated by data analyses of a major regional German statutory health insurance in Northeastern Germany between 2008 and 2015. The standardized prevalence rate for people aged 35 years or older has risen in the recent years to 1.9 %. Skin cancer screening is free of charge for insured persons being at least 35 years of age. Nonetheless, only 22 % of those people take this opportunity. Especially in Mecklenburg-West Pomerania, where the prevalence rates are highest, skin cancer screening is being utilized below average.

Keywords
AOK Nordost, GeWINO, care research, skin cancer, melanoma, skin neoplasms, skin cancer screening, early detection

Dr. Jan Breitkreuz - Prof. Dr.-Ing. Thomas P. Zahn

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Zitationshinweis: Breitkreuz, J., Zahn, T.: „Steigende Hautkrebsprävalenz bei geringer Inanspruchnahme von Hautkrebsscreening – Entwicklungen im Nordosten Deutschlands“, in: „Monitor Versorgungsforschung“ (04/18), S. 47-52, doi: 10.24945/MVF.04.18.1866-0533.2090

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Plain-Text:

Steigende Hautkrebsprävalenz bei geringer
Inanspruchnahme von Hautkrebsscreening

Die Früherkennung, das sogenannte Hautkrebsscreening, ist seit dem Jahr 2008 eine Leistung, die gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren alle zwei Jahre kostenfrei in Anspruch nehmen dürfen. Dabei untersuchen Dermatologen und Ärzte bestimmter Fachgruppen mit entsprechender Fortbildung die Haut auf verdächtige Veränderungen, die entfernt werden sollten. Den Status Quo sowie Entwicklungstendenzen bei der Inanspruchnahme beschreiben die hier durchgeführten Analysen. Grundlage der Analysen ist die anonymisierte Forschungsdatenbasis der AOK Nordost mit ihren rund 1,75 Millionen Versicherten. Die vorgestellten Ergebnisse erfassen die Entwicklung zwischen 2008 – dem Jahr der Einführung des Hautkrebsscreenings als Versicherungsleistung – und dem Jahr 2015. Alle Versicherten der AOK Nordost ab dem Alter von 35 Jahren, die innerhalb des jeweils betrachteten Jahres vollständig versichert waren und in den drei Bundesländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern lebten, sind Teil der Studienpopulation. Im Jahr 2008 umfasste die Studienpopulation circa 1,23 Millionen Versicherte. Bis zum Jahr 2015 fiel sie auf circa 1,19 Millionen Versicherte ab (vgl. Tabelle 1). Für einige Analysen fand eine Betrachtung nach Nationalitäten statt. Dabei kann die Nationalität als Indikator für Unterschiede hinsichtlich individueller Risikofaktoren – wie dem Hauttyp – angesehen werden.

>> Bei den zugrunde liegenden Analysen wurden maligne Melanome wie auch die sonstigen malignen Neubildungen der Haut betrachtet. Beide Hautkrebsformen zeugen zumeist von massiven Hautschädigungen in der Vergangenheit und beide Formen können zugleich selbst weitere gravierende Schäden hervorrufen. Ferner erhöht das Auftreten einer Form des hellen Hautkrebses auch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines malignen Melanoms. Gegenüber Krebsregisterdaten, die Formen des hellen Hautkrebses häufig nicht abbilden (vgl. Bertz et al. 2012: 3f.), lassen sich aus den Routinedaten der AOK Nordost detaillierte Entwicklungstendenzen zu sämtlichen Formen des Hautkrebses identifizieren, Risikofaktoren untersuchen und regionale Entwicklungen betrachten. Versicherte gelten als von Hautkrebs betroffen, wenn bei ihnen im Analysejahr mindestens eine gesicherte ambulante oder eine stationäre Hauptdiagnose mit einem ICD-Code des Typs C43 (malignes Melanom) oder C44 (sonstige maligne Neubildung der Haut) dokumentiert wurde.
Die Inanspruchnahme des Hautkrebsscreenings wurde anhand der abgerechneten Gebührenordnungspositionen (GOP) 01745 und 01746 des EBM operationalisiert. Die GOP 01745 ist hierbei eine ausschließliche Hautkrebsfrüherkennung. Dahingegen kann die GOP 01746 im Rahmen der „Untersuchung zur Früherkennung von Krankheiten gemäß den Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinien“ (GOP 01732) zusätzlich abgerechnet werden.
Hautkrebs – Status Quo und Entwicklungen
Im Jahr 2015 wurde bei 2,9 % der Versicherten der AOK Nordost ab 35 Jahren eine Form des Hautkrebses diagnostiziert. Bei mehr als 0,4 % der Versicherten war es das maligne Melanom (vgl. Abbildung 1). Dabei stieg die Prävalenzrate bei den Versicherten ab 35 Jahren von 2,0 % im Jahr 2008 auf 2,9 % im Jahr 2015.
Die Steigerung der Prävalenzraten ist dabei in den drei betrachteten Bundesländern in beinahe sämtlichen Alterskategorien zu beobachten (vgl. Abbildung 2). Darüber hinaus ist ersichtlich, dass Brandenburg über beinahe alle Altersklassen hinweg die stärksten Prävalenzzunahmen zu verzeichnen hat. Dies hat dazu geführt, dass in 2015 in Brandenburg generell höhere Prävalenzen als in Berlin erkennbar sind. Beim Blick auf die Prävalenzraten der Versicherten ab 35 Jahren im Jahr 2015 in den drei betrachteten Bundesländern hat Mecklenburg-Vorpommern (3,5 %) trotz der starken Hautkrebszunahme in Brandenburg (3,2 % Prävalenz) die höchsten Prävalenzraten aufzuweisen, während Hautkrebs unter den Berlinern (2,3 %) ein etwas geringeres Gesundheitsrisiko darstellt.
Die regionale Verteilung der Hautkrebsraten sowie die Anzahl und Standorte der niedergelassenen Dermatologen in den einzelnen Landkreisen, kreisfreien Städten und den Berliner Stadtbezirken veranschaulicht Abbildung 3. Beim detaillierten Blick auf die regionalen Disparitäten spiegeln sich obige Prävalenzraten wider: In Mecklenburg-Vorpommern sind unter den Versicherten weiträumig sehr hohe Hautkrebsraten zu verzeichnen, während das Bild in Brandenburg ambivalent ist und sich in Berlin tendenziell etwas positiver gestaltet. Die höchsten Hautkrebsraten werden in Rostock (4,6 %) und im Landkreis Barnim (4,0 %) sowie den Städten Cottbus und Schwerin mit ebenfalls 4,0 % verzeichnet. Die geringsten Prävalenzraten werden mit lediglich 1,3 % in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg und mit 1,4 % in Berlin Mitte erfasst.
Entscheidenden Einfluss auf die Hautkrebsrate einer Region hat dabei die Altersstruktur der Bevölkerung respektive die der AOK Nordost-Versicherten, da die Wahrscheinlichkeit an Hautkrebs zu erkranken mit dem Alter assoziiert ist. Bei der Erstdiagnose sind AOK Nordost Patienten mit einem malignen Melanom im Mittel 69 Jahre alt, während die sonstigen malignen Neubildungen erstmalig mit durchschnittlich 76 Jahren diagnostiziert werden. Dabei wurden jene Versicherte betrachtet, die von 2006 bis 2015 vollständig bei der AOK Nordost versichert waren und für die erstmalig im Jahr 2015 eine Hautkrebsdiagnose (angenommene Erstdiagnose) dokumentiert wurde.
Allerdings spielt auch die Geschlechterverteilung eine Rolle, da auch hier deutliche Unterschiede im Auftreten von Hautkrebs zu erkennen sind: Bei männlichen Versicherten ab dem 65sten Lebensjahr ist ein deutlich stärkerer Anstieg zu verzeichnen als bei den Frauen. So leiden zum Beispiel bei über 84-jährigen Frauen etwa sieben Prozent unter einer Form des Hautkrebses, während es bei den Männern über 12 % sind (vgl. Abbildung 8). Bis zum Alter von etwa 64 Jahren hingegen ist das Verhältnis genau umgekehrt: hier übersteigt das Hautkrebsrisiko der Frauen jenes der Männer.
Besondere Vorsicht und regelmäßige Screenings sind vor allem bei einer bereits in der Vergangenheit diagnostizierten Hautkrebserkrankung geboten, denn offenkundig wurde die Haut bereits stark geschädigt. Versicherte, die beispielsweise bereits an einer Form des hellen Hautkrebs erkrankt sind, haben zugleich ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines malignen Melanoms: Unter den 70- bis 75-jährigen Patienten, bei denen bereits eine Form des hellen Hautkrebses diagnostiziert wurde, trat im Vergleich zu sämtlichen 70- bis 75-Jährigen circa sieben Mal häufiger zugleich ein malignes Melanom auf.
Auch alters- und geschlechtsstandardisiert (Referenzbevölkerung der drei Bundesländer im Jahr 2015) bestehen zwischen den Bundesländern noch immer deutliche Unterschiede hinsichtlich des Hautkrebsrisikos (vgl. Abbildung 4): Lediglich Nordwestmecklenburg hat ein durchschnittliches Hautkrebsrisiko. Alle verbleibenden küstennahen Gebiete haben ein stark überdurchschnittliches Hautkrebsrisiko (Rostock, Schwerin, Vorpommern-Rügen, Vorpommern-Greifswald) oder zumindest ein überdurchschnittliches Hautkrebsrisiko. In Brandenburg ist das Risiko deutlich diverser verteilt: In den Landkreisen Barnim und Prignitz ist es stark überdurchschnittlich, im den Kreisen Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz hingegen stark unterdurchschnittlich. Die Klassifikation des Risikos wurde in Bezug auf den alters-geschlechtsstandardisierten Mittelwert aller Versicherten der betrachteten Region vorgenommen.
Wie Abbildung 2 und Abbildung 4 bereits veranschaulichten, sind die Prävalenzraten in Mecklenburg-Vorpommern über die Altersklassen hinweg am höchsten, in Berlin hingegen am geringsten. Neben Alter und Geschlecht als Erklärung regionaler Unterschiede haben hier weitere Faktoren erklärenden Einfluss. Abbildung 5 visualisiert die Hautkrebsprävalenzen unter den Versicherten nach Nationalität. Dabei haben die Nationalitäten per se nichts mit einem hohen oder niedrigen Hautkrebsrisiko zu tun. Vielmehr kann aber die Nationalität als Indikator für Unterschiede hinsichtlich individueller Risikofaktoren – wie dem Hauttyp – angesehen werden. Ersichtlich ist, dass deutsche Versicherte ein hohes Hautkrebsrisiko haben. Lediglich das Risiko polnischer und russischer Versicherter ist höher. Vice versa haben vietnamesische und türkische Versicherte ein geringeres Risiko an einer der beiden Formen von Hautkrebs zu erkranken. In Gegenden mit vergleichbarer Altersverteilung, aber unterschiedlichen und quantitativ bedeutsamen Anteilen Versicherter mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit können sich folglich auch die Hautkrebsraten unterscheiden.
Unterschiede sind deshalb auch innerhalb Berlins anzutreffen: Während in Mitte, Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und Reinickendorf die Hautkrebsraten stark unterdurchschnittlich sind, fällt Berlin Pankow ob der sogar überdurchschnittlichen Rate ins Auge. Erstgenannte Stadtteile weisen berlinweit bei den AOK Nordost-Versicherten ab 35 Jahren stark überdurchschnittliche Ausländeranteile auf (Mittelwert: 22,8 % Ausländeranteil), abgesehen von Reinickendorf mit einem eher durchschnittlichen Ausländeranteil (20,5 %). Pankow hingegen hat in selbiger Altersgruppe einen stark unterdurchschnittlichen Ausländeranteil (7,1 %), genauso wie Treptow-Köpenick (5,8 %).
Ferner lassen sich Rückschlüsse auf den Hauttyp und individuelle Risikofaktoren auch anhand ärztlicher Diagnosen ableiten. Das Vorkommen von Epheliden (ICD10-GM: L81.2), umgangssprachlich „Sommersprossen“ genannt, lässt unter den Versicherten Rückschlüsse auf den Hauttyp zu. Da das Auftreten von Hautkrebs auch mit der Anzahl der Pigmentflecken korreliert, kann auch die Hyperpigmentierung (ICD 10-GM: L81.0 und L81.4) hierfür als geeigneter Prädiktor angesehen werden.
Die kartographische Darstellung der alters- und geschlechtsstandardisierten Hautkrebsraten offenbart weitere regionale Unterschiede: Die Nähe zur Küste geht mit einer erhöhten Hautkrebsrate einher. Dies kann zweierlei Ursachen haben. Zum einen ist die UV-Strahlung an Küsten besonders intensiv, da Wasseroberflächen UV-Strahlen reflektieren (Bundesamt für Strahlenschutz 2017). Ferner täuschen kühler Wind und niedrige Temperaturen an der See häufig hinsichtlich der tatsächlichen UV-Intensität, die von diesen Faktoren unabhängig ist. Zum anderen kann der Lebensstil an Küsten mit vielen Aktivitäten im Freien, an und auf dem Wasser zu besonders starken UV-bedingten Hautschädigungen führen.
Die in der Literatur beschriebenen und deskriptiv dargelegten Prädiktoren lassen sich anhand der vorliegenden Daten bestätigen. Die untenstehende Tabelle visualisiert die Odds-Ratios der mittels logistischer Regression ermittelten Einflüsse: Ein höheres Alter der Versicherten korreliert mit einem erhöhten Hautkrebsrisiko, genau wie Männer ein höheres Erkrankungsrisiko haben als Frauen. Auch der Hauttyp – operationalisiert mittels des oben beschriebenen Pigmentierungsindikators (Epheliden und Hyperpigmentierung) sowie der Nationalitäten – hat einen signifikanten Einfluss auf das Hautkrebsrisiko. Zuletzt zeigt sich auch ein Zusammenhang zwischen einem küstennahen Wohnort (Landkreis grenzt an die Ostseeküste) und dem Hautkrebsrisiko.
Hautkrebsscreening und Achtsamkeit als
Ansatzpunkte zum individuellen Schutz
Hautkrebsscreenings sind seit Juli 2008 Versicherungsleistung und können entweder beim Dermatologen oder bei entsprechend fortgebildeten Hausärzten in Anspruch genommen werden. Das Gros der Hautkrebsscreenings haben 2015 Hausärzte durchgeführt: 65 % aller Screenings wurden von Nicht-Dermatologen abgerechnet. Die verbleibenden 35 % entfallen dementsprechend auf Dermatologen. Ziel des Hautkrebsscreenings ist es, den Diagnosezeitpunkt von Hautkrebs vorzuverlegen, da die Behandlungsprognose – vor allem beim frühzeitig metastasierenden malignen Melanom – so positiv beeinflusst werden kann.
Obgleich sich Mediziner einig sind, dass vor allem beim malignen Melanom mit einer frühzeitigen Therapie die größten Heilungschancen einhergehen, fehlt bislang der wissenschaftliche Nachweis, dass durch ein Screening mehr Patienten ihre Krebserkrankung überleben (Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention 2017). Dieser Beweis ist auch hier nicht möglich, dennoch soll der Zusammenhang zwischen Hautkrebsscreenings und Hautkrebsdiagnosen betrachtet werden. Hierfür wurden die Inzidenzdiagnosen des Jahres 2015 analysiert. Hautkrebs gilt als inzident, wenn im Zeitraum zwischen 2006 und 2014 keine Hautkrebsdiagnose vorlag. Ferner gilt Hautkrebs als durch das Screening entdeckt, wenn das Screening zeitlich maximal drei Monate vor der Erstdiagnose stattfand.
Es ist augenfällig, dass im Rahmen von Hautkrebsscreenings – verglichen mit den Diagnosestellungen, die ohne ein Screening erfolgen – überdurchschnittlich viele Krebserkrankungen diagnostiziert werden (vgl. Tabelle 3). Etwa 31 % (2.020 Fälle) aller Hautkrebsinzidenzen (6.485 Fälle) wurden demnach durch das Screening entdeckt, obwohl daran im Jahr 2015 nicht einmal 14 % der Versicherten (142.147 von 1.055.496) teilnahmen. Die Erkennungsrate im Screening war demnach mit 1,4 % (2.020 von 142.147) etwa dreifach höher als die 0,5 % (4.465 von 913.349) bei Versicherten, die nicht am Screening teilnahmen.
Seit Einführung des Hautkrebsscreenings als Versichertenleistung im Jahr 2008 hat sich der Anteil der AOK Nordost-Versicherten, die diese Möglichkeit in Anspruch nehmen, auf knapp zwölf Prozent jährlich gesteigert (vgl. Abbildung 6). Damit wurde binnen zwei Jahren (2014 oder 2015 – Versicherte ab 35 Jahren haben alle zwei Jahre Anspruch auf das Screening) bei nur 22 % der Anspruchsberechtigten ein Hautkrebsscreening durchgeführt.
Im Vergleich zu Brandenburgern und Berlinern nehmen die Bewohner Mecklenburg-Vorpommerns das Hautkrebsscreening besonders zögerlich wahr. Hinsichtlich der Entwicklung ist zwischen 2013 und 2015 beinahe eine Stagnation in Berlin und Brandenburg zu sehen, lediglich in Mecklenburg-Vorpommern ist noch eine leichte Zunahme zu erkennen – wobei dies aber eher einer „nachholenden Entwicklung“ gleichkommt. Angesichts der hohen Prävalenz und des hohen Hautkrebsrisikos in Mecklenburg-Vorpommern sollte das Hautkrebsscreening aus medizinischer Sicht dort eigentlich am engmaschigsten durchgeführt werden.
Dafür bedarf es jedoch eines entsprechend flächendeckenden Arztnetzes. Wie Abbildung 3 veranschaulicht, ist es hinsichtlich der Erreichbarkeit sinnvoll, dass neben den Dermatologen auch speziell fortgebildete Ärzte anderer Fachgruppen das Screening im Rahmen von Checkups durchführen dürfen. Denn in Mecklenburg-Vorpommern sowie im ländlichen Brandenburg sind Dermatologen nicht immer wohnortnah erreichbar. Zumal es bei nur zwei dermatologischen Arztpraxen in einem ganzen Landkreis – wie in der Prignitz, in Ostprignitz-Ruppin oder im Elbe-Elster-Kreis sicher auch zu terminlichen Engpässen kommen kann.
Hautkrebs entwickelt sich zumeist über sehr lange Zeiträume. Das Hautkrebsrisiko steigt – wie bei vielen anderen Krankheiten auch – mit dem Lebensalter. Liegt es bei den 55- bis 64-Jährigen noch bei 1,1 %, so verdreifacht es sich binnen der nächsten Lebensdekade beinahe (vgl. Abbildung 7). Medizinisch sinnvoll wäre es daher, wenn Risikogruppen die Früherkennungsuntersuchung häufiger nutzten. Hier allerdings scheint die Herausforderung zu liegen, da trotz der hohen Prävalenzraten in den hohen Altersgruppen auch ältere Menschen die Möglichkeit zur Früherkennung nur selten nutzen. Werden unter den 45- bis 54-Jährigen zehn Prozent pro Jahr gescreent (Hautkrebsprävalenz 0,5 %) so sind es in der Altersgruppe von 65-74 Jahren nur unwesentlich mehr (14 %), obwohl die Hautkrebsprävalenz der Älteren mehr als sechsmal so hoch ist (3,1 %).
Besonders offenkundig ist die Diskrepanz sowie die Notwendigkeit des intensivierten Screenings, wenn die Geschlechterunterschiede bei der Betrachtung hinzugezogen werden: Während Frauen bis zum Alter von 64 Jahren ein leicht höheres Risiko haben an Hautkrebs zu erkranken als Männer, kehrt sich dieses Verhältnis mit steigendem Lebensalter um (vgl. Abbildung 8). Bei über 84-Jährigen etwa wird bei circa sieben Prozent der Frauen Hautkrebs diagnostiziert. Die Prävalenzrate der Männer ist mit über 12 Prozent beinahe doppelt so hoch. Trotzdem nehmen Männer das Hautkrebsscreening kaum häufiger in Anspruch (10 Prozent der Frauen gegenüber 12 Prozent der Männer).
Schlussfolgerungen und Ausblick
Medizinisch erstrebenswert wäre, wenn mehr Versicherte das Hautkrebsscreening nutzten. Dies aber nicht erst mit einem bereits stark erhöhten Risiko, bspw. ab 55 Jahren, sondern bereits zuvor. Wie die vorangegangenen Analysen zeigten, ist Hautkrebs zunehmend auch ein Risiko Jüngerer. Zumal das besonders gefährliche maligne Melanom durchschnittlich sieben Jahre früher auftritt als die sonstigen malignen Neubildungen. Ferner besteht auch regional Nachholbedarf, insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern, wo einerseits ein erhöhtes Hautkrebsrisiko besteht, das Screening andererseits aber besonders zögerlich in Anspruch genommen wird.
Eine besonders bedeutsame Zielgruppe sollten junge Eltern sein. Denn einerseits kann und sollte ihnen frühestmöglich die Bedeutung des Sonnenschutzes der besonders empfindlichen Kindeshaut vermittelt werden, da Eltern durch deren (Nicht-)handeln das Hautkrebsrisiko der nächsten Generation entscheidend beeinflussen. Andererseits sind junge Eltern heute selbst bereits häufig in einem Alter, in dem Hautkrebsscreenings medizinisch sinnvoll sind und von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen werden. Da junge Eltern regelmäßig im Rahmen der U-Untersuchungen mit ihren Kindern beim Pädiater vorstellig werden, wären Informationskampagnen dort sinnvoll und sollten forciert werden. Ziel dieser Kampagnen ist neben konkreten Maßnahmen (Screenings bei Erwachsenen, Sonnenschutz bei Kindern) vor allem die Stärkung des Problembewusstseins. Denn das Bewusstsein für diese Gefahr fehlt offenbar, wie die geringe Inanspruchnahme des Screenings, aber auch die Prävalenzzunahmen im vergleichsweise jungen Alter verdeutlichen. <<

Ausgabe 04 / 2018

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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