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Von der Versorgungsforschung zur -wissenschaft

29.11.2021 12:00
In inzwischen sieben Memoranden des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung wird ein sehr granularer Konzept- und Methoden-Baukasten entwickelt, wobei sich lediglich ein Memorandum – das Vierte – aus dem Jahr 2016 explizit mit der „theoretischen und normativen Fundierung der Versorgungsforschung“ (1) beschäftigt. Die Autoren schließen sich darin der Aussage einer vorausgegangenen DFG-Stellungnahme (2) an, in dem sie unterstreichen, dass in Deutschland „die Entwicklung einer theoretischen Versorgungsforschung“ vernachlässigt worden sei. Wahrscheinlich weil genau das bis heute noch nicht geschehen ist, wird in allen Memoranden, wenn vom eigenen Forschungsfeld die Rede ist, Versorgungsforschung lediglich als Wissenschaftsfeld, jedoch nicht als Wissenschaft bezeichnet. Fehlt etwa ein theoretisches Gerüst?

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>> Wie die Autoren des 4. Memorandums anmahnen, gehört nun einmal die „Reflexion der theoretischen und methodologischen Grundlagen zum grundlegenden Ethos wissenschaftlichen Arbeitens, dem auch Versorgungsforscher verpflichtet sind“. Damit wird nichts weniger als eine eigene Wissenschaftstheorie und sogar eine Art Ätiologie (3) der Versorgungsforschung eingefordert, die es so noch gar nicht gibt. Ebenso gibt es in der Versorgungsforschung nicht im entferntesten so etwas wie die Bradford-Hill-Kriterien für Kausalität in der Medizin, die bereits 1965 vom englischen Statistiker und Epidemiologen Austin Bradford Hill (1897-1991) entwickelt worden sind.
Theorie, Ätiologie, Kausalität – warum tut sich die Versorgungsforschung damit so schwer? Weil ihr Forschungsfeld einfach zu komplex und interdispziplinär ist? Weil die hier tätigen Forscher weder zu geringen Nutzen noch Relevanz in der Anwendung von Theorien sehen? Oder weil sie vielleicht zu wenig Überblick darüber haben, welche Theorien aus anderen Wissenschaften in ihr(e) eigene(s) Wissenschaft(sfeld) übertragbar wären?
Diesen und ähnlichen Fragen geht der
10. Fachkongress von „Monitor Versorgungs-forschung“ (MVF) nach, der sich unter dem Titel „Theorie wagen“ am Beispiel von Lotsensystemen einer eigenen Theorie-Toolbox der Versorgungsforschung nähern will. Der Jubiläums-Kongress sollte eigentlich am 7.12.2021 im Scharounsaal der AOK Nordost in Berlin als Präsenz-Veranstaltung stattfinden, wird aber nun aufgrund der stark gestiegenen Corona-Inzidenz nur noch online veranstaltet – dies aber an nunmehr zwei aufeinander folgenden Nachmittagen. Um es möglichst vielen Studenten wie Professoren an Lehrstühlen/Instituten von Universitäten und Hochschulen zu ermöglichen, mit den Vortragenden und dem Online-Plenum zu diskutieren und gemeinsam zu erarbeiten, welche Theorien aus anderen Wissenschaften in die Toolbox der Versorgungsforschung gehören, wird diesen die Online-Teilnahme zudem kostenfrei angeboten.
„Nichts ist praktischer als eine gute Theo-rie.“ Mit diesem Satz wird Prof. Dr. Holger Pfaff, der Direktor des Instituts für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Reha-
bilitationswissenschaft (IMVR) der Universität zu Köln, seinen Keynote-Vortrag am ersten Kongresstag beginnen. Wie Pfaff bereits im Titelinterview von MVF 05/21 erklärte, haben Theorien einen eindeutigen Nutzeneffekt für jeden, denn: „Wer den Kontext verstehen will, braucht eine Theorie über den Kontext. Wer Praxistransfer befördern will, braucht auch eine Theorie über die Praxis.“
Diesen Gedanken greift Prof. Dr. Werner Vogd, Inhaber der Professur für Soziologie an der Universität Witten/Herdecke, auf, in dem er ausführen wird, warum wir Theorien benötigen, „um sehen zu können und zu sehen, was man nicht sieht“. Erst Theorien würden es der Wissenschaft ermöglichen, etwas zu erkennen und zu verstehen. Gerade deshalb ist es den Worten Vogds zufolge wichtig, dass sich „die Versorgungsforschung ihre impliziten Theorieannahmen bewusst macht, die in ihre unterschiedlichen Projekte einfließen“.
Nach einem Vortrag von Prof. Dr. Lena Ansmann (Universität Oldenburg), der zeigen wird, wie „Versorgungsforschung unter Nutzung der Ressourcen-Abhängigkeits-Theorie“ am Beispiel des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen funktioniert, sind Vortragende und Plenum vor Ort und via Stream aufgerufen, aktiv bei der anschließenden Podiumsdiskussion „Theorie-Werkzeuge der Versorgungsforschung“ zu definieren.
Den zweiten Kongresstag eröffnet Lara Schlomann MSc vom IMVR der Universität zu Köln mit ihrem Vortrag zu „Kategorien und Funktionen von Lotsen im deutschen Gesundheitssystem – Übersicht in Praxis und Theorie“. Im Bereich der Gesundheitsversorgung bestehen laut Ansmann die Aufgaben und Funktionen von Lotsen aus vielen Komponenten, die in einer sehr komplexen Versorgungsumgebung funktionieren. Eine einheitliche Definition, was ein Lotse ist und tut, gibt es allerdings (noch) nicht. <<

Ausgabe 06 / 2021

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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