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Wie man mit einer guten Theorie arbeiten kann

07.08.2021 09:50
In einem interessanten wissenschaftlichen Artikel (1), der vor kurzem im „Journal of Health Organization and Management“ erschienen ist, hat Prof. Dr. Lena Ansmann (Abteilung Organisationsbezogene Versorgungsforschung des Departments für Versorgungsforschung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) die bisher fast nicht im Gesundheitswesen angewandte Resource-Dependency-Theory (RDT) eingesetzt, um ihre Forschungsfrage zu lösen.

http://doi.org/10.24945/MVF.04.21.1866-0533.2324

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>> Unter Anwendung der Theorie der Ressourcenabhängigkeit (RDT) wurde – so das Paper – untersucht, „wie Organisationen im Gesundheitswesen in unterschiedlichen Kontexten den Druck wahrnehmen, der sich aus dem unsicheren Zugang zu Ressourcen ergibt, und welche organisatorischen Strategien sie zur Sicherung der Ressourcen einsetzen“. Diese Studie, so die Autoren, ist eine der wenigen, die sich auf den Einfluss der Umwelt (des Kontexts) auf Organisationen im Gesundheitswesen in einer Vielzahl von Settings konzentriert. RDT sei dafür eine „hilfreiche theoretische Grundlage für das Verständnis des Einflusses“ der Umwelt (des Kontexts) auf Organisationsstrategien.
Natürlich sind auch die Ergebnisse dieser Studie höchst interessant, wie etwa, dass die Befragten von einem hohen Druck durch Bürokratie, Zeitdruck und Rekrutierung von qualifiziertem Personal berichteten und – wie durch die Theorie zu erwarten war – Organisationen in Einrichtungen mit hohem Druck die lautstärksten (most vociferous) Strategien zur Sicherung von Ressourcen – insbesondere in Bezug auf die Personalentwicklung – einsetzten. Doch soll es hier um den Einsatz der  Resource-Dependency-Theory gehen, die nach Aussage des Papers erst wenige Male im Gesundheitswesen angewandt wurde (Yeager et al., 2014), obwohl RDT als eine der einflussreichsten Organisationstheorien gelte, um zu untersuchen, wie organisatorische Umgebungen organisatorische Strategien für den Zugang zu Ressourcen formen (Pfeffer und Salancik, 1978).
Gemäß RDT, so schreiben die Autoren, richten Gesundheitsorganisationen, wenn sie die Umwelt als unsicher wahrnehmen, ihre organisatorischen Strategien auf die Sicherung zusätzlicher Ressourcen aus (Pfeffer und Salancik, 1978). Es gebe bislang jedoch nur eine begrenzte Anzahl von Studien aus einer RDT-Perspektive, die den „Zusammenhang zwischen der Umwelt (Kontext), in der Organisationen des Gesundheitswesens operieren, und ihren „jeweiligen organisatorischen Strategien“ untersucht haben (Yeager et al., 2014 (2)). Zudem habe sich keine auf die Erforschung dieser Fragen im deutschen Gesundheitskontext konzentriert. Darum sei es neben der Tendenz von Gesundheitsorganisationen in Deutschland, ihre Leistungen und ihr Volumen auszuweiten, um Ressourcen zu gewinnen und dadurch Gesundheitsleistungen zu überproduzieren (Grote Westrick et al., 2019), „weitgehend unbekannt, wie sie mit der allgegenwärtigen Ressourcenknappheit umgehen“. Darüber hinaus würden in der Versorgungsforschung generell nur sehr wenige Studien Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Versorgungsorganisationen aus verschiedenen Versorgungssettings untersuchen, sondern vergleichen meist die Versorgung innerhalb eines definierten Settings.
Die Ergebnisse der Studie decken zum Teil die in Anwendung der Theorie getätigten Annahmen, wie die Autoren schreiben: „Die RDT geht davon aus, dass Organisationen in einer Zeit der Ressourcenunsicherheit, die in dieser Studie beispielsweise durch Fachkräftemangel und Zeitdruck gekennzeichnet ist, ihre Strategien zur Ressourcensicherung entsprechend anpassen (Pfeffer und Salancik, 1978). Unsere Ergebnisse stimmen teilweise mit dieser Annahme überein.“ Über alle untersuchten Gesundheitsorganisationen hin-
weg seien signifikante Korrelationen zwischen Umweltdruck und angewandten Organisationsstrategien gefunden worden. Besonders konsistent seien die Korrelationen hinsichtlich des Drucks, qualifiziertes Personal zu rekrutieren, gewesen. Stationäre und ambulante Pflegeorganisationen sowie Krankenhäuser, die allgemein die höchste Ressourcenunsicherheit empfanden, hätten gleichzeitig auch der Personalentwicklung höchste Anstrengungen gewidmet. <<

 

Zitationshinweis:
Stegmaier, P.: „Wie man mit einer guten Theorie arbeiten kann“, in „Monitor Versorgungsforschung“ (04/21), S. 11. http://doi.org/10.24945/MVF.04.21.1866-0533.2324

 

Ressourcenabhängigkeitsansatz

Der Ressourcenabhängigkeitsansatz (engl. Resource-Dependence-Theory) hat seine Wurzeln in der klassischen Systemtheorie, behavioristischen Organisationstheorie und sozialen Austauschtheorie. Es handelt sich um einen Ansatz zur Analyse von System-Umwelt-Beziehungen und Strategien von Wirtschaftsorganisationen.(3) Obwohl diese Betrachtungsweise in der militärischen Strategie schon früh berücksich-tigt wurde, taucht sie in den Wirtschaftswissenschaften erst in den späten 1970er Jahren auf.(4) Führende Theoretiker waren Jeffrey Pfeffer und Jay Barney.
Der Ansatz fokussiert einen Aspekt der marktstrukturellen Betrachtungsweise von Michael E. Porter, der in seiner Strukturanalyse die Abhängigkeit von den Lieferanten einer Branche und ihre Machtstellung als einen von mehreren wettbewerbsrelevanten Faktoren betrachtet. Der Ressourcenabhängigkeitsansatz untersucht die Eingabe (Inputs), die ein Unternehmen zur Erfüllung der selbst gesteckten Ziele benötigt. Dabei kann es sich um Rohmaterial, Kapital, Energie, Wasser, aber auch um nichtmaterielle Ressourcen wie Standorte, Arbeitskraft, Wissen und Patente handeln. Um diese Ressourcen konkurriert die Organisation mit Verbrauchern aus der gleichen, aber auch aus anderen Branchen, die in der Porterschen Analyse nicht berücksichtigt wurden. Damit ist die Autonomie einer Organisation bedroht und sie wird versuchen, diese Autonomie zu verteidigen. (5)
Die Stärke der Abhängigkeit ist dabei eine wesentliche Bestimmungsgröße für das Verhalten einer Organisation. Beispielsweise kann der Energieverbrauch eines Werks ignoriert werden, wenn der Energiepreis stabil und niedrig ist. In einem solchen Umfeld lohnen Investitionen zur Einsparung nicht, da diese im Vergleich mit Mitbewerbern zu höheren Kosten führen würden.

 

Literatur

1: Ansmann, L., Vennedey, V., Hillen, H.A., Stock, S., Kuntz, L., Pfaff, H., Mannion, R. and Hower, K.I. (2021), „Resource dependency and strategy in healthcare organizations during a time of scarce resources: evidence from the metropolitan area of cologne“, Journal of Health Organization and Management, Vol. 35 No. 9, pp. 211-227. https://doi.org/10.1108/JHOM-12-2020-0478
2: Yeager VA, Menachemi N, Savage GT, Ginter PM, Sen BP, Beitsch LM. Using resource dependency theory to measure the environment in health care organizational studies: a systematic review of the literature. Health Care Manage Rev. 2014 Jan-Mar;39(1):50-65. doi: 10.1097/HMR.0b013e3182826624. PMID: 23358132.
3: Derek S. Pugh & David J. Hickson (1996) Writers on Organization, Penguin Books, London
4: Jeffrey Pfeffer & Gerald R. Salancik (1978): The external control of organizations. New York
5: Jay B. Barney and William Hesterly (1996): Organizational Economics: Understanding the Relationship between Organizations and Economic Analysis. In: Stewart R. Clegg, Cynthia Hardy, and Walter Nord (Hrsg.): Handbook of Organizational Studies. London, Thousand Oaks, New Delhi: Sage

Ausgabe 04 / 2021

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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