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„Keine Organisation sollte Gesundheitsdaten monopolisieren“

30.11.2022 05:00
In nur fünf Jahren will CompuGroup Medical (CGM) vom Software-Unternehmen zu einem bekannten Daten-Player, aber auch Enabler und Katalysator im Ökosystem Gesundheit werden, der für eine bessere Nutzung von Daten im Gesundheitssektor steht. Das erklärt Dr. Eckart Pech, Geschäftsführender Direktor Consumer and Health Management Information Systems von CGM, im Titelinterview mit „Monitor Versorgungsforschung“. Anlass des Gesprächs war die Übernahme des Datenanalysten INSIGHT Health, die dazu führen soll, zu „ganz neuen datengetriebenen Erkenntnissen“ zu kommen. Dies ist keine Zukunftsmusik, sondern mit dem ersten Produkt namens „Darwin Next Generation“ teilweise bereits Realität geworden, indem der INSIGHT Health-Datenpool historisierter Daten mit aktuellen Versorgungsdaten kombiniert wird.

http://doi.org/10.24945/MVF.06.22.1866-0533.2453

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>> Seit Dekaden bietet das Unternehmen CompuGroup Medical (CGM), das mit Arztinformationssystemen groß geworden und seit Jahren auch international tätig ist, datengestützte Services an, wie etwa „THERAFOX“, das Ärzte über potenzielle Risiken bei der Verordnung eines Medikamentes informieren soll, „Arznei aktuell“, eine App für Medikations-Überprüfung, oder die Nutzung der Möglichkeiten von Big Data und KI, um gemeinsam mit dem Technologiepartner Gotthardt Health Group Diagnosen bei seltenen Erkrankungen zu verbessern. Datengeschäft ist also für CompuGroup Medical nichts Neues, oder?
Darum lautet die Vision unseres Unternehmens: „Niemand soll leiden oder sterben, nur weil einmal irgendwann, irgendwo eine medizinische Information fehlt.“ Diese Vision, die Frank Gotthardt, der Gründer von CompuGroup Medical, schon vor langer Zeit formuliert hat, ist Anspruch und Verpflichtung zugleich. CGM hat sich damit ganz explizit der Aufgabe verschrieben, durch Datenlösungen das Gesundheitswesen besser zu machen.

Eine Vision ist auch Zukunftsbeschreibung, wie weit sind Sie den Weg bereits gegangen?
Die CompuGroup ist vor allem als großer Softwareanbieter von Arzt-
informationssystemen bekannt. Allein in Deutschland gibt es derzeit rund 200.000 Leistungserbringer, die Systeme der CGM benutzen, international sind es weit über 1,5 Millionen. Den Health Professionals in ihrer täglichen Arbeit das Leben ein Stück weit einfacher und besser zu machen, ist ein klarer Teil der Mission.  

Mission und Vision – ein kleiner, aber feiner Unterschied.
Aber sicher, aber auch ein Stück weit Historie. Die heutige CompuGroup Medical arbeitet immerhin schon seit den 80er Jahren an der Vision eines digitalisierten Gesundheitswesens. Damit treiben wir seit mehr als 30 Jahren unablässig die Entwicklung neuer und entscheidender Technologien voran, um die Arbeit und das Leben von Gesundheitsprofis – vor allem im niedergelassenen Bereich – zu unterstützen und zu verbessern. Aus diesen, aber auch anderen Informationssystemen wie etwa CLICKDOC, können jedoch auch Bürger:innen und Patient:innen gesundheitsrelevante Informationen zur Verfügung gestellt werden, was wir seit einiger Zeit tun. Wir bieten aber auch im Rahmen des Datenschutzes anonymisierte Daten Wissenschaftlern an, um es ihnen zu ermöglichen, mit Real-World-Daten gezielt medizinisch oder auch versorgungsforscherisch zu arbeiten. Auch der Industrie stellen wir relevante Informationen bereit und leisten damit einen Beitrag dazu, dass Forschungsmittel zielgenau kanalisiert werden und vor allem Long-Tail-Krankheiten in realen Versorgungssettings erforscht werden können.
Nun hat CGM den Datendienstleister INSIGHT Health gekauft. Wie sieht die Strategie dahinter aus?
Dass wir die CGM-Familie mit INSIGHT Health arrondieren konnten, sehen wir als ganz klares Zeichen dafür, dass wir auf den Weg, den uns unsere Vision vorgibt, erneut ein gutes Stück vorangekommen sind. Die neuen Kolleg:innen von INSIGHT Health haben eine unglaubliche Kompetenz im Bereich des Gesundheitswesens an sich, aber auch im Hinblick auf die vielen Datenströme, die im Gesundheitswesen entstehen. Das ist eine Human-Kompetenz, die wir – das kann man offen sagen – in der Form und Qualität bisher nicht im Haus hatten. Interessant war für uns neben dieser Kompetenz auch der „Maschinenraum“ von INSIGHT Health, in dem seit vielen Jahren extrem leistungsfähige verarbeitende Analysesysteme entwickelt, erprobt und ausgebaut wurden. Dazu kommen langjährige und vertraute Beziehungen zu Kunden vor allem in der pharmazeutischen Industrie oder Versicherungen, die wir nun auch als CGM nutzen können und wollen.

Mit welchem Ziel?
Wir gehen damit konsequent den Schritt vom Software-Unternehmen zum Data-Player weiter. Weiter deshalb, weil wir seit längerem sehr aktiv im Bereich der Digitalisierung des Gesundheitswesens durch die angesprochene Vielzahl von Nutzenden unserer Systeme waren und sind. Nun kommt eine neue, innovative Komponente hinzu, die es – eng verknüpft mit unserer Vision – erlaubt, nicht nur Daten zu generieren, sondern auch zu analysieren und zu strukturieren, die wir als essenziell für das Fortkommen des Gesundheitssektors erachten.

Ist der Begriff „essenziell“ nicht ein wenig zu hehr gewählt?
Ich denke nicht. Man muss sich vergegenwärtigen, dass alle entwickelten Gesellschaften derzeit dabei sind, im Gesundheitsbereich in ein großes Risiko zu laufen, das zwar allen bekannt ist, aber das niemand so richtig ernst zu nehmen scheint. Auf der einen Seite haben wir eine weltweit massiv steigende Komplexität und Quantität medizinischen Wissens mit alleine über 6.000 wissenschaftlichen Publikationen pro Tag! Hinzu kommen allein in Deutschland mehr als 700 medizinische Leitlinien. Dem stehen auf der anderen Seite immer mehr Patient:innen mit immer komplexeren und individuellen Krankheitsbildern entgegen, die von Ärzt:innen in einer fünf- bis zehnminütigen Behandlungszeit bestmöglich versorgt werden müssen. Die Digitalisierung des Sektors und Nutzung von Daten können hier eine Brücke schlagen zwischen einem zeitlich stark begrenzten Angebot medizinischer Leistungen im ambulanten wie stationären Bereich und dem exponentiell ansteigenden Wissen, das Ärzt:innen in der Theorie kennen müssten, wenn sie ihre Patient:innen nach dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft versorgen und behandeln möchten. Genau an dieser kritischen Stelle können Daten einen ganz entscheidenden Beitrag dazu leisten, die bereits entstandene und immer größer werdende Versorgungs- und Wissenslücke zu schließen.

Damit haben Sie die Latte sehr hoch gelegt. Gerade wenn man an diese rund 6.000 wissenschaftlichen Artikel denkt, die insbesondere seit Corona aus dem Boden zu schießen scheinen wie die Pilze im Herbst. Hier müsste man doch Künstliche Intelligenz oder zumindest schlaue Algorithmen einsetzen, um diese Masse an Informationen in eine Art von Wissensmanagementtool zu aggregieren, um so handlungsoptimiertes Wissen entstehen zu lassen. Ist das Zukunftsmusik?
Überhaupt nicht. Wir haben ein solches Werkzeug bereits im Einsatz – es unterstützt Behandler:innen dabei, seltene Erkrankungen zu erkennen und diagnostizieren.

Welche Anwendung meinen Sie damit und wie funktioniert sie?
Ich denke dabei an THERAFOX, das direkt in die Arztsoftware der Praxis integriert ist. Schon bei der Verschreibung eines Medikaments prüft das Tool eine ganze Reihe von Voraussetzungen und warnt den oder die Ärzt:in zum Beispiel dann, wenn ein Präparat mit ähnlichem Wirkstoff bereits eingenommen wird, andere Medikamente ein Problem darstellen oder aufgrund von Alter oder Vorerkrankungen das zu verschreibende Arzneimittel nicht geeignet ist.

Um Krankenhauseinweisungen zu vermeiden.
Sicher ist das ein wichtiger Grund. Allein in Deutschland werden pro Jahr rund 600.000 Krankenhauseinweisungen – das sind immerhin zehn Prozent sämtlicher Krankenhauseinweisungen – durch Arzneimittelnebenwirkungen ausgelöst. Ebenso geht man davon aus, dass daraus über 15.000 Todesfälle resultieren. Die sollten wir doch im Blick haben, wenn man Arzneimitteltherapiesicherheit maschinell verbessern kann. Und genau das können wir mit THERAFOX. Neben den positiven Implikationen für das Gesundheitswesen insgesamt ist das absolut im Sinne des Patientenwohls.

Wo kommt hier INSIGHT Health ins Spiel?
Die Basistechnologie besteht und wir setzen sie erfolgreich ein. Mit den Datenquellen der INSIGHT Health, die komplementär zu CGM-Daten sind, schaffen wir eine DSGVO-konforme Datenumgebung, die allerdings einen sehr viel ganzheitlicheren Blick auf die Versorgung in Deutschland ermöglicht, als dies zuvor der Fall war. Wir erlangen nahezu in Echtzeit tiefgreifende Einblicke in den gesamten Zyklus von der Diagnose über die Verschreibung, bis hin zur Bereitstellung von Medikamenten – eine Fähigkeit, die in der Branche ein Alleinstellungsmerkmal darstellt. Auf dieser Grundlage können unsere Expert:innen nach und nach dieses Wissen durch KI-basierte Analysetools anreichern, um so relevantere medizinische Entscheidungen zu unterstützen.

Was verstehen Sie genau darunter?
Auf mögliche Arzneimittelnebenwirkungen hinzuweisen, ist richtig und wichtig, reicht aber nicht, wenn man ein holistisches Bild von Medizin hat, wie ich es mit dem stetig wachsenden und eigentlich immer und allseits zu beachtendem Wissen gezeichnet habe. Dieses Ziel vor Augen sind wir dabei, mit Hilfe des Einsatzes von künstlicher Intelligenz ein spannendes Produkt zu schaffen, das viele Welten in sich vereint: Zum einen gehört dazu das Wissen, das aus Diagnostik, Verschreibungen und Anamneseberichten in den täglichen Patient:innen-Ärzt:innen-Interaktionen entsteht, zum anderen das Wissen aus internationalen Veröffentlichungen und Leitlinien. Daraus entsteht ein sich ständig anreichernder Wissenspool, den wir allerdings nicht irgendwann zur Verfügung stellen wollen, sondern im besten Fall genau zu dem Zeitpunkt, zu dem die behandelnde Ärzt:in ganz spezielles Wissen braucht, um einen oder eine Patient:in bestmöglich behandeln und versorgen zu können.

Der also quasi dann aufploppt, wenn das Arztinformationssystem meint, es könne Wissen beitragen.
So in etwa. Das tut es über hochkomplexe Algorithmen jedoch auch schon heute. So sind wir beispielsweise eine Partnerschaft mit der Gotthardt Healthgroup im Bereich seltener Erkrankungen eingegangen. Denn heutzutage dauert es beispielsweise bei seltenen Erkrankungen oft rund zehn Jahre von ersten Symptomen bis zur finalen Diagnostik mit dann leider häufig fehlender Therapiemöglichkeit. Unsere gemeinsame Lösung hilft hier konkret dabei, in der Diagnostik Hinweise auf mögliche seltene Erkrankungen zu erkennen. Weiter konnten wir THERAFOX bereits um ein Medical-Decision-Support-Tool ergänzen, das Behandler:innen dabei unterstützen soll, neben Kontraindikationen auch effizienten Zugriff auf korrespondierende Leitlinien zu erhalten.

Im Endeffekt werden damit Patient:innen-Daten von Health Professionals gesammelt, über KI mit anderen Wissensquellen gematcht, um daraus der Ärzt:in handlungsrelevante Informationen und der Forschung wichtige Datenpunkte zurückspielen zu können.
Sofern dies nach den Anforderungen des Datenschutzes möglich ist. Wir bewegen uns immer im Rahmen des Datenschutzrechtes und der Datensicherheit, inklusive der nötigen und auch richtigen und wichtigen Anforderungen an DSGVO-Konformität inklusive Anonymisierung und Pseudonymisierung. Doch sollte es für alle, die stur Daten- vor Gesundheitsschutz stellen, klar sein, dass wir – so wie alle entwickelten Gesellschaften – unsere hochqualitativen Gesundheitswesen nur über Digitalisierung – und damit eng verwoben, mit der sinnstiftenden Nutzung von Daten – zukunftssicher machen können. Nur mit Hilfe von Daten werden wir den progressiven Konflikt zwischen Wissens-Komplexität bei gleichzeitig sinkender Zahl an niedergelassenen Ärzt:innen auflösen können.

Damit scheint auf das Gesundheitswesen auch eine ganz neue Datenqualität zuzukommen.
Sicher. Wenn man CGM und INSIGHT Health zusammendenkt, werden ganz neue datengetriebene Erkenntnisse entstehen. Die bisherige Datenwelt von INSIGHT Health besteht vor allem aus Abrechnungsdaten aus Apothekenrechenzentren. Damit werden über eigens dafür entwickelte Analysetools nutzwertige Lösungen für Marktforschung, Sales Force Effectiveness, Targeting, Produktneueinführung, Versorgung & Therapie, Market Access und Business Development erzeugt. Dann gibt es aber noch die großen Datenschätze der Krankenkassen mit ihren Abrechnungsdaten und die Daten, die wir über unsere Arzt-informationssysteme auswerten und aggregieren können. All diese Datenströme zusammengenommen, sind in der Lage, den großen Nebel der Real-World-Versorgung zu lichten.

Diese Real-World-Daten, die man auch versorgungsnahe Daten nennt, kann CGM ins Gesundheitssystem einbringen?
Absolut. Diesen versorgungsnahen Datenschatz sehen wir zudem als absolut kritisch für die Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung an. Gerade während der Corona-Pandemie wurde überdeutlich, dass wir schneller werden müssen, nicht nur, was die Zulassung von Wirkstoffen angeht, sondern auch, wie und wann wir Daten zur Verfügung stellen können, die für das Management einer Pandemie wichtig sind. CGM kann versorgungsnahe Daten fast in Echtzeit zur Verfügung stellen. Dazu kommt nun das Wissen, das INSIGHT Health beisteuern kann, was täglich an Medikamenten über den Handverkaufsschalter geht. Schon damit kann man ganz früh in der Kette Anamnese, Diagnose, Therapie und Verschreibung ansetzen und den ganzen Zyklus im Rahmen von Real-World-Evidence abbilden.

Kann man schon oder könnte man irgendwann?
Ein erstes Produkt in diesem Kontext haben wir bereits unter dem Namen „Darwin Next Generation“ vorgestellt. Dieses Tool kombiniert den INSIGHT Health-Datenpool historisierter Daten mit Fast-Echtzeitdaten aus der Patient:innen-Behandlung, was uns in die Lage versetzt, sehr zeitnah sehr relevante Erkenntnisse zu generieren.

Wie soll das genau funktionieren?
Das Produkt „Darwin Next Generation“ ist
in der Essenz eine Kombination der klassi-
schen Galaxy-Datenbank von INSIGHT Health,
ergänzt um Versorgungsdaten, die wir unmittelbar aus der dokumentierten Behandlung von Ärzt:innen bekommen. Dieser neue Datenraum zeigt uns dann nicht mehr nur Verschreibungen, sondern korreliert diese Daten mit Anamnesen und Diagnosen.

Das ist schon eine sehr dichte Datenauswertung „fast“ in Echtzeit. Was heißt „fast“?
Wir haben die Möglichkeit, Diagnosedaten täglich zu verarbeiten. Das funktioniert noch nicht bei allen unseren Usern, aber schon bei über 6.000 Leistungserbringern, die uns entsprechende Einwilligungen eingeräumt haben und uns Versorgungsdaten anonymisiert zur Verfügung stellen. Dazu kommt ein großes Panel an Leistungserbringern sowohl im Apotheken- als auch Großhandelsbereich, bei dem INSIGHT Health annähernd eine Vollabdeckung hat.

Könnte man daraus auch ein Vorhersagetool schaffen? Damit könnte man sehr schnell sehen, ob und wo zum Beispiel eine Grippewelle auf uns zurollt oder ob in welchen Regionen spezifische Indikationen ansteigen.
Da sind wir noch nicht ganz, weil wir uns über die Welt der Real-World-Daten langsam, aber stetig in den Bereich des Predictive Modellings vorarbeiten. Das Ziel solcher Daten kann es aber durchaus sein, auch politiksteuernde Datenströme zur Verfügung stellen zu können, um frühzeitiger reagieren zu können. Davon hätte die Steuerung der Coronapandemie enorm profitieren können, wenn man das echte pandemische Geschehen, das aus Anamnese, Diagnose, Therapie und Verschreibung sichtbar werden kann, fast in Echtzeit hätte analysieren können. So aber musste man stark zeitverzögert Meldungen aus Gesundheitsämtern abwarten, um daraus Prädiktionsmodelle zu schaffen. Diese Hypothesen verifizieren wir derzeit auch gemeinsam mit Partnern durch unsere Forschungsbeteiligung im europäischen AIOLOS-Projekt, das auf respiratorische Erkrankungen fokussiert ist.

Das Thema Daten ist in aller Munde. Es gibt ab 2025 die deutsche Forschungsdatenbank, dann reden wir über die europäische Forschungsdatenbank. Darüber hinaus gibt es weitere Datensammler wie etwa Honic, das sich ganz neu aufgestellt hat. Und jetzt kommt noch CGM in dieses Konzert dazu. Wo unterscheiden Sie sich, wo können Sie sich ergänzen?
Ich finde es begrüßenswert, dass gerade ein spannendes Momentum im Bereich Daten entsteht. Daten sind nun mal ein ganz großer, jedoch bisher sträflich vernachlässig-
ter Schlüssel im Gesundheitswesen, dessen makroökonomische Bedeutung man gar nicht oft genug betonen kann. Daten sind, wie ich eingangs ausgeführt habe, der einzige Weg, auf dem man die Komplexität und Versorgungsknappheit überbrücken kann. Dabei sind andere Sektoren schon deutlich weiter als das Gesundheitswesen. Genau hier kommen wir ins Spiel, weil wir sowohl über eine unglaubliche Daten-Kompetenz, als auch ein hohes medizinisches Wissen verfügen, beispielsweise im Rahmen der Arbeit, die wir mit der Arzneimitteldatenbank der CGM-Tochter ifap leisten. Wir kennen den Gesundheitssektor und seine Daten bereits seit den 80er Jahren. Das ist unser Fundament, auf dem wir aufbauen.  

Wobei wir wieder bei der CGM-Vision angekommen sind.
Richtig. Wir haben jetzt eine reale Chance, das Gesundheitswesen über neue Datenströme deutlich mehr Menschen bessere medizinische Versorgung zugänglich zu machen. Wir müssen jedoch gemeinsam und miteinander daran arbeiten, dieses Ziel zu erreichen. Bei all dem muss natürlich immer und zu jeder Zeit sichergestellt werden, dass die Privatsphäre und die persönlichen Daten von Individuen maximal möglich geschützt werden. Dazu haben wir uns verpflichtet.

In welcher Form können Sie diese fast live auslesbaren Daten der Versorgungsforschung zur Verfügung stellen?  
Das steht und fällt letztlich damit, welche Art von Konsens und welche Art von Opt-In uns die Ärzt:innen und Patient:innen eingeräumt haben. Wir haben derzeit vier Hauptzielgruppen, die wir mit unseren Daten unterstützen wollen. Zum einen ist das die Primärzielgruppe der Leistungserbringer, die wir bei der Entscheidungsfindung unterstützen wollen. Der Arbeitstitel lautet hier: Medical Intelligence. Die zweite Zielgruppe sind aus unserer Sicht Bürger:innen und Patient:innen, die ein Recht auf aus ihren Daten erzeugtes Wissen haben. Der Arbeitstitel lautet hier: demokratisiertes medizinisches Wissen. Die dritte Gruppe bilden Wissenschaft und Forschung, denen wir über unsere Real-Insights dabei helfen können, Krankheiten schneller zu identifizieren und besser zu behandeln. Zur vierten Gruppe zähle ich Kostenträger, die ein hohes Interesse daran haben müssen, dass das richtige Medikament zur richtigen Zeit zum richtigen Menschen kommt.

Wer hat die Daten-Hoheit?
Es mag überraschen, doch sind wir der Meinung, dass keine Organisation Gesundheitsdaten monopolisieren oder für sich behalten sollte. Daten sollten sicher, aber möglichst breit zur Verfügung gestellt werden und so genutzt werden können, dass daraus eine bessere Versorgung entstehen kann.

Jetzt stehen Sie, wie ich das von außen sehe, am Anfang der von Ihnen beschriebenen Entwicklung, da der Kauf von INISGHT Health noch nicht so weit zurückliegt. Wann meinen Sie, dass Sie die sich hier bildende Kraft auf die Straße bringen werden?
Aus meiner Sicht haben wir diese Kraft bereits auf die Straße gebracht, indem wir gezeigt haben, dass wir schon drei Monate nach der kartell- und fusionsrechtlichen Prüfung und dem Approval mit „Darwin Next Generation“ ein erstes gemeinsames Produkt auf den Markt gebracht haben. Was gibt es als besseren Beweis?

Was wollen Sie in fünf Jahren erreicht haben?
Wir möchten es bis dann geschafft haben, die Arbeit der Leis-tungserbringer:innen im Feld maximal effizienter zu gestalten, in dem medizinische Informationen zum richtigen Zeitpunkt am Point of Care bereitstehen. Dazu gehört meines Erachtens auch eine Art Benchmarking, in dem behandelnden Ärzt:innen das Wissen zur Verfügung gestellt wird, welche Therapien andere Ärzt:innen in einer ähnlichen Verschreibungs- oder Diagnosesituation gewählt haben. Und für Patient:innen wollen wir ein Stück weit Demokratisierung von medizinischem Wissen realisiert haben – zum einen zur besseren Vorbereitung auf eine Arztkonsultation, die dann für beide Seiten viel effizienter wird, zum anderen für eine bessere persönliche Versorge. Der dritte Bereich ist die Wissenschaft und industrielle Forschung, der wir neue Datenräume eröffnet haben wollen, um dabei zu helfen, bestmögliche Lösungen schnellstmöglich in den Markt bringen.

Und wo soll CGM in fünf Jahren stehen?
Dann wird CGM ein bekannter Daten-Player, aber auch Enabler und Katalysator in diesem Ökosystem sein, der für eine bessere Nutzung von Daten im Gesundheitssektor steht. <<


Das Interview führte MVF-Chefredakteur Peter Stegmaier.

Zitationshinweis: Pech, E., Stegmaier, P.: „Keine Organisation sollte Gesundheitsdaten monopolisieren“, in „Monitor Versorgungsforschung“ (06/22), S. 12-16. http://doi.org/10.24945/MVF.06.22.1866-0533.2453

Vita

Dr. Eckart Pech
führt als Geschäftsführender Direktor seit November 2019 den neu geschaffenen Bereich Consumer and Health Management Information Systems von CompuGroup Medical (CGM). Zuletzt war Eckart Pech im Vorstand der Allianz Technology SE verantwortlich für globale IT-Plattformen der Allianz Gruppe. In der Telefónica Deutschland AG war er davor als Chief Information Officer und Mitglied der Geschäftsführung für den Betrieb und die Weiterentwicklung der IT-Plattformen verantwortlich. Seinen Berufseinstieg hatte Eckart Pech beim zum Daimler-Konzern zugehörigen Beratungsunternehmen Diebold. Er hat Betriebswirtschaftslehre und Chinesisch an der Universität Bayreuth und der Shanghai International Studies University studiert. Seine Promotion hat er an der Universität der Bundeswehr München abgelegt.

Ausgabe 06 / 2022

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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