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Fachkräftemangel in der Pädiatrie

22.07.2022 11:20
Kleine Kinderkliniken in Mecklenburg-Vorpommern sind von Schließungen betroffen bzw. bedroht, und das, obwohl die Zahl chronisch kranker Kinder, z.B. mit Diabetes, Asthma und Übergewicht, steigt. Inzwischen leidet jedes sechste Kind an einer chronischen Gesundheitsstörung [1]. Sowohl wirtschaftliche Faktoren, wie eine problematische Vergütung über das DRG-System, als auch personelle Faktoren beeinflussen den Klinikbetrieb der kleinen Kinderkliniken. Auf personeller Ebene stehen die Kliniken untereinander im Konkurrenzkampf um Assistenz- und Fachärzt:innen – zusätzlich aber auch in Konkurrenz zu einer Niederlassung bezogen auf Fachärzt:innen. In diesem Wettbewerb haben kleine Abteilungen unabhängig von der Fachrichtung einen Attraktivitätsmalus insofern, dass zur Aufrechterhaltung der Versorgung eine ungleich höhere Dienstfrequenz der Ärzt:innen notwendig ist. Um ein 24-Stunden-Dienstsystem vorhalten zu können, ist ein hoher personeller Aufwand notwendig. Diese Vorhaltekosten sind bei den kleineren Abteilungen weitestgehend unabhängig davon, wie viel Planbetten sie vorhält, da ein personeller Grundstock qualifizierten Personals notwendig ist. Steigt die Fallzahl bei gleichbleibendem Personalaufwand, so ist eine bessere Ertragslage anzunehmen [2]. Personaluntergrenzen für ärztliches Personaläquivalent zu den Pflegepersonaluntergrenzen gibt es nur in Form der „Facharztstandards“ und bei Perinatalzentren, den „Cashcows“ der stationären Kinder- und Jugendmedizin, die aber nur an großen Kliniken vorgehalten werden.

http://doi.org/10.24945/MVF.04.22.1866-0533.2427

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Abstract

Auf Grundlage der aktuellen Krankenhausfinanzierung ist der wirtschaftliche Betrieb kleiner Abteilungen nur unzureichend möglich. Die Sicherung des Facharztstandards „rund um die Uhr“ in den Abteilungen führt zu einem hohen Personalbedarf sowohl im Bereich der Fach- wie auch der Assistenzärzt:innen. In Mecklenburg-Vorpommern mussten bereits Fachabteilungen der Kinderheilkunde geschlossen werden, da entsprechendes Personal fehlt. Kliniken und Niederlassung konkurrieren dabei um Personal. In dieser Untersuchung wurden die Versuche der Personalakquise durch die Klinikbetreiber den Stakeholderinteressen der Ärzt:innen in den unterschiedlichen Weiterbildungsphasen gegenübergestellt. Innerhalb der letzten Jahre wurde anhand der Stellenausschreibungen kein erhöhter Personalbedarf sichtbar. Aufgrund von Verschiebungen durch veränderte Rollenbilder, der Weiterbildungssituation und der überwiegend kleinen Kinderkliniken in MV kann dies Ausdruck eines noch kommenden Problems, wie auch ein mangelndes Interesse der Klinikbetreiber an wirtschaftlich weniger attraktiven Fachabteilungen ausdrücken.

Shortage in pediatrics professionals – analysis based on the job advertisements for Mecklenburg-Western Pomerania

On the basis of the current hospital financing, the economic operation of small departments is only inadequately possible. The safeguarding of the specialist standard “around the clock” in the departments leads to a high need for personnel both specialist and assistant doctors.In Mecklenburg-Western Pomerania, specialist pediatric departments have already had to be closed due to a lack of appropriate staff. Clinics and Doctor‘s offices compete for staff. In this study, the attempts to recruit staff by the clinic operator were compared with the stakeholder interests of the doctors in their various training phases. Within the last few years, the job advertisements did not reveal any increased staffing requirements. This may be an expression of a future problem, but it can also express the clinic operators‘ lack of interest in deficient departments.

Keywords
paediatrics, Mecklenburg-Western Pomerania, shortage of personnel, further training, profitability

Dr. med. Fabian Holbe MBA

Literatur
1. Neuhauser, H., C. Poethko-Müller, and G.G.S.S.G. Ki, Chronische Erkrankungen und impfpräventable Infektionserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, 2014. 57(7): p. 779-88.
2. Holbe, F. and A. Walus, [Pediatrics in Rural Regions Caught between Thrift and Ensuring Adequate Healthcare Provision]. Gesundheitswesen, 2021.
3. Mecklenburg-Vorpommern, K.V. Arztsuche. 2020; Available from: https://www.kvmv.de/service/arztsuche/.
4. Bundesvereinigung, K. Statistische Informationen aus dem Bundesarztregister. 2019; Available from: https://www.kbv.de/media/sp/2018_12_31_BAR_Statistik.pdf.
5. Mecklenburg-Vorpommern, K.V. Fortschreibung des Bedarfsplans vom 15.05.2013 für den Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern. 2019; Available from: https://www.kvmv.de/export/sites/default/.galleries/downloadgalerie_kvmv/mitglieder/niederlassung_pdfs/Bedarfsplan_Fortschreibung_13112019.pdf.
6. Mecklenburg-Vorpommern, K.V. Bedarfsplanung allgemeine fachärztliche Versorgung. 2019; Available from: https://www.kvmv.de/mitglieder/niederlassung-anstellung/bedarfsplanung/bekanntmachung/.
7. Ärzteblatt, D. Ärztestellen. 2020; Available from: https://www.aerzteblatt.de/aerztestellen/angebote?csrftoken=1317e6883855c80965cebf5801cedfc4-a2ccc181ab424f7a43d565eb421d5f23-2b38ab01bf95640f670bd9ce8a4ebe9a&stellenVolltext=&stellenFachgebiet=10&stellenFachgebiet=1536&stellenFachgebiet=1537&stellenFachgebiet=1524&stellenFachgebiet=1526&stellenFachgebiet=1525&stellenFachgebiet=1540&stellenUmkreisPLZ=&stellenUmkreis=0&stellenKammer=120&page=1.
8. Mecklenburg-Vorpommern, Ä. Stellenmarkt der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern in Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung M-V. 2020; Available from: https://www.aek-mv.de/default.aspx?pid=20091204113002413.
9. Demmin, K. Stellenangebote. 2020; Available from: http://www.kkh-demmin.de/krankenhaus/Stellenangebote.html.
10. Parchim, A.K. Stellenangebote. 2020; Available from: https://www.asklepios.com/parchim/unternehmen/bewerber/stellenangebote/.
11. Konzern, S. Stellenangebote. 2020; Available from: https://www.sana.de/karriere/stellenangebote/ .
12. R, J., K. J, and S. S, Berufsmonitoring Medizinstudenten 2014 Ergebnisse einer bundesweiten Befragung;. Kassenärztliche Bundesvereinigung, 2015.
13. Jacob, R., J. Kopp, and S. Schultz. Berufsmonitoring Medizinstudenten 2014 Ergebnisse einer bundesweiten Befragung. 2015; Available from: https://www.kbv.de/media/sp/2015_04_08_Berufsmonitoring_2014_web.pdf.
14. Bundesamt, S. Durchschnittsalter von Absolventen in der Fächergruppe Humanmedizin und Gesundheitswissenschaft in Deutschland im Jahr 2018. Statista 2019; Available from: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/986118/umfrage/alter-von-absolventen-der-humanmedizin-und-der-gesundheitswissenschaft/.
15. Mecklenburg-Vorpommern, Ä. Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern. 2019; Available from: https://www.aek-mv.de/upload/file/aerzte/Weiterbildung/WBO%20MV%2025_01_2019.pdf.
16. Mecklenburg-Vorpommern, Ä. Weiterbildungsbefugte nach Fachgebiet. 2020; Available from: https://www.aek-mv.de/default.aspx?pid=20100610142642800.
17. Destatis.de. Geburten - Zeitpunkt der Familiengründung. 2013; Available from: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Geburten/Tabellen/alter-geburt-bildung.html;jsessionid=F01C7CCC98A0E32F8B84E730CDD0CE55.internet711?view=main[Print].
18. Blossfeld, H.-P. and A. Timm, Das Bildungssystem als Heiratsmarkt: eine Längsschnittanalyse der Wahl von Heiratspartnern im Lebenslauf. Arbeitspapier / Sfb 186, 43, 1997.
19. e.V., D.A.f.K.-u.J. These zur Analyse und Zukunfsszenario der flächendeckenden medizinischen Versorgung der Kinder und Jugendliche in Deutschland. 2013; Available from: https://dakj.de/wp-content/uploads/2015/11/projekte-2012-zukunftsszenario-thesen.pdf.
20. Mecklenburg-Vorpommern, Ä. Tätigkeitsbereicht 2018. 2019; Available from: portal.aek-mv.de.

 

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Zitationshinweis: Holbe, F.: „Fachkräftemangel in der Pädiatrie – Analyse anhand der Stellenausschreibungen für Mecklenburg-Vorpommern“, in: „Monitor Versorgungsforschung“ (04/22),
S. 62-65. http://doi.org/10.24945/MVF.04.22.1866-0533.2427

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Fachkräftemangel in der Pädiatrie

Kleine Kinderkliniken in Mecklenburg-Vorpommern sind von Schließungen betroffen bzw. bedroht, und das, obwohl die Zahl chronisch kranker Kinder, z.B. mit Diabetes, Asthma und Übergewicht, steigt. Inzwischen leidet jedes sechste Kind an einer chronischen Gesundheitsstörung [1]. Sowohl wirtschaftliche Faktoren, wie eine problematische Vergütung über das DRG-System, als auch personelle Faktoren beeinflussen den Klinikbetrieb der kleinen Kinderkliniken. Auf personeller Ebene stehen die Kliniken untereinander im Konkurrenzkampf um Assistenz- und Fachärzt:innen – zusätzlich aber auch in Konkurrenz zu einer Niederlassung bezogen auf Fachärzt:innen. In diesem Wettbewerb haben kleine Abteilungen unabhängig von der Fachrichtung einen Attraktivitätsmalus insofern, dass zur Aufrechterhaltung der Versorgung eine ungleich höhere Dienstfrequenz der Ärzt:innen notwendig ist. Um ein 24-Stunden-Dienstsystem vorhalten zu können, ist ein hoher personeller Aufwand notwendig. Diese Vorhaltekosten sind bei den kleineren Abteilungen weitestgehend unabhängig davon, wie viel Planbetten sie vorhält, da ein personeller Grundstock qualifizierten Personals notwendig ist. Steigt die Fallzahl bei gleichbleibendem Personalaufwand, so ist eine bessere Ertragslage anzunehmen [2]. Personaluntergrenzen für ärztliches Personaläquivalent zu den Pflegepersonaluntergrenzen gibt es nur in Form der „Facharztstandards“ und bei Perinatalzentren, den „Cashcows“ der stationären Kinder- und Jugendmedizin, die aber nur an großen Kliniken vorgehalten werden.

 

>> In Mecklenburg-Vorpommern kam es in den vergangenen Jahren wiederholt zu Schließungen von Kinderkliniken, welche die Klinikbetreiber mit dem Argument des Personalmangels begründeten. Dieses Argument soll nach Angebot und Nachfrage analysiert werden. Stellengesuche in Printmedien und Suchmaschinen können zur Bedarfsanalyse beitragen. Zusätzlich spielt die lange Weiterbildungszeit bis zum/zur Fachärzt:in eine Rolle.

 

Material und Methoden

Herausforderung 1: Ambulanter Bedarf

Stand 1. Februar 2020 waren auf der Homepage der Kassenärzt-lichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern 137 Kinderärzt:innen für die ambulante Versorgung des Bundeslandes gelistet [3]. In der Ärztestatistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung von 2018 waren 7.739 Kinderärzte in der vertragsärztlichen Versorgung aufgeführt [4]. Die niedergelassenen Kinderärzte verteilen sich nicht gleichmäßig über die Bedarfsregion. Mecklenburg-Vorpommern hat eine vergleichsweise hohe Dichte an niedergelassenen Pädiatern bezogen auf die Bevölkerungszahl.
2019 wurden zum Stichtag 4.9.2019 136 Pädiater gelistet, davon 105 Frauen (77,2%). Das Durchschnittsalter der Ärzte betrug 52,73 Jahre, 38 bzw. 27,9% der Ärzte waren 60 oder älter. Im Vergleich zur großen Gruppe der Hausärzte ist die Gruppe der Pädiater damit jünger und der Frauenanteil ist deutlich höher (zum Vergleich: Durchschnittsalter der Hausärzte in Mecklenburg-Vorpommern 53,84 Jahre, 31,4% Ärzte 60 Jahre oder älter und Frauenanteil 57,5%) [5]. Im Bundesgebiet teilen sich die ambulant tätigen Kinderärzte in folgende Altersgruppen auf: 7,8% unter 40 Jahre, 28,7% 40-49 Jahre, 38,7% 50-59 Jahre, 18,7% 60-65 Jahre und 6% älter als 65 Jahre. Damit ist der Anteil der über 60-jährigen Kinderärzte in Mecklenburg-Vorpommern höher als im Bundesdurchschnitt.
Unter der Annahme, dass die niedergelassenen Kinderärzte im Alter von 50 und älter gleichverteilt auf die Geburtsjahrgänge wären, und das Renteneintrittsalter bei 66 Jahren läge (das Versorgungswerk der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern verweigerte auf schriftliche Nachfrage mit Verweis auf den Datenschutz eine Auskunft über das durchschnittliche Renteneintrittsalter), so würden in den kommenden 16 Jahren 86 Kinderärzte in Ruhestand gehen. Der Nachbesetzungsbedarf mit Fachärzten für ambulante Kinderheilkunde betrüge 5,3 Fachärzte pro Jahr.
Zum 1.11.2019 waren in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt 8 Praxissitze für die pädiatrische Versorgung unbesetzt [6].

Herausforderung 2: Konkurrenz unter den Kliniken

Zum Stichtag 10.3.2020 sind im Ärzteblatt.de als größter Stellenbörse für Ärzt:innen 69 Stellengesuche für Kinderärzt:innen veröffentlicht. Die Suchkriterien waren „Kinder- und Jugendmedizin“, „Kinder-Hämatologie und -Onkologie“, „Kinderkardiologie“, „Kinderurologie“, „Neonatologie“, „Neuropädiatrie“ und „Mecklenburg-Vorpommern“. Im Detail teilten sich die Stellen wie folgt auf [7]:
• 9 Assistenzärzt:innnenstellen, davon
– eine Assistenzärzt:in in der Universität Greifswald,
– eine Assistenzärzt:in in der Sana Klinik Rügen und
– eine Assistenzärzt:in in der Ostseeklinik Boltenhagen,
• 41 Fachärzt:innen-Stellen, davon
– eine Fachärzt:in in der Sana Klinik Rügen
• 19 Oberärzt:innen-Stellen, davon keine in MV und
• 2 Chefärzt:innenstellen, davon keine in MV.  
Bei den Fachärzt:innen-Gesuchen sind auch Assistenzärzt:innen in fortgeschrittener Weiterbildung zur Bewerbung aufgefordert, was die Diskrepanz der Gesamtstellenzahl erklärt.
Für eine Verlaufsbetrachtung wurden die Stellenangebote des wöchentlich erscheinenden Ärzteblattes nach den Abfragekriterien „Kinder- und Jugendmedizin“, „Kinder-Hämatologie und -Onkologie“, „Kinderkardiologie“, „Kinderurologie“, „Neonatologie“, „Neuropädiatrie“ bundesweit untersucht. Für „Kinder- und Jugendmedizin“ kamen folgende Ergebnisse zustande:
In der Betrachtung der Subspezialisierungen kam es zu folgenden Stellenangeboten:
Nach den vorliegenden Daten ist in der bundesweiten Suche im Verlauf der letzten Jahre kein signifikanter Anstieg an Stellenanzeigen im Ärzteblatt für „Kinder- und Jugendärzte“ unabhängig von ihrem Weiterbildungsgrad erkennbar.
In der Betrachtung subspezialisierter Fachärzte kam es ab 2014/15 zu einem sprunghaften Anstieg der Stellengesuche. Da es in diesem Zeitfenster zu Novellen der Musterweiterbildungsordnung und darauf folgend der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammern kam, ist ein Zusammenhang mit dem neuen, aber im weiteren zeitlichen Verlauf konstanten Bedarf an subspezialisierten Pädiatern möglich.
Auf der Homepage der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern werden zum Stichtag 10.3.2020 vier Stellen in der Pädiatrie angeboten: das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg suchte eine leitende Oberärzt:in und nach einem/einer Fach- oder Assistenzärzt:in, das Kreisrankenhaus Demmin sucht nach einem/einer Assistenzärzt:in und der Landkreis Nordwestmecklenburg einen/einer Fachärzt:in für den öffentlichen Gesundheitsdienst [8].
Das Kreiskrankenhaus Demmin veröffentlichte die Stellenangebote auf der Klinikhomepage und sucht nach einem/einer Chefärzt:in und einem/einer Fachärzt:in [9].
Für die Kinderstation der Asklepios Klinik Parchim ist auf der Konzernhomepage eine Fachärzt:innen-stelle ausgeschrieben [10].
Der Sana Konzern mit der Sana Klinik Rügen und dem Sana Hanseklinikum Wismar suchte nach einem/einer Assistenz- und Fachärzt:in für den Standort Rügen [11].
Inseriert auf der Stellenplattform Monster.de wurde am 20.3.2020 mit den Suchbegriffen „Kinderärzt:in“ und „Mecklenburg-Vorpommern“ nach einem/einer Weiterbildungsassistent:in für Kinderheilkunde in der Asklepios Klinik Pasewalk gesucht.
Auf der Stellenplattform Stepstone.de wurde am 20.3.2020 mit o.g. Suchbegriffen ein/eine Kinderärzt:in für den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landkreises Vorpommern-Greifswald gesucht.
Auf Kimeta.de gab es am 20.3.2020 keinen Treffer für die Suchbegriffe.
Bei der Bundesagentur für Arbeit waren 8 Stellenangebote gelistet. Darunter waren die beiden o. g. Stellenangebote für den öffentlichen Gesundheitsdienst (Nordwestmecklenburg und Vorpommern-Greifswald) und eine Stellenausschreibung für eine Fachärzt:innen-Stelle in einer Rehaklinik. Die übrigen Stellenangebote wurden durch Vermittler gelistet und ließen sich nach der Beschreibung nicht eindeutig einer bestimmten Klinik zuordnen.

Herausforderung 3: Weiterbildung

Mit 6 Jahren Mindeststudiendauer gehört das Medizinstudium zu den längsten Studiengängen in Deutschland. Die Ausbildung „Fachärzt:in für Kinder- und Jugendmedizin“ nimmt weitere 5 Jahre Mindestweiterbildungszeit in Anspruch. Veränderungen in der Aus-/Weiterbildung haben somit eine Latenz bis sich arbeitsmarktrelevante Änderungen ergeben.
Unter den Medizinstudenten steigt der Frauenanteil stetig. Laut dem „Berufsmonitoring 2014“ [12] der Kassenärztlichen Bundesvereinigung war die Kinderheilkunde das von Studierenden am zweithäufigsten genannte Ziel einer Fachärzt:innen-Ausbildung. Damit lag die Pädiatrie noch vor der Allgemeinmedizin und hinter der Inneren Medizin. Bei der Präferenz gaben Frauen mit 11,7% hochsignifikant häufiger den Wunsch an, Kinderärztin zu werden, als Männer mit 5,5%. Aufgeteilt nach Studienabschnitten sinkt der Berufswunsch Kinderärzt:in im Verlauf des Studiums von 30,3% in der Vorklinik auf 25,8% im klinischen Studienabschnitt und weiter auf 17,8% im Praktischen Jahr.
Anhand der Zahl an Weiterbildungsassistent:innen und dem Durchschnittsalter der Kinderärzt:innen hat die Bundesärztekammer 2009 eine Wiederbesetzungsquote für Pädiater von 211,5% berechnet. Also mehr als zwei Kinderärzt:innen auf eine ausscheidende Ärzt:in.
Bei konstantem Patientenaufkommen würde es somit ein Überangebot an potenziellen Ärzt:innen auf freie Stellen geben [13].
Bei gleichbleibender Attraktivität unter den Student:innen und dem seit 2009 weiter gestiegenen Frauenanteil unter den Medizinstudenten ist von einer weiteren Zunahme des Bewerberüberhangs auszugehen. Eher männerdominierte Fächer könnten unter dieser Entwicklung Nachwuchsschwierigkeiten bekommen.
Ein Fachärzt:innen-Mangel für Pädiatrie im ambulanten, wie auch im stationären Sektor erscheint auf Grundlage dieser Zahlen wenig nachvollziehbar – dennoch sind Stellen unbesetzt.
Nach Abschluss des Studiums (im Durchschnitt mit 26,2 Lebensjahren [14]) beträgt die Mindestweiterbildungszeit zum/zur Fachärzt:in für Kinder- und Jugendmedizin bundesweit 5 Jahre, von denen nach aktuell gültiger Weiterbildungsordnung [15] mindestens 36 Monate in einer Einrichtung der stationären pädiatrischen Akutversorgung absolviert werden müssen. 6 Monate davon müssen in einer neonatologischen Abteilung erfolgen. Über eine stationäre Weiterbildungsberechtigung für 3 Jahre und länger verfügen in Mecklenburg-Vorpommern 11 Kinderkliniken [16]. Für die 6 Monate Neonatologie stehen nur 4 Kliniken in Mecklenburg-Vorpommern zur Verfügung.
Ein Stellenwechsel während der Weiterbildungszeit ist damit die Regel und bei der Fahrdistanz zur nächsten geeigneten Klinik sinkt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wenn eine Fachärzt:innen-Ausbildung außerhalb von Ballungszentren erfolgt.
Das Durchschnittsalter der Geburt des 1. Kindes bei Akademiker-innen in Ostdeutschland liegt beim 30. Lebensjahr [17] und fällt damit in die Weiterbildungszeit.
Zusätzlich ist einzubeziehen, dass Frauen (Studien für den Jahrgang 1964-1978) nur zu 7,8% einen Partner „unter ihrer Bildungsklasse“ (Aequaleum uxorem ducere!) wählen [18]. Diese Konstellation in der Partnerwahl ist übrigens mit der niedrigsten Scheidungsrate verbunden. Damit wird für nahezu jede Kinderärztin auch eine Akademikerstelle für den Partner benötigt – insbesondere im ländlichen Raum ein Wettbewerbsnachteil zugunsten von Ballungszentren.
In einem 2013 veröffentlichen Positionspapier ging die Deutsche Akademie der Kinder- und Jugendmedizin als Dachverband der Kinder- und Jugendmedizinischen Gesellschaften bis 2020 davon aus, dass es zu einer Zunahme von Frauen in der kinder- und jugendmedizinischen Versorgung (bis zu 90%) kommen wird. Eine Verkürzung der zur Verfügung stehenden Arbeitsleistung um ca. 25% aufgrund von Kinderbetreuungszeiten, Arbeitszeitverkürzungen bedingt durch die neuen  Arbeitszeitgesetze, sowie einen erhöhten Anteil von Teilzeitarbeit als Folge der zunehmenden Bedeutung von Familie und Freizeit bei jungen Kinder- und Jugendärzt:innen sind die Konsequenz [19]. Für die gleiche Arbeitsleistung würden somit mehr Ärzt:innen benötigt.
Laut dem Tätigkeitsbericht der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern von 2015-2018 erlangten 2015 8 2016 8, 2017 und 2018 jeweils 12 Ärzt:innen die Anerkennung zur Fachärzt:in für Kinderheilkunde. Damit bleibt die Zahl der „neuen“ Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendmedizin mit 5,6% der Fachärzt:innen-Anerkennungen in Mecklenburg-Vorpommern weit hinter den Präferenzen der Student:innen im Praktischen Jahr (s.o.) zurück [20]. Als Ursache für diese Diskrepanz kommt eine Interessenverschiebung während der Weiterbildung oder eine mangelnde Umsetzbarkeit der Weiterbildung, z. B. durch Hindernisse in der Weiterbildungsordnung oder der regionalen Stellensituation, in Frage.

Schlussfolgerung

In der bundesweiten Analyse der Stellenangebote auf Basis der Anzeigen im Deutschen Ärzteblatt, der Jobbörsen im Internet und der lokalen Fachpresse ist keine wesentliche Steigerung des Bedarfs an Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendmedizin erkennbar. Das Argument der Klinikbetreiber, Fachabteilungen aufgrund von Personalmangel schließen zu müssen, ist mit Blick auf die Versuche, Personal über Anzeigen oder Jobbörsen zu akquirieren, nicht zu belegen.
Die Zahl der Stellenangebote für Pädiater mit Subspezialisierung ist in den letzten 5 Jahren gestiegen. Für die Versorgung in kleineren Abteilungen in Mecklenburg-Vorpommern ohne entsprechende Spezialabteilung besteht für diese Ärzt:innen-Gruppe anhand der Stellenausschreibungen kein gesonderter Bedarf.
Anhand der vorliegenden Stellenangebote der Kliniken in Mecklenburg-Vorpommern ist kein erhöhter Bedarf an Kinderärzt:innen erkennbar.
Einschränkend ist bei einer Analyse des Stellenbedarfs anhand ausgeschriebener Stellenanzeigen zu berücksichtigen, dass Stellenvermittlungen durch Headhunter oder Vermittlung zwischen Kliniken nicht erfasst werden.
Zusätzlich kann es die Außendarstellung eines Krankenhauses in nicht-öffentlicher Trägerschaft negativ beeinflussen, sollten auffallend viele Stellenangebote inseriert werden. Die mit Inseraten arbeitenden Headhunter erstellen Angebote daher ohne genaue Nennung der suchenden Klinik. Erst nach direkter Kontaktaufnahme mit der vermittelnden Firma wird die suchende Klinik offenbart.
Diese Marktsituation lässt auf eine hohe Dunkelziffer für den Bedarf schließen, der jedoch höchstens durch Vergleich mit internen Statistiken der Vermittler erfassbar würde.
Insgesamt scheint anhand dieser Daten keine relevante Steigerung des Bedarfs an Fachkräften zu bestehen. Dieser Bedarf kann in den nächsten Jahren durch die o. g. Gründe noch entstehen oder aber, auf Seiten der Kliniken besteht keine Notwendigkeit, in eine weniger wirtschaftlich attraktive Klinik zu investieren. <<

Ausgabe 04 / 2022

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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