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Der Patient und das Arzt(team) stehen im Mittelpunkt

04.10.2019 14:00
Nach den Innovationsfonds-Projekten „Cardiolotse“ (MVF 04/19) und Stroke OWL (MVF 05/19) wird in dieser Ausgabe das Modellprojekt Mambo vorgestellt, das Menschen ambulant betreuen und optimal versorgen will. Damit soll ein weiteres Schlaglicht auf das Metathema Lotse geworfen werden, das als einer der wohl sinnfälligsten, in die Regelversorgung zu übertragenden Schlüsselelemente des Innovationsfonds gilt. Hier wird jedoch anders als bei den bisher vorgestellten innovativen Versorgungslösungen weniger der Case Management-Ansatz in den Vordergrund gestellt, sondern mehr auf die Koordination aller patientenrelevanten und sektorenumfassenden Informationen gesetzt, und vor allem in eine zusätzliche Versorgungszeit investiert. Dazu arbeiten die bei den am Projekt beteiligten Ärzten angestellten Mambo-MFAs mit den beim Projektpartner etablierten MONIKAs als patientenzentrierter, verlängerter Arm der Praxen zusammen.

http://doi.org/10.24945/MVF.06.19.1866-0533.2186

>> Das Innovationsprojekt Mambo ist ein Versorgungsprogramm für Menschen mit mehreren chronischen Erkrankungen. Das durch den Innovationsfonds in der zweiten Welle der „Neuen Versorgungsformen“ ab 2017 mit 3,4 Millionen Euro geförderte Projekt wurde für Versicherte der pronova BKK (Konsortialführer) konzipiert, die in der Versorgungsregion Leverkusen beheimatet sind. Insgesamt leben rund 15.000 multimorbide, bei der pronova BKK versicherte Patienten in Leverkusen, von denen bereits vor Projektstart knapp 50% im Gesundheitsnetz Leverkusen (Projektpartner) versorgt wurden. Das ist dem Vorläuferprojekt proVABENE zuzuschreiben, einem IV-Vertrag zwischen der pronova BKK und dem Regionalen Gesundheitsnetz Leverkusen. Dieser war bereits Anfang 2014 mit dem Ziel gestartet worden, für Menschen, die unter chronischen Erkrankungen leiden, die koordinierte Behandlung durch Haus- und Fachärzte zu verbessern.
In Mambo konnten bis zum Oktober 2019 davon 2.390 Patienten, die mindestens 3 chronische Erkrankungen und/oder mindestens 7 Medikamente erhalten, bei einem von aktuell 23 Fach- und Hausarztpraxen des Gesundheitsnetzes eingeschrieben werden. Eigentlich könnten alle 80 im Gesundheitsnetz Leverkusen organisierten niedergelassenen Haus- und Fachärzte mitmachen und profitieren. Dass die Mehrheit das bisher nicht tut, zeigt einmal mehr, wie schwierig es ist, derartige freiwillige Innovationsprojekte aufzusetzen und – wie Evaluationspartner Prof. Dr. Holger Pfaff vom Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln auf dem diesjährigen Deutschen Kongress Versorgungsforschung (DKVF) ausdrückte – „die Maschine ans Laufen zu bekommen“.
Um die Zahl der eingeschlossenen Patienten als auch teilnehmenden Hausärzte sowie die tatsächliche Interventionszeit zu erhöhen, soll das ursprünglich bis Mitte 2020 geplante Modellprojekt um ein Jahr verlängert werden – was in etwa der Zeit entspricht, die die Projektpartner tatsächlich benötigt haben, um nach dem erfolgten Förderzuschlag nicht nur eine krankheitsübergreifende Metastrategie und die dafür notwendigen Strukturen am Beispiel komplex multimorbiden Patienten zu etablieren, sondern tatsächlich ans Arbeiten mit Patient wie Arzt zu kommen.
Erschwerend kam hinzu, dass sich durch die Verzögerung des Förderbescheides die ursprüngliche Projektlaufzeit (01.01.2017 bis 31.12.2019) schon um ein gutes halbes Jahr verzögert hatte (01.07.2017 bis 30.06.2020). Damit konnte auch die auf neun Monate veranschlagte Rekrutierungszeit erst zeitversetzt starten, wobei diese auf den 01.04. vorgezogen wurde. Zeitgleich mussten ebenso die Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es ermöglichen, dass  den behandelnden Arzt – wie im Projekt geplant – alle patientenrelevanten und sektorenumfassenden Informationen erreichen. Dies beinhaltete unter anderem den Aufbau einer elektronischen Patientenakte (ePA), die jedoch weit mehr als eine reine Datensammlung ist: Mit dem integrierten „Risiko-Cockpit“ soll der Arzt in die Lage versetzt werden, auf einen Blick zu erkennen, welche Handlungsoptionen für einen bestimmten Patienten am drängendsten sind. Integriert in dieses Lagebild sind nach Zustimmung des Patienten unter anderem die longitudinalen Abrechnungsdaten der Krankenkasse, mit denen die pronova den Arzt unterstützen will – zum Beispiel in Form eines patientenindividuellen Medikationskontos. Bei dieser handlungs- und anwendungsorientierten ePA
(sicher ein weiterer Baustein, der den Sprung in die Regelversorgung schaffen sollte) gibt es jedoch ein Problem am Rande: Der bisher aktive Software-Partner hat die Arbeit an der ePA eingestellt, was die Suche nach einem neuen Systemanbieter erforderlich macht.
Ein weiteres Kernmodul von Mambo ist für den teilnehmenden Arzt kostenlose Prozessberatung durch eine Unternehmensberatung. In deren Rahmen sollen Praxisabläufe optimiert und exakt definiert werden, welche Tätigkeiten schon am Counter durch die Mambo-MFA* erledigt werden können, um den Arzt zu entlasten und ihm – auch durch das schon bei Beginn der Consulation vorliegende Lagebild – mehr Zeit für das Patientengespräch zu geben. An dieser Stelle wird ein weiteres Zielkriterium von Mambo sichtbar: Bei diesem Projekt geht es nicht nur um eine Verbesserung der Patientenversorgung, sondern ganz speziell auch um die Verbesserung der Arbeit sowie die Lebensqualität der beteiligten Ärzte und ebenso des Praxispersonals, was vom IMVR durch Fragebögen mit evaluiert wird.
Ein ganz zentrales Projektmodul ist der „Kontinuierliche Verbesserungs Prozess“, kurz KVP. Diesen kann man sich als Projektgremium vorstellen, das sich regelmäßig trifft, zu dem aber auch interessierte Versorgungspartner aus anderen, bisher aus rein pragmatischen Gründen (Niedrighaltung der Komplexität) nicht ins Projekt eingeschlossenen Sektoren (Klinik, Pflege, Reha,) dazu kommen können – was diese auch tun. In den KVP-Sitzungen werden gemeinsam die Versorgungsbedarfe  und -ziele formuliert. Aber ebenso besprochen, wo was wie verändert und weiter zu optimieren ist. Allein die damit entstehende Gesprächs- und Kommunikationskultur hält Projektleiter Dr. rer. nat. Thorsten Wolf von der pronova für ein nicht zu unterschätzendes Softskill von Mambo. „Das Projekt hat uns viel dichter an die Ärzte gerückt“, erklärt Wolf, der es schätzt, mit den behandelnden Ärzten sprechen zu können, das sei „schon ein hohes Gut an sich“ und „die Lernkurve ist immens“. Denn, so Wolf: „Die ungefilterte Meinung der behandelnden Ärzte ist jenseits aller Zahlen und Daten ungemein wertvoll.“
Schlussendlich wird sich aber auch dieses Modellprojekt daran messen lassen müssen, ob die definierten Ziele durch eine bessere Versorgung erreicht worden sind. Dazu wird der Prozess der Implementierung durch eine formative Evaluation erfasst. Jedes Jahr werden zudem die Faktoren identifiziert, die die Implementierung fördern bzw. hemmen und an die Prozessbeteiligten zurückgemeldet. Zudem soll eine summative Evaluation die Strukturen, Prozesse und Ergebnisse der Intervention fokussieren. Als Ergebnis des Projekts sollen die Versorgungsqualität und Versorgungseffizienz verbessert und die Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen optimiert werden.
Trotz all dem steht bei Mambo wie bei allen Innovationsfonds-Projekten der Patient im Mittelpunkt. Mit dem Versorgungsprogramm soll vor allem eine zusätzliche „Kümmerer-Zeit“ ermöglicht und gewährleistet werden, dass eine optimale Betreuung entsteht, durch
• die Stabilisierung des Gesundheitszustandes,
• die Steigerung der Lebensqualität,
• die Verbesserung der Versorgungskoordination,
• die Vermeidung von Krankenhausaufenthalten,
• den ganzheitlichen Blick auf deren aktuelle persönliche Situation – in der Arztpraxis sowie im häuslichen Umfeld.

Für letzteres ist neben dem Arzt und seinem Praxisteam vor allem die Monitoring- und Kommunikations-Assistentinnen, kurz MONIKA,  zuständig. Die beim Gesundheitsnetz Leverkusen angestellten examinierten Pflegefachkräfte mit spezieller Zusatzausbildung können vom am Projekt beteiligten Arzt von Fall zu Fall zugebucht werden, um das Krankheitsgeschehen positiv zu beeinflussen. Dies kann man als Case Management mit einer digital unterstützten Abstimmung mit dem Arzt verstehen, wobei die MONIKAs entweder telefonisch oder im Beratungszentrum oder auch ganz persönlich im häuslichen Umfeld tätig werden. Beispielhafte Kernaufgaben sind:
• Medikations- und Adhärenz-Check
• Abfrage medizinisch relevanter Parameter (etwa bei Herzinsuffizienzpatienten)
• Schulungen und Informationen (zum Beispiel Ernährung, Sturzprophylaxe)
• Ganzheitlicher Blick auf die häusliche und gesundheitliche Situation, Organisation   alltagsunterstützender Maßnahmen, Hilfe bei der Suche nach Pflegediensten Pflegeheimen, Kurzzeitpflegeplätzen, sozialrechtlichen Antragsverfahren
• Unterstützung von Angehörigen demenziell Erkrankter
Unklar ist zum heutigen Stand, wie es nach Projektende mit den MONIKAs weitergeht. Die Zwischenfinanzierung für das weitere Jahr ist nicht das Problem, weil hier noch nicht verbrauchte Projektmittel eingesetzt werden können. „Wir sind gerade dabei zu rechnen, was eine MONIKA kostet und welche Effekte man gegenrechnen kann“, erklärt Wolf. Das sind natürlich vor allem  Effekte wie die Vermeidung von Krankenhausaufenthalten, verbesserte Medikation und Adhärenz. Doch das kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht quantifiziert werden, auch wenn man schon heute – so Wolf – „gefühlt auf zwei Indikationsgebieten Effekte sehen“ könne: bei Herzinsuffizienz und COPD. Wolf, der voll hinter dem Projekt steht: „Das muss aber noch genau evaluiert werden, doch noch ist der tatsächliche Interventionszeitraum noch zu gering.“ <<

Zitationshinweis:

Stegmaier, P.: „Der Patient und das Arzt(team) stehen im Mittelpunkt“ (06/19), S. 30-31, doi: 10.24945/MVF.06.19.1866-0533.2186

Ausgabe 06 / 2019

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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