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OA MVF 06/10: Regionale Arzneimittelausgaben: Die Schere geht weiter auseinander

24.09.2012 10:40
Arzneimittelausgaben stehen zurzeit im Fokus der gesundheitspolitischen Debatte. Ein Aspekt taucht dabei bislang allerdings kaum auf: die großen regionalen Differenzen. Wie die Zahlen von INSIGHT Health zeigen, betragen die Ausgabenunterschiede zwischen den KV-Regionen über 150 Euro je Versicherten.

>> Das sogenannte Arzneimittelsparpaket der Bundesregierung hat einen Rundumschlag vorgenommen: Neben dem erhöhten Zwangsrabatt, der (durch Aufnahme in das Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften) bereits seit 01.08.2010 erhoben wird, kommen zum Jahreswechsel u. a. noch folgende Änderungen durch das am 11.11.2010 im Bundestag verabschiedete Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) hinzu:
• Preisverhandlungen zu Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen,
• Angleichung der Impfstoffpreise auf das internationale Niveau,
• gekürzte Spanne des Pharmagroßhandels,
• erhöhter Apothekenabschlag und
• angepasste Rezepturzuschläge für parenterale Lösungen.

Neben diesen national geltenden Regelungen lohnt sich jedoch auch ein Blick auf die regionale Verteilung der Arzneimittelausgaben. So unterscheiden sich die GKV-Arzneimittelausgaben je Versicherten um bis zu 37,6 Prozent (auf Basis des aktuellen Zwölfmonatswertes der INSIGHT-Health-Datenbank NVI-KV). Dabei liegt - bei einem bundesweiten Durchschnitt von 458 Euro je GKV-Versicherten - die KV Bayern mit 412 Euro am unteren Ende und die KV Mecklenburg-Vorpommern mit 567 Euro am oberen Ende.


Ost-West-Gefälle nimmt zu
Es zeigt sich ein deutliches Ost-West-Gefälle (siehe Abbildung 1). Dieses ist bereits bei früheren Studien dokumentiert (vgl. z. B. INSIGHT Health/IGES: Arzneimittelumsätze in den KV-Regionen 2007 und 2008). Beachtlich ist dabei, dass mit Ausnahme des Saarlandes alle KV-Regionen mit überdurchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben auch einen überdurchschnittlichen Ausgabenanstieg im Vergleich zum Vorjahr aufweisen. Darüber hinaus sind die höchsten Anstiegsraten bei den drei KV-Regionen mit den höchsten Ausgaben je Versicherten zu verzeichnen. Umgekehrt gibt es nur zwei Regionen mit unterdurchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben, die einen (leicht) überdurchschnittlichen Anstieg verzeichnen (KV Hessen und KV Westfalen-Lippe).

Fazit: Die Schere geht weiter auseinander.
Für diese regionalen Differenzen gibt es zahlreiche Gründe: von Altersdurchschnitt und Einkommensniveau, über Haus- und Facharztdichte, bis zum Verordnungsverhalten der Ärzte.
Die genauen Zusammenhänge sind hierbei keineswegs trivial, sind doch die potenziellen Einflussfaktoren nicht unabhängig voneinander. INSIGHT Health hat hierzu eine deskriptive Regionalanalyse durchgeführt, die - ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben - einige interessante Aspekte zur Diskussion beisteuern kann.

Der Osten wird (schneller) älter
Während in Hamburg und Bayern nur jeder fünfte GKV-Versicherte über 65 Jahre alt ist, trifft dies in den neuen Bundesländern bereits auf jeden vierten zu. In der Altersklasse der 20- bis 50-Jährigen, deren Beitragszahlungen im Schnitt über den Gesundheitsausgaben liegen, zeigt sich das entgegengesetzte Bild: ihr Anteil liegt z. B. in Hamburg bei 45 Prozent und Bayern bei 41 Prozent, in den neuen Bundesländern dagegen nur bei 38 Prozent (vgl. Tab. 1).
Das Altersverhältnis hat sich zudem in den letzten zehn Jahren weiter auseinander entwickelt: Die Anzahl über 65 Jahre alter Versicherter ist in den neuen Bundesländern bei insgesamt sinkenden Versichertenzahlen um über 25 Prozent gestiegen, in Brandenburg sogar um 36 Prozent. In Hamburg dagegen stieg die Versichertenanzahl in dieser Altersgruppe nur um 11 Prozent, in Bayern um immer noch unterdurchschnittliche 19 Prozent.
Bei den 20- bis 50-Jährigen zeigt sich wiederum das entgegengesetzte Bild: Während die Anzahl GKV-Versicherter dieser Altersgruppe in Bayern von 2000 bis 2010 nur um drei Prozent gesunken und in Hamburg sogar um sieben Prozent gestiegen ist, sank in den neuen Bundesländern deren Anzahl um durchschnittlich 17 Prozent.


Älter = teurer?
Wie Abbildung 2 zeigt, ist der Anteil Über-65-Jähriger hoch signifikant mit den unterschiedlichen Pro-Kopf-Ausgaben in den einzelnen Regionen korreliert (r = 0.616). Die „Ausreißer“ Schleswig-Holstein und Brandenburg auf der einen sowie Hamburg und Berlin auf der anderen Seite sind zum Teil auf den sog. Umlandeffekt zurückzuführen: so wird das ambulante Versorgungssystem der Stadtstaaten auch von Einwohnern des Umlands in Anspruch genommen. Als alleinige Erklärungsvariable reicht das Alter allerdings nicht aus. So könnte man etwa bei einer ausschließlichen Betrachtung der KV-Regionen Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen den Eindruck gewinnen, dass aus einem höheren Anteil Über-65-Jähriger geringere Arzneimittelausgaben resultieren. Daher sollten weitere Erklärungsparameter gesucht werden.
INSIGHT Health hat daher im Rahmen ihrer aktuellen Regionalanalyse** auch weitere Parameter untersucht, die hier nur kurz angerissen werden sollen. So wird z. B. die Arztdichte (Anzahl Ärzte je 100.000 Versicherte) häufig zur Erklärung von Ausgabenunterschieden im ambulanten Bereich herangezogen. Allerdings ist dieser Zusammenhang auf der Ebene des gesamten Arzneimittelmarktes nur bedingt vorhanden und kann vor allem zur Erklärung der überdurchschnittlichen Arzneimittelausgaben in Hamburg und Berlin herangezogen werden. In den Stadtstaaten liegt die Arztdichte gut 35 Prozent über dem Bundesdurchschnitt.
Ein weiterer Parameter zur Erklärung der Ausgabenunterschiede liegt in dem Verordnungsverhalten der Ärzte selbst. Zwar hängt dieses auch von der Struktur der Versicherten- resp. Patientenklientel ab, doch erklärt die Versichertenstruktur nicht alle Differenzen. Beispielsweise haben die sechs KV-Regionen mit den höchsten Pro-Kopf-Ausgaben die höchsten Verordnungsanteile patentgeschützter Arzneimittel und überdurchschnittlich hohe Aut-idem-Quoten. Bei den Aut-idem-Quoten fallen zudem die großen Unterschiede zwischen den einzelnen KVen auf: Während in der KV Schleswig-Holstein bei jeder vierten Verordnung Aut idem ausgeschlossen wird, setzen die Ärzte der KV Bayern das Kreuz bei nicht einmal jeder zwölften Verordnung.
Angesichts des hohen Ausgabendrucks sollten sämtliche Potenziale zur Einsparung genutzt werden. Und hierbei scheint sich – wie die hier skizzierten Ergebnisse der Regional-analyse zeigen - ein Blick über die KV-Grenzen hinweg zu lohnen. <<


von: Christian Bensing/Dr. André Kleinfeld

 

Christian Bensing, Dr. André Kleinfeld

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Open Access-PDF zum Zitieren (Zitationshinweis :Kleinfeld, A., Bensing, C.: „Regionale Arzneimittelausgaben:  Die Schere geht weiter auseinander“. In: "Monitor Versorgungsforschung" (MVF) 06/10, S. 14 ff.

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