Sie sind hier: Startseite Abstracts Open Access 2014 „Letzten Endes ist es eine Frage der Kultur“
x
Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.

„Letzten Endes ist es eine Frage der Kultur“

28.05.2013 10:30
Als der US-Gesundheitsökonom Prof. Dr. Uwe E. Reinhardt, Princeton University, das letzte Mal auf einem Jahreskongress des Bundesverband Managed Care sprach, bemängelte er vor allem, dass sich in der gesundheitspolitischen Debatte in Deutschland alles immer nur um die Einkommensverteilung, nicht um die Patienten drehe. Das war im September 2000. Im Januar 2014 war er wieder da und betitelte auf dem BMC-Kongress Obamacare als ein „ekliges Pflaster für ein ekliges System“. „Monitor Versorgungsforschung“ sprach mit dem streitbaren Ökonomen, der kein Blatt vor den Mund nahm: „Als Projektmanager haben der Präsident und seine Leute versagt.“

http://doi.org/10.24945/MVF.02.14.1866-0533.1928

>> Herr Professor Reinhardt, warum funktioniert das Gesundheitssystem – egal in welchem Land – meist nicht so wie es funktionieren sollte?
Es gibt mehrere Gründe. Erstens mag ein politischer Konsens fehlen, wie das Gesundheitssystem eines Landes überhaupt funktionieren soll. Die Liberalen in Deutschland haben da ganz andere Ideen wie beispielsweise die Mitglieder der SPD. In Amerika ist die Meinungsbreite in dieser Hinsicht sogar noch viel größer. Zweitens, selbst wenn es einen Konsens gibt, wie das Gesundheitssystem im Idealfall funktionieren sollte, wird das reale System oft durch perverse Anreize aus der Bahn geworfen. Und das passiert nicht nur im Gesundheitssystem. Das passiert in einigen Branchen der Wirtschaft.

Welche haben Sie da im Sinn?
Blicken wir doch einmal auf die Bankenbranche. Im Prinzip haben Banken zwei wirtschaftliche Aufgaben: Gelder von Sparern effizient zu produktiven Investitionen zu schleusen und sowie einen Markt für Risikotransfers zu schaffen, durch den zum Beispiel Mercedes Benz das Risiko einer Veränderung des Dollar-Euro-Kurses durch Devisenoptionen an andere Personen oder Institutionen verlagern kann. Zusätzlich haben aber die Banken in den letzten zwei Jahrzehnten große finanzielle Anreize gehabt, nebenbei auch ein riesiges, weltweites Spielkasino aufzubauen und selbst darin mitzuspielen; und zwar mit den Geldern der Sparer. Und damit haben sie weltweit die Volkswirtschaften fast zum Zusammenbrechen gebracht. So einen großen Unfug hat das Gesundheitssystem keines einzigen Landes jemals auf die Beine gestellt. Wenn man sich die Bilanz einer Bank vor 2007 ansieht und feststellt, dass nur drei Prozent Eigenkapital vorhanden ist, sollte man – ein bisschen angewandter Menschenverstand vorausgesetzt – mit einer solchen Bank besser keine Geschäfte machen. Doch genau das ist passiert. Und warum? Weil jeder hoffte und eigentlich wusste, dass im Falle eines Falles, wenn alles schief geht, der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird, um für die Banken die heißen Kartoffeln aus dem Feuer zu hohlen. Dieser sogenannte „Moral Hazard“ gab den Chefs der Banken völlig falsche Anreize. Kurz gesagt: Es ist nützlich, Gesundheitssysteme konstruktiv zu kritisieren, was wir ja auch immer wieder tun, aber im Vergleich mit der Bankenbranche sind Gesundheitssysteme überall eigentlich doch ganz brave Burschen.

In Deutschland wird vieles, was aus den USA kommt, gern als innovativer Schritt nach vorne gesehen. Sie dagegen sehen das Gesundheitssystem in Amerika, das durch Obama verbessert worden ist, ziemlich kritisch. Welche Gründe führten denn zu dieser großen Gesundheitsreform, dem Affordable Care Act, der gern als „Obamacare“ apostrophiert wird?
Über viele Jahre hinweg hatten die Anbieter>> Herr Professor Reinhardt, warum funktioniert das Gesundheitssystem – egal in welchem Land – meist nicht so wie es funktionieren sollte?
Es gibt mehrere Gründe. Erstens mag ein politischer Konsens fehlen, wie das Gesundheitssystem eines Landes überhaupt funktionieren soll. Die Liberalen in Deutschland haben da ganz andere Ideen wie beispielsweise die Mitglieder der SPD. In Amerika ist die Meinungsbreite in dieser Hinsicht sogar noch viel größer. Zweitens, selbst wenn es einen Konsens gibt, wie das Gesundheitssystem im Idealfall funktionieren sollte, wird das reale System oft durch perverse Anreize aus der Bahn geworfen. Und das passiert nicht nur im Gesundheitssystem. Das passiert in einigen Branchen der Wirtschaft.

Welche haben Sie da im Sinn?
Blicken wir doch einmal auf die Bankenbranche. Im Prinzip haben Banken zwei wirtschaftliche Aufgaben: Gelder von Sparern effizient zu produktiven Investitionen zu schleusen und sowie einen Markt für Risikotransfers zu schaffen, durch den zum Beispiel Mercedes Benz das Risiko einer Veränderung des Dollar-Euro-Kurses durch Devisenoptionen an andere Personen oder Institutionen verlagern kann. Zusätzlich haben aber die Banken in den letzten zwei Jahrzehnten große finanzielle Anreize gehabt, nebenbei auch ein riesiges, weltweites Spielkasino aufzubauen und selbst darin mitzuspielen; und zwar mit den Geldern der Sparer. Und damit haben sie weltweit die Volkswirtschaften fast zum Zusammenbrechen gebracht. So einen großen Unfug hat das Gesundheitssystem keines einzigen Landes jemals auf die Beine gestellt. Wenn man sich die Bilanz einer Bank vor 2007 ansieht und feststellt, dass nur drei Prozent Eigenkapital vorhanden ist, sollte man – ein bisschen angewandter Menschenverstand vorausgesetzt – mit einer solchen Bank besser keine Geschäfte machen. Doch genau das ist passiert. Und warum? Weil jeder hoffte und eigentlich wusste, dass im Falle eines Falles, wenn alles schief geht, der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird, um für die Banken die heißen Kartoffeln aus dem Feuer zu hohlen. Dieser sogenannte „Moral Hazard“ gab den Chefs der Banken völlig falsche Anreize. Kurz gesagt: Es ist nützlich, Gesundheitssysteme konstruktiv zu kritisieren, was wir ja auch immer wieder tun, aber im Vergleich mit der Bankenbranche sind Gesundheitssysteme überall eigentlich doch ganz brave Burschen.

In Deutschland wird vieles, was aus den USA kommt, gern als innovativer Schritt nach vorne gesehen. Sie dagegen sehen das Gesundheitssystem in Amerika, das durch Obama verbessert worden ist, ziemlich kritisch. Welche Gründe führten denn zu dieser großen Gesundheitsreform, dem Affordable Care Act, der gern als „Obamacare“ apostrophiert wird?
Über viele Jahre hinweg hatten die Anbieter

Zitationshinweis: doi: 10.24945/MVF.02.14.1866-0533.1928

 

...

Printmagazin abonnieren

Einzelheft bestellen

Ausgabe im Archiv (nur für angemeldete Benutzer/Abonnenten)

Ausgabe 02 / 2014

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

Gemeinsamer Priorisierungskatalog

« Dezember 2022 »
Dezember
MoDiMiDoFrSaSo
1234
567891011
12131415161718
19202122232425
262728293031