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Rheuma-Biologika: Patientenprofile und Komedikation

03.04.2017 14:00
Die Therapie der Rheumatoiden Arthritis konnte zur Jahrtausendwende stark vom pharmazeutischen Fortschritt profitieren. Mit Hilfe krankheitsmodifizierender Wirkstoffe gelingt es seither in vielen Fällen, das Fortschreiten der chronischen Erkrankung zum Stillstand zu bringen. Neben TNF-α-Blockern (ab 1999) stehen seit 2002 auch Interleukin-Rezeptor-Antagonisten für die Behandlung der diversen rheumatischen Erkrankungen zur Verfügung. Der folgende Beitrag erläutert, wie die Biologika im Versorgungsalltag zum Einsatz kommen und welche Patienten diese Therapeutika vornehmlich erhalten.

>> Die Rheumatoide Arthritis ist mit einer Inzidenz von 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung in Deutschland die häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke. Sie gilt als Systemerkrankung, bei der in schweren Fällen neben den Gelenkentzündungen auch innere Organe wie beispielsweise Herz und Lunge, aber auch die Augen betroffen sein können. Die Rheumatoide Arthritis kann in jedem Lebensalter auftreten, meist jedoch zwischen dem 40. bis 60. Lebensjahr und ist für Patienten mit chronischen Schmerzen und Funktionseinschränkungen verbunden (vgl. Deutsche Rheuma-Liga).

Komplexe Pharmakotherapie

Zentraler Bestandteil der Behandlung ist eine komplexe Pharmakotherapie, mit deren Einsatz ein Fortschreiten der Erkrankung deutlich verlangsamt oder sogar zum Stillstand gebracht werden kann. Entscheidend für den Therapieerfolg und damit die Chance auf eine vollständige Remission ist zudem ein möglichst frühzeitiger Behandlungsbeginn. Unterstützend werden zum besseren Erhalt der Gelenkfunktionen Physio- und auch Ergotherapie eingesetzt, bei Bedarf individuell ergänzt durch psychologische und sozialmedizinische Maßnahmen.
Bei den Medikamenten zur Rheumatherapie werden grundsätzlich zwei Gruppen unterschieden. Einerseits ist die krankheitsmodifizierende Therapie von zentraler Bedeutung. Deren Ziel ist es, die übersteigerte Reaktion des Immun-systems zu verringern und somit das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Für diese Basismedikation stehen seit einigen Jahrzenten die sogenannten DMARDs (Disease Modifying Antirheumatic Drugs) zur Verfügung. Gemäß der S1-Leitlinie „Medikamentöse Therapie der Rheumatoiden Arthritis“ der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie ist Methotrexat hier der Wirkstoff erster Wahl. Ein GKV-Verordnungsanteil von 52,4 Prozent an allen DMARDs im vergangenen Jahr bestätigt dessen breiten Einsatz im Versorgungsalltag (Quelle: regioMA, INSIGHT Health). Wirkt Methotrexat nicht ausreichend, kann es mit einem zweiten DMARD kombiniert werden oder es wird anstelle dessen ein anderes Basismedikament verordnet. Dazu stehen beispielsweise Leflunomid und Sulfasalazin zur Verfügung. Die zweite Gruppe bilden Arzneimittel zur symptomatischen Therapie, die die Krankheitszeichen wie Schmerz und Gelenksteife verringern. Die symptomatische Therapie erfolgt einerseits mittels nicht-steroidaler Antirheumatika (NSAR), diese hemmen die Bildung entzündungsfördernder Botenstoffen und können dadurch die schmerzhaften Entzündungsprozesse an den Gelenken eindämmen. Daneben wird regelhaft Kortison als Ergänzung der Basistherapie eingesetzt: Bei Krankheitsschüben wird es in einer etwas höheren Dosierung über einen kurzen Zeitraum verwendet, sodass Schmerzen schnell zurückgehen und sich die Gelenkfunktion verbessert.

Paradigmenwechsel durch Biologika?

In einer frühen Phase der Erkrankung kann die Rheumatoide Arthritis in bis zu 50 Prozent der Fälle durch entsprechenden Einsatz der Basismedikation zum Stillstand gebracht werden und sogar für Monate oder Jahre inaktiv bleiben (Quelle: Internisten im Netz). Bei hoher Krankheitseffektivität, die Gelenkschäden und -zerstörungen nach sich zieht und für Patienten, die nur unzureichend oder gar nicht auf die Therapie mit Basismedikamenten ansprechen, empfiehlt die Leitlinie zusätzlich eine Biologika-Therapie. Zu dieser Substanzgruppe zählen in erster Linie die Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α-Blocker) sowie diverse Interleukin-Rezeptor-Antagonisten.
Wie Abbildung 1 zeigt, sind die TNF-α-Blocker neben der Rheumatoiden Arthritis auch für die Behandlung von Patienten mit weiteren Autoimmunerkrankungen zugelassen. Dabei zeigt der Wirkstoff Adalimumab das größte Spektrum an Zulassungen beispielsweise auch für Psoriasis-Arthritis und chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Um in den folgenden Abschnitten auf die Biologika-basierte Therapie der Rheumatoiden Arthritis zu fokussieren, wurden alle derzeit in Deutschland für diese Indikation zugelassenen TNF-α-Blocker und Interleukin-Rezeptor-Antagonisten ausgewählt. Gleichzeitig können damit die beiden nach Verordnungen sowie nach Umsatz relevantesten Wirkprinzipien in der fortgeschrittenen Behandlung betrachtet und auch vergleichend bewertet werden.

Patienten mit Biologika-Therapie

Für die folgende Analyse werden GKV-Patienten betrachtet, die im Jahr 2016 mindestens eine Verordnung für die in der S1-Leitlinie empfohlene RA-Basismedikation mit Methotrexat, Leflunomid und/oder Sulfasalazin erhielten (Quelle aller folgenden Datenanalysen: Patient INSIGHTS, INSIGHT Health).
Die Fokus-Gruppe besteht demnach aus Patienten mit diversen rheumatischen Erkrankungen, für die diese Wirkstoffe zugelassen sind. Ausgehend von dieser Gruppe erhielt einer von zehn Patienten außerdem eine Verordnung für eines der sieben betrachteten Biologika. Wie Abbildung 2 zeigt, handelt es sich bei 35,7 Prozent dieser Patienten um eine Therapie mit dem verordnungsstärksten TNF-α-Blocker Adalimumab.
31,0 Prozent der Patienten, die neben ihrer DMARD-Verordnung auch ein Biologikum erhalten, sind zwischen 50 und 59 Jahre alt und mit 68,8 Prozent gehören über zwei Drittel zur Gruppe der 40- bis 69-Jährigen. Während der Interleukin-Rezeptor-Antagonist Tocilizumab mit durchschnittlich 54 Jahren das älteste Patientenprofil aufweist, sind Patienten, die zusätzlich zur Basistherapie Anakinra erhalten, im Schnitt 8 Jahre jünger. Vergleichbar den Verhältnissen bei der Basistherapie, ist die Mehrzahl der Patienten, die zusätzlich mit einem Biologikum behandelt werden, weiblich (66,2 Prozent). Dabei weisen Tocilizumab und Certolizumab pegol mit über 71 Prozent die relativ höchsten Anteile weiblicher Patienten auf. Bei dem Wirkstoff Anakinra, mit einem deutlich jüngeren Patientenprofil, sind hingegen mit 55,3 Prozent nur etwas mehr als die Hälfte der Patienten weiblich.
Der Schwerpunkt der ambulanten Arzneimittelversorgung bei Rheumatoider Arthritis findet bei Rheumatologen statt: 61,3 Prozent der Biologika-Verordnungen werden von dieser Facharztgruppe ausgestellt. Mit lediglich 3,5 Prozent Verordnungsanteil spielen Allgemeinmediziner bei der Biologika-Therapie keine zentrale Rolle. Dies spricht dafür, dass Patienten mit einem schwerwiegenden Verlauf der Rheumatoiden Arthritis von einem spezialisierten Arzt behandelt werden.

Die Komedikation im Fokus

Um die negativen Auswirkungen einer Methotrexat-Therapie abzumildern, erhält fast jeder zweite Patient mit Rheuma-Basismedikation und Biologikatherapie Fol- und Folinsäure (46,2%). Somit wird diese Leitlinienempfehlung zur adjuvanten Therapie auch im Versorgungsalltag weitreichend umgesetzt. Darüber hinaus geht die Biologika-Therapie der betrachteten Gruppe mit einer häufigeren Behandlung mit systemischen Kortikosteroide und NSAR einher. Die Vermutung liegt nahe, dass sich dieser Umstand mit einer erhöhten Krankheitsbelastung der Patienten erklären lässt. Hoch spannend ist hier die Feststellung, dass Herz-Kreislauf-Therapeutika (ATC-Klasse C) bei der Patientengruppe mit zusätzlicher Biologika-Therapie in deutlich reduziertem Maße verordnet werden (vgl. Abb. 2). So erhalten beispielsweise 6,0 Prozent weniger der Patienten Betarezeptoren-Blocker. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Behandlung mit Biologika systemische Komorbiditäten insbesondere im Herz-Kreislauf-Bereich reduziert.
Bei Betrachtung der Begleitmedikation auf Substanzebene dominieren neben Folsäurepräparaten Prednisolon, Pantoprazol, Ibuprofen und Metamizol. Insbesondere das Kortikosteroid Prednisolon begleitet die Therapie bei über der Hälfte der Patienten (54,4 Prozent). Aufgrund der magenschädlichen Nebenwirkungen von Antiphlogistika und Kortikosteroiden ist eine Begleittherapie mit Ulkustherapeutika häufig. So erhalten in der betrachteten Patientengruppe 36,8 Prozent den Protonenpumpenhemmer Pantoprazol.
In der Analyse zeigt sich, dass Patienten, die die beiden Interleukin-Antagonisten Anakinra oder Tocilizumab erhalten, tendenziell häufiger zusätzlich mit Kortikosteroiden behandelt werden: Während 4 von 5 Tocilizumab-Patienten auch ein systemisches Kortikosteroid erhalten, ist es bei dem TNF-α-Blocker Adalimumab lediglich jeder zweite. Ebenso ist bei Patienten, die einen der Interleukin-Antagonisten erhalten, die Komedikation mit Ulkustherapeutika häufiger. Adalimumab-, Golimumab- und Infliximab-Patienten erhalten hingegen vergleichsweise wenige Zusatztherapien. Für einen fundierten Vergleich der einzelnen Substanzen sind jedoch eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Wirkweisen sowie eine genaue Differenzierung der Anwendung in abweichenden Indikationen erforderlich.

Fazit

Insgesamt ergibt sich aus den Analysen zu den Patientenprofilen, Therapiestufen und der Komedikation ein Abbild der derzeitigen Versorgungsrealität von mit Biologika behandelten Rheumapatienten. Die Erkenntnisse zur medikamentösen Begleittherapie zeigen erhebliche Unterschiede zwischen den betrachteten Substanzen und zeigen ausschnittsweise die Komplexität der Pharmakotherapie bei Rheumatoider Arthritis auf. Dabei wird ersichtlich, dass sich für Patienten und ihre behandelnden Ärzte nicht nur die Option Basistherapeutikum und/oder Biologikum stellt, sondern das Therapiemanagement insgesamt auch durch die individuell adaptierte Auswahl von adjuvanten bzw. nebenwirkungsreduzierenden Substanzen geprägt wird. Die Behandlung der Mehrzahl dieser betrachteten Patienten durch Rheumatologen trägt somit der Anforderung an die Komplexität der Therapie rheumatischer Erkrankungen Rechnung. <<


Autoren: Dr. Hans-Jürgen Schweyda,
Jana Heiler und Kathrin Pieloth*

Ausgabe 02 / 2017

Editorial

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Prof. Dr.
Reinhold
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