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Nullmeridian der „letzten Meile“

03.04.2017 14:00
„Gegenstand der Versorgungsforschung ist die „letzte Meile“ des Gesundheitssystems“. Diesen Satz schrieb Holger Pfaff im Kapitel „Begriffsbestimmung, Gegenstand und Aufgaben“ des bereits im Juni 2003 erschienenen Fachbuchs „Gesundheitsversorgung und Disease Management: Grundlagen und Anwendungen der Versorgungsforschung, herausgegeben von Pfaff, Matthias Schrappe, Karl W. Lauterbach, Udo Engelmann und Marco Halber. Seit dieser Zeit wird der Begriff der „letzten Meile“ vor allem Prof. Dr. Holger Pfaff vom Zentrum für Versorgungsforschung Köln (ZVFK) der Universität Köln zugeschrieben; auch wenn dessen Herleitung mehr eine Gemeinschaftsarbeit war, die vor allem auf die zweier Menschen in zwei ganz verschiedenen, aber sich sehr gut ergänzenden Funktionen verstanden werden muss: Pfaff auf der einen und Prof. Dr. Matthias Schrappe auf der anderen Seite, jener zu dieser Zeit bei der Universität Köln unter anderem zuständig für Qualitätsmanagement – beide bildeten sozusagen den Nullmeridian der „letzten Meile“.

http://doi.org/10.24945/MVF.02.17.1866-0533.2008

>> „Unter dem Begriff der letzten Meile des Gesundheitssystems ist die konkrete Kranken- und Gesundheitsversorgung in den Krankenhäusern, Arztpraxen und sonstigen Gesundheitseinrichtungen zu verstehen, in deren Rahmen die entscheidenden Versorgungsleistungen zusammen mit dem Patienten erbracht werden.“ Bis heute wird an der von Pfaff und seinen Mitstreitern verfassten Definition der „letzten Meile“ nicht gerüttelt; im Gegenteil: Sie ist ebenso stimmig wie eh und je.
Gesehen und verstanden werden  muss die damalige Definitionsarbeit im Rahmen des „Ersten
Deutschen Kongresses der Versorgungsforschung“, desssen Tagungsband eben jenes Fachbuch „Gesundheitsversorgung und Disease Management“, erschienen im Huber-Verlag, war. Beide – Kongress und Buch – machten den durchaus etwas sperrigeren Begriff „Versorgungsforschung“ mit dem einprägsameren Claim „Letzte Meile“ bekannt.
Das sei eine „Umbrella-Formulierung“ gewesen, wie Pfaff diesen Begriff nennt;  denn man benötige zur Benennung eines Forschungsfeldes einen übergreifenden,  anschlussfähigen und nicht zu engen Begriff. Pfaff: „Damit einerseits jeder sofort versteht, um was es sich ungefähr handelt, und trotzdem etwas Interpretationsspielraum bleibt, damit sich genügend viele Wissenschaftler unter diesem Regenschirm-Begriff  versammeln können.“ Genau das  der Kölner Nukleus – der als Nullmeridian der deutschen Versorgungsforschung gesehen werden kann – nicht nur verstanden, sondern in ein sorgsam ausgearbeitetes – wenn auch nie schriftlich formuliertes – Konzept eingebettet. Ein wichtiger Punkt darin war, dass die Kölner Initiatiorengruppe – aus der später das Netzwerk für Versorgungsforschung (DNVF) entstanden ist – gleich den „Ersten Deutschen Kongress der Versorgungsforschung“ veranstaltet hat, um von vorne herein zu untermauern, dass der Präfix „Erster“ nahezu zwanghaft einen „Zweiten“ und „Dritten“ verlangt – bis hin zum nun schon 16. Kongress, der in diesem Jahr vom 4. bis 6. Oktober erneut in der Berliner Urania stattfinden wird.
Zum anderen hat der gemeinnützige Verein „Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e.V.“ (DNVF), am 2. Mai 2006 in Berlin von der „Ständigen Kongresskommission“ des „Deutschen Kongresses für Versorgungsforschung“ (DKVF) gegründet, von vorneherein neben natürlichen Personen explizit medizinische Fachgesellschaften (zu Beginn immerhin gleich 26, heute sind es 51) aufgenommen.  Um diesen aktiven Schulterschluss mit der Medizin zu untermauern, wurden obendrein die ersten 14 DKVF-Kongresse als Addon-Veranstaltungen der großen Kongresse dieser Fachgesellschaften veranstaltet. Zwar blieb damit (und immerhin bis 2015) die mediale Alleinwirkung eines eigenen Kongresses minimiert, doch wurde das wichtigste Ziel erreicht: Versorgungsforschung als systembegleitender Bestandteil der Medizin zu verankern.

Die Gründung des IMVR

Kurz nachdem der in den TU in Konstanz und Berlin ausgebildete  Verwaltungswissenschaftler – interdisziplinär geschult in Volkswirtschaftslehre, Jura, Soziologie und Psychologie, ergänzt durch Politikwissenschaft – in Köln die Professur für Medizinsoziologie erhielt, kam der Anruf von Schrappe, zu dieser Zeit Qualitätsmanager der Kölner Uniklinik. Dessen damaliges (bis heute aktuell gebliebenes) Problem: ungenügende  Anwendung der evidenzbasierten Leitlinien. Die Frage lautete, wie man sozialwissenschaftliches Wissen nutzen kann, um die Leitlinien-Compliance zu erhöhen. „Mit diesem Anruf hat die Medizin der Public Health die Hand gegeben“, erinnert sich Pfaff an den Startpunkt der Zusammenarbeit zurück. Das sei die „Keimzelle“ der Institutionalisierung der Versorgungsforschung „made in Köln“ gewesen. Natürlich gab es damals diese Fachrichtung bereits auch anderswo in unseren Landen, aber eben nicht unter dem expliziten Rubrum „Versorgungsforschung“.  
Unter anderem mit dieser, durch den Anruf Schrappes ausgelösten Forschungstä-tigkeit begann eine Zusammenarbeit, die in der Gründung des Zentrums für Ver-sorgungsforschung Köln (ZVFK) im Jahr 2001 und in der Durchführung des ersten Deutschen Kongress für Versorgungsforschung mündete. Jahre später ergab sich 2009 aufgrund von zwei Rufen und anschließender Bleibeverhandlung die Möglichkeit, das „Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR)“  zu gründen. Das erklärte Ziel des IMVR, einer gemeinsamen wissenschaftlichen Einrichtung der Human-
wissenschaftlichen Fakultät und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln: Die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und gleichzeitig effizienten gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung im Lebenslauf, das eines der zentralen Zukunftsprobleme unserer Gesellschaft darstellt.
Zur Lösung dieses Problems kann, so ist auf dem Portal des Instituts nachzulesen,  die Wissenschaft in besonderem Maße beitragen, wenn einschlägig relevante Fächer wie Medizin, Rehabilitationswissenschaft, Heilpädagogik, Psychologie und Soziologie ihre Kräfte bündeln und zielgerichtet zusammenarbeiten. Die Humanwissenschaftliche und die Medizinische Fakultät waren und sind sich dieser besonderen Problemstellung bewusst und haben mit der Gründung des IMVR eine engere, problemorientierte Vernetzung ihrer Wissensdisziplinen angestrebt. Unter anderem sollte durch die Errichtung einer Brückenprofessur und des Brückeninstituts „Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft“ (IMVR) diesem Ziel konkret Ausdruck verliehen werden.
Das IMVR besteht aus den Abteilungen Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft sowie der Geschäftsstelle des Zentrums für Versorgungs-forschung Köln (ZVFK). Die Arbeitsgruppen des Instituts verfügen über langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der empirischen Sozialforschung (Befragungsmethoden, Studiendesigns, Auswertungsmethoden, Evaluationsmethoden) und zeichnen sich durch eine hohe Expertise in der Planung, Organisation, Durchführung und Auswertung von Studien in Versorgungseinrichtungen (z.B. Krankenhaus oder Rehabilitationseinrichtung) sowie in der Befragung von Patienten, Mitarbeitern und Führungskräften aus.
Ebenso werden diverse Forschungsprogramme durchgeführt. Wie etwa eines zu „Interaktion und Organisation in der Versorgung“, das in der Abteilung Medizinsoziologie angesiedelt ist. Ziel dieses Forschungsprogramms ist es, Wissen zu den individuellen und organisationalen Voraussetzungen einer patientenzentrierten Versorgung zu generieren. Auf dieser Basis soll ein Beitrag zur Verbesserung der Versorgung geleistet werden, der es ermöglicht, das psychische, physische und soziale Wohlbefinden sowie die Gesundheitskompetenz der Betroffenen wiederherzustellen, aufrechtzuerhalten oder zu steigern.
Ein zweites Forschungsprogramm, diesmal aus der Abteilung Versorgungsforschung, beschäftigt sich mit der „Performance von Versorgungsorganisationen“. Im Blickpunkt steht die organisationale Ausgestaltung der Leistungserbringung im Gesundheitswesen. Untersucht werden Versorgungsstrukturen und -prozesse sowie die daraus resultierende Ergebnisqualität. Neben der berufsgruppenübergreifenden und krankheitsunspezifischen Analyse des organisationalen Verhaltens (z.B.: Qualitätsverhalten, Implementationsverhalten, Innovationsverhalten, Führungsverhalten) werden hierfür geeignete Untersuchungsinstrumente entwickelt und validiert.
Auch die Abteilung Rehabilitationswissenschaft widmet sich einem Forschungsprogramm, und zwar zur „Arbeit, Gesundheit und Rehabilitation“. Dieses Forschungsprogramm befasst sich mit dem Einfluss arbeitsorganisatorischer, persönlicher und sozialer Faktoren auf die Gesundheit und nimmt dabei gleichermaßen präventive und rehabilitative Fragestellungen in den Blick. Bisherige Untersuchungen befassten sich beispielsweise mit persönlichen und organisationalen Ressourcen und Gesundheitsdeterminanten wie der Work-Life-Balance, dem Sozialkapital oder dem Work-Engagement. Ein Ziel des Forschungsprogramms ist es, gesundheitsfördernde Schutzfaktoren und Strategien zu erkennen, die die Erwerbsfähigkeit der Beschäftigten langfristig erhalten helfen oder wiederherstellen. Daneben werden im Rahmen von organisationsvergleichenden Analysen Unterschiede und Gemeinsamkeiten erfasst und Zusammenhänge mit gesundheitsrelevanten Outcomes aufgezeigt.
Mit dem Erhalt der BMBF-basierten Strukturförderung 2017 hat das IMVR die Leitung des neu zu gründenden Kölner Netzwerks für Versorgungsforschung (CoRe-Net) übernommen und damit einen weiteren wichtigen Meilenstein erreicht. In dem vom BMBF strukturfinanzierten CoRe-Net arbeiten unter der Koordination des ZVFK und des IMVR drei Fakultäten und neun Institute/Seminare der Universität zu Köln zusammen, um die Versorgung im Raum Köln durch Innovationen voranzubringen und sie als innovative Modellregion zu etablieren. <<
von:  MVF-Chefredakteur Peter Stegmaier <<

Zitationshinweis: doi:10.24945/MVF.02.17.1866-0533.2008

Ausgabe 02 / 2017

Editorial

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Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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