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Zahnmedizinische Prophylaxe bei Kindern und Jugendlichen mit Gamification

Bereits 1927 erkannte der Zahnmediziner Alfred Kantorowicz, dass Plaque (bakterielle Zahnbeläge) Einfluss auf die Zahngesundheit hat und kariöse Stellen entstehen können (Kantorowicz 1927: 386). Da Karies eine der häufigsten Krankheiten in der Gesellschaft ist (Rupf et al. 2019: 336), besteht Bedarf an vorbeugenden Maßnahmen durch die zahnmedizinische Prophylaxe (Schubert 2010: 347). Die Kariesentstehung kann durch entsprechende Prophylaxemaßnahmen verhindert werden. Neben der halbjährlichen Untersuchung durch den Zahnarzt bzw. die Zahnärztin, der Anwendung von Fluoriden und der richtigen Ernährung ohne übermäßigen Zuckerkonsum gehört das tägliche Zähneputzen zu den vier Merkmalen der zahnmedizinischen Prophylaxe (Deutscher Arbeitskreis für Zahnheilkunde 2016). Insbesondere im Kindes- und Jugendalter ist es wichtig diese Zielgruppe über die Pflege ihrer Zähne aufzuklären und sie dazu zu animieren, denn fehlende oder falsche Oralprophylaxe in diesem Alter kann zu lebenslangen Problemen und Auswirkungen in der Zahngesundheit führen (Straehle et al. 1996: 13). Daher ist es notwendig, die Kinder früh an die Zahnpflege heranzuführen und mit der häuslichen Oralhygiene schon vor dem Durchbruch des ersten Zahns zu beginnen (Hertwig 2019: 69). Zum einen sollten die Kinder die richtige Zahnputztechnik erlernen, zum anderen sollte das tägliche Zähneputzen zu einer routinemäßigen Gewohnheit werden (Jacobson 2016).

doi: http://doi.org/10.24945/MVF.05.20.1866-0533.2252

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Abstract

Hintergrund: Die Wirksamkeit von Zahnputz-Applikationen ist bislang wenig empirisch untersucht worden. Die Studie beschäftigt sich mit der zahnmedizinischen Prophylaxe von Kindern und Jugendlichen und untersucht die Wirkung der Applikation „ZahnHelden“ in Bezug auf deren Nutzen im Bereich der Mundhygiene.
Methodik: In der experimentellen Untersuchung, die im September und Oktober 2017 in einer Zahnarztpraxis in Essen durchgeführt wurde, putzten sich Kinder und Jugendliche (n=24) im Alter von 6 bis 17 Jahren in der ersten Sitzung ohne und in der zweiten Sitzung mit Hinzuziehen der Zahnputz-Applikation ihre Zähne. Im Anschluss beider Sitzungen wurde jeweils der Plaqueindex nach Quigley und Hein (QHI) bestimmt. Nach der zweiten Sitzung wurde eine kurze mündliche Befragung durchgeführt. Die statistischen Auswertungen wurden mit SPSS in der Version 21 durchgeführt.
Ergebnisse: Bei fast allen Teilnehmenden können reduzierte Plaquewerte festgestellt werden. Dabei zeigt der T-Test für gepaarte Stichproben ein statistisch hoch signifikantes Ergebnis (p=0,002). Die größten Verbesserungen sind bei den Kindern zwischen 6 und 11 Jahren und bei männlichen Teilnehmenden zu verzeichnen. Die Auswertung des Fragebogens hat ergeben, dass keiner der Probanden und Probandinnen zuvor eine Zahnputz-App benutzt hat und sie die Nutzung der Applikation als einfach, motivierend und spaßig wahrgenommen haben. Fast 80% der Teilnehmenden würden die App ihren Freunden und Freundinnen weiterempfehlen und mehr als die Hälfte der Teilnehmenden möchten die App weiterhin zu ihrer häuslichen Mundhygiene hinzuziehen.
Fazit: Trotz des positiven Einflusses der Zahnputz-App „ZahnHelden“ auf die Mundhygiene müssen weitere Studien durchgeführt werden, um die Langzeitwirkung des Gamification-Ansatzes im zahnmedizinischen Bereich zu untersuchen.


Dental prophylaxis in children and adolescents with gamification – Effectiveness of health apps in dental prophylaxis
Background: The effectiveness of toothbrush applications has not been empirically investigated to date. The study deals with dental prophylaxis in children and adolescents and examines the effect of the application „ZahnHelden“ in terms of its usefulness in oral hygiene.
Methodology: In the experimental study, which was conducted in September and October 2017 in a dental practice in Essen, Germany, children and adolescents (n=24) aged 6 to 17 years cleaned their teeth in the first session without and in the second session with the toothbrush application. After both sessions the plaque index according to Quigley and Hein (QHI) was determined. After the second session a short oral examination was conducted. The statistical evaluations were performed with SPSS version 21.
Results: Reduced plaque values were found in almost all participants. The T-test for paired samples showed a statistically highly significant result (p=0.002). The greatest improvements were observed in children between 6 and 11 years of age and in male participants. The evaluation of the questionnaire showed that none of the test persons had used a toothbrush app before and they perceived the use of the application as easy, motivating and funny. Almost 80% of the participants would recommend the app to their friends and more than half of the participants would like to continue using the app for their oral hygiene at home.
Conclusion: Despite the positive influence of the „ZahnHelden“ toothbrush app on oral hygiene, further studies are needed to investigate the long-term effect of the gamification approach in the dental field.


Keywords
Pandemic, SARS-CoV-2, Covid-19, epidemiology, prevention, sociopolitical relevance

Laura Elsenheimer BA / Prof. Dr. rer. medic. Gerald Lux / Prof. Dr. rer. medic. David Matusiewicz

Literatur:

Berg. A. (2017): Kinder und Jugend in der digitalen Welt. In: https://www.bitkom.org/Presse/Anhaenge-an-PIs/2017/05-Mai/170512-Bitkom-PK-Kinder-und-Jugend-2017.pdf, (abgerufen 21.04.2020)
bitkom- Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (2014): Jung und vernetzt - Kinder und Jugendliche in der digitalen Gesellschaft. In: https://www.bitkom.org/sites/default/files/pdf/noindex/Publikationen/2014/Studien/Jung-und-vernetzt-Kinder-und-Jugendliche-in-der-digitalen-Gesellschaft/BITKOM-Studie-Jung-und-vernetzt-2014.pdf, (abgerufen am 21.04.2020)
DAK Gesundheit- Deutsche Angestellten Krankenkasse: Jeder 12. Junge süchtig nach Computerspielen. In: https://www.dak.de/dak/bundesthemen/jeder-12---junge-suechtig-nach-computerspielen-2115322.html, (abgerufen am 21.04.2020)
DAZ-Deutscher Arbeitskreis für Zahnheilkunde (2016): Die vier Säulen der Kariesprophylaxe. In: http://www.kariesvorbeugung.de/die-4-saeulen-der-kariesprophylaxe.html, (abgerufen am 21.04.2020)
Hellwege, K.-D. (2003): Die Praxis der zahnmedizinischen Prophylaxe. 6. Aufl., Stuttgart: Georg Thieme Verlag
Hertwig, J. (2019): Mundhygiene und Mundgesundheit im. 1. Lebensjahr – Beratung der Eltern zur Prophylaxe der frühkindlichen Karies. In: Die Hebamme 2019, 32 (05): 66-73
Höfer, M./ Alkilzy, M./ Splieth, C. (2017): Kariesprophylaxe mit der App. In: Zahnärztliche Mitteilungen, 2017, 107, Nr. 12: 78-81
Jacobson, R. (2014): Brush Up: Toothbrush training with a game. In: http://www.dentistryiq.com/articles/2014/11/brush-up-toothbrush-training-with-a-game.html (abgerufen am 21.04.2020)
Kantorowicz, A. (1927): Klinische Zahnheilkunde. 2. Aufl., Berlin: Verlag von Hermann Meusser
Lampert, C./ Schwinge, C./ Tolks, D. (2009): Der gespielte Ernst des Lebens: Bestandsaufnahme und Potenziale von Serious Games (for Health). In: Medienpädagogik 2009, 15/16: 2-16
Meyer-Lückel, H./ Paris, S./ Ekstrand, K. (2012): Karies-Wissenschaft und Klinische Praxis. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG
Rupf, S./ Hannig, M. (2019): Caries and caries prophylaxis Karies und Kariesprophylaxe. In: PHARMAKON 2019, 7, 5: 336-342
Schubert, F. (2010): Zahnmedizinische Assistenz. 2. Aufl., Krefeld: Libromed GmbH
Stieglitz, S. (2017): Gamification - Vorgehen und Anwendungen in der Unternehmenspraxis. Wiesbaden: Springer
Straehle, H. J./ Koch, M. J. (1996): Kinder- und Jugendzahnheilkunde. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag GmbH
Wensierski H.-J. (2015): Technik und Naturwissenschaft im Jugendalter – Techniksozialisation und Fachorientierungen im Geschlechtervergleich - eine empirische Schülerstudie. Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich Verlag
Wölber, P. (2017): Können Serious Games die Oralpropyhlaxe unterstützen? In: Zahnärztliche Mitteilungen 2017, 107, 20: 26-28

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Zitationshinweis: Elsenheimer, L., Lux, G.; Matusiewicz, D.: „Zahnmedizinische Prophylaxe bei Kindern und Jugendlichen mit Gamification“, in „Monitor Versorgungsforschung“ (05/20), S. 90-94, doi: http://doi.org/10.24945/MVF.05.20.1866-0533.2252

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Plain-Text:

Zahnmedizinische Prophylaxe bei Kindern und Jugendlichen mit Gamification

Bereits 1927 erkannte der Zahnmediziner Alfred Kantorowicz, dass Plaque (bakterielle Zahnbeläge) Einfluss auf die Zahngesundheit hat und kariöse Stellen entstehen können (Kantorowicz 1927: 386). Da Karies eine der häufigsten Krankheiten in der Gesellschaft ist (Rupf et al. 2019: 336), besteht Bedarf an vorbeugenden Maßnahmen durch die zahnmedizinische Prophylaxe (Schubert 2010: 347). Die Kariesentstehung kann durch entsprechende Prophylaxemaßnahmen verhindert werden. Neben der halbjährlichen Untersuchung durch den Zahnarzt bzw. die Zahnärztin, der Anwendung von Fluoriden und der richtigen Ernährung ohne übermäßigen Zuckerkonsum gehört das tägliche Zähneputzen zu den vier Merkmalen der zahnmedizinischen Prophylaxe (Deutscher Arbeitskreis für Zahnheilkunde 2016). Insbesondere im Kindes- und Jugendalter ist es wichtig diese Zielgruppe über die Pflege ihrer Zähne aufzuklären und sie dazu zu animieren, denn fehlende oder falsche Oralprophylaxe in diesem Alter kann zu lebenslangen Problemen und Auswirkungen in der Zahngesundheit führen (Straehle et al. 1996: 13). Daher ist es notwendig, die Kinder früh an die Zahnpflege heranzuführen und mit der häuslichen Oralhygiene schon vor dem Durchbruch des ersten Zahns zu beginnen (Hertwig 2019: 69). Zum einen sollten die Kinder die richtige Zahnputztechnik erlernen, zum anderen sollte das tägliche Zähneputzen zu einer routinemäßigen Gewohnheit werden (Jacobson 2016).
>> Es existieren bereits digitale Spiele, die die Kinder bei der Optimierung der Zahnpflege und der Mundgesundheit unterstützen und motivieren. Die unterhaltsamen Zahnputzspiele fallen unter den Überbegriff Gamification (Lampert et al. 2009: 1). Ziel dieser Spiele ist es, dass die Nutzer und Nutzerinnen durch spielerische Ansätze und durch Belohnungssysteme eine höhere Motivation empfinden, um tägliche Aufgaben, wie beispielsweise das Zähneputzen, zu erfüllen (Stieglitz 2017: 4).
Angesichts der Tatsache, dass Kommunikationsgeräte zum Alltag der Kinder und Jugendlichen gehören (bitkom 2014: 4) und beispielsweise 94% der 6- bis 18-Jährigen ein Smartphone besitzen und 61% am häufigsten Applikationen mit ihrem Handy benutzen (Berg 2017), ist es naheliegend, diese Methodik ebenfalls in der oralen Mundhygiene zu verwenden.
Hinsichtlich der Wirksamkeit dieser digitalen Spiele liegen bezüglich der zahnmedizinischen Prophylaxe nur wenige empirische Ergebnisse bis April 2020 in Deutschland vor. Wölber fasst die wesentlichen Studien zusammen, wobei er jedoch lediglich zwei Projekte aufgreift, die im deutschsprachigen Raum durchgeführt wurden und die Wirksamkeit applikationsbasierter digitaler Motivationshilfen testeten. Weitere Studien zu einer Applikation (App) wurden in Atlanta und London durchgeführt. Im Bereich der nichtspielbasierten Motivationshilfen konnten drei Untersuchungen gefunden werden (Wölber 2017: 26). Die Studie von Höfer et al., die die Wirkung einer Zahnputz-App an Kindern untersuchte, ist die einzige Untersuchung, die Gemeinsamkeiten zu dieser empirischen Studie aufweist. Die Arbeitsgruppe um Höfer überprüfte 2017 an 49 fünf- und sechsjährigen Kindern die Wirkung der Zahnputz-App „Rainbow“. Die Untersuchung dauerte insgesamt zwölf Wochen. In dieser Zeit wurden die Plaque- und Gingivitiswerte (Werte für eine Zahnfleischentzündung) der Versuchspersonen anhand von Mundhygiene-Indizes erhoben. Die Ermittlung fand bei der Ausgangsuntersuchung und nach sechs sowie nach zwölf Wochen statt. Die Studie zeigte, dass sowohl der Umfang der Plaque als auch die Gingivitis der Vorschulkinder reduziert werden konnte (Höfer et al. 2017: 78).

Ziel
Aufgrund der wenigen Ergebnisse über die Wirkung von Gamification-Ansätzen im Zahnputzbereich, der Wichtigkeit der täglichen Durchführung der Mundhygiene sowie des technischen Fortschrittes der Zahnputzspiele, beschäftigt sich diese Arbeit mit der Mundhygiene bei Kindern und Jugendlichen. Ziel dieser Arbeit ist es, die Wirkung des Spieles „ZahnHelden“ in Bezug auf die Mundhygiene zu bewerten und zu testen, ob es durch die Zahnputz-App zu einer Verbesserung der Plaquewerte kommt.
In der Studie soll die forschungsleitende Frage „Wie beeinflusst das applikationsgestützte Zahnputzspiel ,ZahnHelden‘ das Zahnputzverhalten von Kindern und Jugendlichen?“ beantwortet werden.
Methodik
Ablauf der Studie
Die Untersuchung wurde im Zeitraum vom 7. September bis zum 23. Oktober 2017 in einer Zahnarztpraxis in Essen durchgeführt. Für die Untersuchung kamen Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 17 Jahren zwei Mal in die Zahnarztpraxis. Zwischen den beiden Terminen lagen durchschnittlich sieben Tage. An beiden Terminen putzten sich die Probanden und Probandinnen selbstständig mit Einmalzahnbürsten mit integrierter Zahnpasta in der Praxis ihre Zähne. In der ersten Sitzung führten sie ihre Oralhygiene ohne und in der zweiten Sitzung mit Hinzuziehen der Zahnputz-App „ZahnHelden“ durch.
Die App wurde von der goDentis – Gesellschaft für Innovation in der Zahnheilkunde mbH entwickelt und am 8. März 2016 veröffentlicht. Die Applikation ist sowohl im Apple Store als auch im Google Play Store kostenlos verfügbar und somit mit allen Apple und Android Geräten kompatibel. Die Sprache der App ist deutsch. Die Aufmachung des digitalen Spieles ist kindgerecht gestaltet und wird für Kinder ab 5 Jahren empfohlen. Kinder und Jugendliche können die App während des Zähneputzens hinzuziehen. Sie wird auf Gesichtshöhe positioniert. Durch die Kamerafunktion Optical Flow, bei der die Bürstenbewegungen und deren Position von der Handy- oder Tabletkamera erfasst werden, wird eine Putzkontrolle sichergestellt. Verändert sich die Lage der Zahnbürste, erkennt die App, dass das Kind in dem Moment putzt. Während der Nutzung der App werden Putzanweisungen gegeben. Die App gibt vor, wie lange welche Stelle im Mund geputzt werden soll. Die Benutzer und Benutzerinnen bekommen ein sofortiges Feedback in Form von motivierenden Sprüchen zu ihrer Putzleistung. Nach mehrmaligem Zähneputzen mit Hinzuziehen der App, schalten sich Geräusche frei, mit denen ein Lied komponiert werden kann.
Das Tablet, auf dem sich die Applikation befand, wurde von der Zahnmedizinischen Prophylaxeassistentin (ZMP) während der Durchführung auf Gesichtshöhe gehalten. In beiden Sitzungen wurden, nachdem die Kinder und Jugendlichen ihre Mundhygiene durchgeführt hatten, die Zähne mit einem Zahnbelaganfärbemittel angefärbt und der Plaqueindex nach Quigley und Hein (QHI) bestimmt.
Die Dokumentation der Plaquewerte erfolgte handschriftlich. Im Anschluss an die zweite Sitzung wurde eine kurze mündliche Befragung durchgeführt, bei der die Kinder und Jugendlichen Fragen zur Motivation und zur Nutzung der App während des Zähneputzens beantwortet haben.

Stichprobe
Die Teilnehmenden wurden im September und Oktober 2017 aktiv und persönlich in der Praxis während ihres Zahnarzttermins angesprochen. Geplant war die Rekrutierung von 30 Probanden und Probandinnen für diese Studie. Das Alter der Teilnehmenden wurde in zwei Zielgruppen eingeteilt. Probanden und Probandinnen im Alter von 6 bis 11 Jahren gehörten zu den Kindern. Teilnehmende im Alter von 12 bis 17 Jahren zählten zu den Jugendlichen. Diese Einteilung fand statt, da sich die Teilnehmenden in unterschiedlichen Entwicklungsphasen befanden, in denen die Motivation, auf die Mundhygiene zu achten, verschieden ausfallen kann (Staehle et al. 1996: 17).
Zahnmedizinische Kennzahl
Als statistische zahnmedizinische Kennzahl wurde der Index nach Quigley und Hein (QHI) verwendet, der mittels einer Indikatorflüssig-
keit den Umfang der bakteriellen Beläge, die auch Plaque genannt werden, auf einer Zahnfläche veranschaulicht (Hellwege 2003: 47).
Für die Plaquevisualisierung wurde der Plaquetest Mira-2-Ton von Hager und Werken verwendet. Dieser färbt die sich innerhalb von 24 Stunden neu gebildete Plaque rot und die ältere Plaque blau ein (Hellwege 2003: 44). Bei dieser Studie wurde der Fokus allerdings auf die Frage gelegt, ob und in welchem Ausmaß die vestibuläre Fläche des Zahnes bakterielle Beläge aufweist.
Die Plaqueablagerung wurde mithilfe einer Skala mit sechs Bewertungsgraden beurteilt:
2.4 Aufbau des Fragebogens
Die Befragung wurde als mündliches, strukturiertes Interview mit schriftlich formulierten Fragen und standardisierten Antwortmöglichkeiten konzipiert und enthielt insgesamt neun Fragen. Sowohl die Fragen als auch die Antwortmöglichkeiten wurden in einfacher und kindgerechter Sprache formuliert. Inhaltlich wurde der Fragebogen in folgende vier Teile gegliedert:
1. Der erste Teil des Fragebogens nahm die personenbezogenen Daten der Probanden und Probandinnen auf. Dazu wurde nach dem Alter, dem Geschlecht und der täglichen Zahnputzhäufigkeit gefragt.
2. Im zweiten Teil ging es um Angaben zur Motivation durch die App. Die Fragen zielten dabei in die folgende Richtung: „Macht das Zähneputzen mit dieser App mehr, gleich viel oder weniger Spaß als ohne App?“ „Würdest du dich aufs nächste Zähneputzen und das neue Geräusch freuen oder ist dir das egal?“
3. Im dritten Teil sind Fragen zur Benutzung und zur Weiterempfehlung der App gestellt worden, wie u. a.: „Wie fandest du das Zähneputzen mit der App? Einfach oder schwierig?“ „Würdest du deinen Freunden empfehlen, mit der App zu putzen?“ „Meinst du, du putzt weiterhin mit der App?“
4. Im vierten und letzten Teil wurden die Plaquewerte der ersten und zweiten Sitzung dokumentiert.

Die Auswertungen wurden mittels SPSS in der Version 21 durchgeführt. In erster Linie wurden deskriptive Analysen (Häufigkeitsverteilungen, Mittelwerte und Standardabweichungen) vorgenommen. Bei der Analyse wurden jeweils die gültigen Fälle als Basis verwendet. Die Mittelwertvergleiche wurden mittels T-Tests durchgeführt und der Korrelationskoeffizient nach Pearson analysiert. Als Signifikanzniveau für die statistischen Tests wurde jeweils ein Wert von α=5% verwendet.
Hypothesen
Zu Beginn der Untersuchung wurden Hypothesen aufgestellt, die mithilfe dieser empirischen Studie erforscht werden sollen. Diese Hypothesen lauten:
• Die Teilnehmenden empfinden mehr Spaß während des Zähneputzens mit der App als ohne diese.
• Die Belohnungsfunktion der Applikation motiviert die Altersgruppe der Kinder sowie die Gruppe der männlichen Teilnehmenden mehr als die Altersgruppe der Jugendlichen sowie die Gruppe der weiblichen Teilnehmenden.
• Bei allen Probanden und Probandinnen verringert sich der Plaqueumfang mit der Benutzung der App.

Es wird davon ausgegangen, dass den Kindern und Jugendlichen das Zähneputzen mit der App mehr Freude bereitet als ohne sie. Außerdem wird angenommen, dass Kinder und männliche Teilnehmende die Belohnungsfunktion motivierender finden als Jugendliche und weibliche Teilnehmende. Diese Annahme begründet sich darauf, dass Jungen öfter als Mädchen digitale Spiele spielen, technikinteressierter und ehrgeiziger sind (Deutsche Angestellten Krankenkasse) und das Spiel speziell für Kinder in einem kindgerechten Design konzeptioniert wurde. Eine ähnliche Studie von Höfer et al. zeigte, dass die Zahnputz-App „Rainbow“ bei fünf- und sechsjährigen Kindern das Zahnputzverhalten positiv beeinflussen konnte. Es konnten geringere Plaquewerte nach dem Benutzungszeitraum der App festgestellt werden (Höfer et al. 2017: 78). Aus diesem Grund wird auch für diese Studie angenommen, dass sich bei den Teilnehmenden mit der Benutzung der App „ZahnHelden“ der Plaqueumfang verringert.
Ergebnisse
Stichprobe
Im Folgenden wird eine Übersicht der Ergebnisse dieser Studie gegeben. Diese sind in vier Teilbereiche gegliedert. Als erstes werden die Antworten aus den Interviews vorgestellt, die auf der Selbsteinschätzung der Kinder und Jugendlichen im Hinblick auf die App basieren. Danach werden die Ergebnisse zu den gemessenen Plaquewerten der beiden unterschiedlichen Untersuchungstermine zusammengefasst.
Von den 32 befragten Kindern und Jugendlichen nahmen 24 Kinder und Jugendliche (n=24) an der Studie teil. Daraus ergab sich eine Teilnehmendenquote von 75%. Das Durchschnittsalter der Probanden und Probandinnen lag bei 11,13 Jahren (Min. 6; Max. 17). Hinsichtlich der Altersgruppen gliederten sich die Teilnehmenden in elf Kinder (46%) und dreizehn Jugendliche (54%). Der weibliche Anteil betrug 42%, der männliche Anteil dementsprechend 58%.

Ergebnisse des Interviews
Als Einstiegsfrage wurden die Probanden und Probandinnen zu ihrer täglichen Putzhäufigkeit befragt. Die meisten Teilnehmenden gaben an, sich zweimal täglich die Zähne zu putzen (83%).
Aus den mündlichen Befragungen konnte entnommen werden, dass keiner der Kinder oder Jugendlichen zuvor eine Zahnputz-App benutzt hat. Die Interviews verdeutlichen außerdem, dass die Teilnehmenden während der Benutzung der App „ZahnHelden“ Spaß empfanden, da keiner angab, dass das Zähneputzen mit der App keinen Spaß machte. Insbesondere ist dies bei der Altersgruppe der Kinder sowie bei der Gruppe der männlichen Teilnehmenden zu verzeichnen. Die Belohnungsfunktion wurde insgesamt als motivierend wahrgenommen: vor allem bei der Gruppe der Jugendlichen (64%) sowie der Gruppe der männlichen Teilnehmenden (57%).
Bei der Frage zu der Schwierigkeitsbewertung während der Benutzung der App äußerten die meisten Teilnehmenden, dass sie die Handhabung einfach fanden. Fast 80% der Teilnehmenden würden die App ihren Freunden und Freundinnen weiterempfehlen und mehr als die Hälfte möchte die App weiterhin zu ihrer häuslichen Mundhygiene hinzuziehen.

Ergebnisse der Plaquewerte
Der vierte Teil des Fragebogens umfasste die Dokumentation der Plaquewerte von den beiden Untersuchungsterminen. Um herauszufinden, ob es zu verbesserten Plaquewerten, zu Unterschieden sowohl zwischen Kindern und Jugendlichen als auch zwischen Jungen und Mädchen durch die Benutzung der App „ZahnHelden“ gekommen ist, wurden die Indexwerte daraufhin untersucht.
In Abbildung 1 werden die beiden Mittelwerte der Messwerte ohne Benutzung der App (QHI I) und mit Benutzung der App (QHI II) dargestellt. Je kleiner der QHI, desto weniger Plaque befindet sich auf den Zahnflächen.
Anhand der Werte ist zu erkennen, dass die weiblichen Teilnehmenden am besten ihre Zähne putzen, aber die größte Verbesserung bei den männlichen Teilnehmenden zu erkennen ist. Der Wert der ersten Sitzung betrug 1,718. Bei der darauffolgenden Sitzung verbesserte sich der Wert um 0,393. Der T-Test bei unabhängigen Stichproben unterstreicht, dass das Geschlecht der Probanden und Probandinnen einen signifikanten Einfluss auf die absolute Differenz zwischen den Versuchen hat (p=0,035).
Aber auch in der Kategorie Kinder sind deutliche Verbesserungen zu finden. Hier beträgt der Mittelwert des QHI I 1,71. Der Mittelwert des QHI II beträgt 1,375. Hier liegt die Differenz bei 0,335. Allerdings lässt die Analyse der Korrelationskoeffizienten nach Pearson keine Schlussfolgerungen auf den Einfluss des Alters auf die Testergebnisse zu, da die Nullhypothese zum Signifikanzniveau α=5% nicht verworfen werden kann.
Bei dem Vergleich der Plaquemittelwerte der beiden Sitzungen konnte durch einen T-Test für gepaarte Stichproben festgestellt werden, dass es zu einer hoch signifikanten Verbesserung gekommen ist (p=0,002).
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Ergebnisse einen positiven Einfluss der App „ZahnHelden“ auf das Putzverhalten von Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 17 Jahren widerspiegeln. Durch die Benutzung des Spieles während des Zähneputzens konnte eine statistisch signifikante Verbesserung der Plaqueentfernung an den vestibulären Glattflächen der Zähne verzeichnet werden. Die größte Verbesserung der Plaquewerte, eine erhöhte Motivation während des Spieles sowie das größte Spaßempfinden fand insbesondere bei der Altersgruppe der Kinder und der Gruppe der männlichen Probanden statt.
Diskussion
Nachfolgend werden die Ergebnisse in Bezug auf die aufgestellten Hypothesen diskutiert.
Die erste Hypothese, dass den Kindern und Jugendlichen das Zähneputzen mit der App mehr Freude bereitet als ohne sie, konnte mittels der Interviews bestätigt werden. Allerdings sind Unterschiede zwischen dem Geschlecht und dem Alter der Probanden und Probandinnen zu erkennen. Deutlich mehr Kinder als Jugendliche gaben an, dass sie mehr Spaß mit der App als ohne während des Zähneputzens empfanden. Bereits bei der Probanden- und Probandinnenrekrutierung wurde deutlich, dass viele ältere Patienten bzw. Patientinnen die Teilnahme an der Studie ablehnten, da ihnen das Zahnputzspiel zu kindlich erschien. Die App „ZahnHelden“ ist grundsätzlich für jüngere Benutzer und Benutzerinnen ab fünf Jahren vorgesehen. Bei der Entwicklung wurde deshalb auch auf ein kindgerechtes Design geachtet.
Außerdem gaben mehr Jungen (70%) als Mädchen (30%) an, dass sie mehr Freude mit der App empfanden. Eine Studie von der DAK Gesundheit und dem Deutschen Zentrum für Suchtanfragen ergab, dass die beliebteste Netzaktivität bei Jungen Gaming ist (Deutsche Angestellten Krankenkasse). Demnach sind die Spielbegeisterung und die Freude für das Spiel darauf zurückzuführen.
Die Vermutung, dass Kinder und männliche Teilnehmende die Belohnungsfunktion mehr als Jugendliche und weibliche Teilnehmende motiviert, konnte nur teilweise bestätigt werden. Es wurde vor Beginn der Studie angenommen, dass Jugendliche das Zahnputzspiel „ZahnHelden“ für zu kindlich halten und weniger Interesse an einer Benutzung zeigen würden. Allerdings äußerten mehr Jugendliche (57%) im Vergleich zu den Kindern (43%), dass sie die Belohnungsfunktion begeisterte. Dies könnte damit begründet werden, dass das Spiel bzw. die Belohnungsfunktion für Jugendliche einfacher zu verstehen ist. Ebenfalls wurde anhand der Interviews deutlich, dass die Belohnungsfunktion die männlichen Teilnehmenden mehr motiviert als die weiblichen Teilnehmenden. Eine mögliche Erklärung könnte diesbezüglich die erhöhte Begeisterung für Technik und der ausgeprägte Ehrgeiz der Jungen sein (Wensierski 2015: 374).
Die Hypothese, dass sich bei allen Teilnehmenden mit der Benutzung der App „ZahnHelden“ der Plaqueumfang verringert, konnte nicht vollständig belegt werden. Nicht alle Teilnehmenden verbesserten sich, aber in allen Kategorien (Kinder, Jugendliche, Mädchen und Jungen) konnten verringerte Plaquewerte festgestellt werden. Es konnte durch die Erhebung der Quigley und Hein Indizes der beiden Sitzungen gezeigt werden, dass es zu einer hoch signifikanten Verbesserung der Plaquewerte (p=0,002) durch das Hinzuziehen der App kommt.  
Die Ergebnisse dieser Studie können aufgrund der geringen Probanden- und Probandinnenanzahl nicht verallgemeinert werden. Es müssten mehr Untersuchungen in mehreren Städten durchgeführt werden. Außerdem sollte die Benutzung zu Hause und die langfristige Wirksamkeit erforscht werden. Dies könnte durch eine spätere Kontrolle geschehen, ob die Probanden und Probandinnen die App „ZahnHelden“, wie in den Interviews angegeben, weiterhin benutzt haben und ob sich die Plaquewerte nach einem längeren Zeitraum nach Durchführung der Studie nicht verändert haben. Zudem ist auf die Verzerrung (Bias) einzugehen. Die Plaqueverbesserung könnte auch durch den Studieneinschluss hervorgerufen sein. Denn die Kinder und Jugendlichen wussten, dass ihre Putzwerte von den beiden Messungen verglichen werden.
Aus den Ergebnissen geht hervor, dass digitale Zahnputzspiele als Trainings- und Motivationsinstrument genutzt werden können, um die Mundhygiene zu steigern. Denn anhand der Interviewantworten wurde deutlich, dass keiner der Teilnehmenden eine App dieser Art im Vorfeld kannte oder zuvor benutzt hat. Um Zahnputz-Apps bekannter zu machen, könnten diese in den Zahnarztbesuch integriert werden, indem die ZMP oder der Zahnarzt oder die Zahnärztin die Kinder auf die Spiele aufmerksam macht. Durch das Testen vor Ort können sich die Kinder mit dieser Art von Apps vertraut machen, sodass sie diese auch zu Hause verwenden können sowie auch anwenden möchten.
Die Zahnputz-App „ZahnHelden“ ist folglich eine sinnvolle Ergänzung im Rahmen der Pflegeroutine, die den Spaß, die Motivation und die Effektivität des Zähneputzens optimiert. Allerdings ist sie kein Ersatz für vorhandene Präventionsformen, wie beispielsweise den Besuch beim Zahnarzt. Zahnputzspiele können in die tägliche Pflegeroutine integriert werden und so die Gesamtqualität der Oralhygiene durch den motivierenden Gamification-Ansatz verbessern.
Fazit
In dieser Studie wurde die forschungsleitende Frage „Wie beeinflusst das applikationsgestützte Zahnputzspiel ,ZahnHelden‘ das Zahnputzverhalten von Kindern und Jugendlichen?“ untersucht und bearbeitet. Dazu wurde in einer experimentellen Forschungsstudie die Wirksamkeit der App „ZahnHelden“ untersucht.
Dabei ergab sich, dass die Zahnputz-App die Teilnehmenden während des Zähneputzens positiv beeinflusste, denn es konnten bei den meisten Teilnehmenden an den vestibulären Zahnflächen verringerte Plaquewerte erfasst werden. Die Studie konnte zeigen, dass die Verbesserung der Plaquewerte durch das Hinzuziehen der App statistisch signifikant ist. Zudem konnte anhand der mündlichen Interviews festgestellt werden, dass die App die Probanden und Probandinnen durch die Feedback- und Belohnungsfunktion motivierte. Die Teilnehmenden gaben außerdem an, dass das Zähneputzen mit der App gleich viel oder sogar mehr Spaß machte. Die größte Verbesserung der Plaqueentfernung sowie die größte Motivation konnte bei den männlichen Teilnehmenden und bei Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren ermittelt werden. Somit konnte festgestellt werden, dass es einen Unterschied sowohl zwischen der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen als auch zwischen den männlichen und weiblichen Teilnehmenden gibt.
Das applikationsgestützte Zahnputzspiel „ZahnHelden“ können folglich sowohl Kinder als auch Jugendliche als Trainings- und Motivationshilfe nutzen. Es wirkt bei der Kariesprophylaxe unterstützend, indem den Benutzern und Benutzerinnen eine Putzsystematik beigebracht wird, sie an das tägliche Putzen gewöhnt werden und sie Motivation und Freude für das Zähneputzen entwickeln.
Allerdings ist auch festgestellt worden, dass keiner der Teilnehmenden eine Zahnputz-App zuvor gekannt oder benutzt hat. Für die Praxis bedeutet dies, dass Zahnputz-Apps bekannter gemacht werden sollten.
Genau wie diese Studie können auch andere Untersuchungen keine Auskunft über eine langfristige Wirksamkeit von Zahnputz-Apps geben. An diesem Punkt sollten weitere Studien ansetzen, um die Langzeitwirkung des Gamifikation-Ansatzes im zahnmedizinischen Bereich zu untersuchen. <<

Ausgabe 05 / 2020

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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