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AWMF unterstützt konsequente Initiativen gegen die Ausbreitung einer parallelen wissenschaftlichen Scheinwelt

30.07.2018 10:51
Wertlose Forschung und gefährliches Pseudowissen beschäftigen die medizinische Wissenschaft seit langem – dennoch breitet sich der Markt für deren Verbreitung anscheinend ungehindert aus. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) sieht darin eine reale Bedrohung für die Durchdringung von Wissen aus der seriösen Wissenschaft in die Öffentlichkeit und, in Konsequenz, eine Bedrohung für die Gesundheit von PatientInnen und BürgerInnen. Die AWMF setzt auf Gegenmittel wie das Paradigma der evidenzbasierten Medizin, internationale Initiativen zur Förderung der Qualität medizinischer Forschung, auf die Leitlinien ihrer aktuell 178 Mitgliedsgesellschaften als qualitätsgesicherte Information und auf die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung.

Die Diskussion um die in der medizinischen Wissenschaft und in der Öffentlichkeit schon seit vielen Jahren kritisch verfolgte Verbreitung von Pseudowissen hat eine neue Dimension erreicht.  Auslöser ist die zunehmende Ausbreitung einer akademischen Scheinwelt – getrieben durch sogenannte „Raubverlage“, „Pseudojournale“ und „Pseudokongresse“, die Wissenschaftlichkeit vorgeben, jedoch die Grundprinzipien der Wissenschaftlichkeit zugunsten rein wirtschaftlicher Interessen fundamental missachten. Die AWMF ruft daher zu mehr Problembewusstsein auf. „Die medizinische Wissenschaft muss sich verstärkt für die Prävention, Identifikation und Kennzeichnung von wertloser, eindeutig interessengeleiteter oder pseudowissenschaftlicher Forschung einsetzen, um nachteilige Folgen für die medizinische Versorgung und für individuelle Patienten zu verhindern“, fordert Professor Dr. med. Rolf Kreienberg, Präsident der AWMF. „Hierfür eignen sich Instrumente, die auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen“, ergänzt Professor Dr. med. Christoph Herrmann-Lingen, Vorsitzender der Kommission Forschung und Lehre der AWMF. Dazu gehören die obligate Registrierung klinischer Studien, die Transparenz von Interessenkonflikten, Regeln für transparente Publikationsprozesse einschließlich eines definierten Begutachtungsver­fahrens („peer review“) und die kostenfreie Verfügbarkeit wissenschaftlich hochwertiger Publikationen („open access“).

Gerade die grundsätzlich zu begrüßende open access-Bewegung hat in den letzten Jahren aber auch zu den gravierenden Fehlentwicklungen beigetragen, die aktuell in den Fokus der Diskussion getreten sind: Im open access-Modell müssen die Autoren eine Gebühr für die Produktionskosten ihrer Publikationen entrichten, da die Verlage keine Einnahmen daraus zu erwarten haben. Das heißt aber auch, Verlage nehmen umso mehr Geld ein, je mehr Publikationen sie akzeptieren und je geringer sie die Kosten halten. Dies bietet den Geschäftsraum für pseudowissenschaftliche Verlage und Publikationsplattformen. Mit wohlklingenden Titeln täuschen diese Seriosität vor und werben in Massen-Emails mit dem Versprechen rascher und unkomplizierter Manuskriptbearbeitung um WissenschaftlerInnen. Die Manuskripte werden dann ohne ausreichende Qualitätskontrolle gegen Zahlung einer durch die so erzielte Einsparung von Produktionskosten oft vergleichsweise niedrigen Gebühr veröffentlicht. Zur Fehlentwicklung tragen auch Fehlanreize der Forschungssteuerung bei, die vielfach noch zu einseitig quantitative Bewertungsmaßstäbe setzt (wie z. B. die reine Zahl anstelle der wissenschaftlichen Qualität von Publikationen oder die Summe verausgabter Drittmittel anstelle ihres sinnvollen Einsatzes), mahnt Professor Herrmann-Lingen. „Der Druck, vor allem viel zu publizieren, („publish or perish“, also publizieren oder untergehen) kann womöglich auch zu explizitem wissen­schaftlichem Fehlverhalten bis hin zur Publikation gefälschter Ergebnisse (‚fake science‘) verleiten.“

Die AWMF fordert daher die konsequente Prüfung der Einhaltung international konsentierter Gütekriterien medizinischer Forschung. Nach den Empfehlungen der AWMF sollten nur solche Publikationen als Qualitätsnachweis anerkannt werden, die in Publikationsorganen erscheinen, die entweder in etablierten Verzeichnissen seriöser Fachzeitschriften gelistet oder von wissenschaftlichen Fachgesellschaften auf der Basis transparenter Kriterien als qualitätsgesicherte Publikationsorgane im jeweiligen Fachgebiet anerkannt sind. Die AWMF führt eine entsprechende Kriterienliste und eine „Weiße Liste“ der Zeitschriften ihrer Mitgliedsgesellschaften.

Professor Dr. med. Ina B. Kopp, Leiterin des AWMF-Instituts für Medizinisches Wissensmanagement (AWMF-IMWi) ruft ergänzend zu gezielter Suche nach tragfähigem, neutralen Wissen auf:

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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