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Mobilisieren für eine bessere Schmerzversorgung

07.03.2018 19:07
Mit dem diesjährigen Motto „Schmerzmedizin 4.0 – Digitalisierung / Vernetzung / Kommunikation“ greift die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) beim 29. Schmerz- und Palliativtag Themen auf, die alle Beteiligten in naher Zukunft noch viel beschäftigen werden: Wo sind die Grenzen des aktuell technisch Machbaren? Wo bewegen wir uns in ethischen Grenzbereichen der Medizin? Durch eine enge Verknüpfung von Kommunikation, im Sinne einer stärkeren direkten Interaktion von Betroffenen und Ärzten und dem Ziel, die Versorgung von Menschen mit akuten oder chronischen Schmerzen flächendeckend zu verbessern und zu individualisieren, ist Digitalisierung wirklich sinnvoll, so das Fazit der Deutschen Gesellschaft für Schmerz- und Palliativmedizin (DGS) e.V. bei der Auftakt-Pressekonferenz in Frankfurt.

„Schmerzmedizin 4.0 beschreibt aus meiner Sicht eine Entwicklung, die uns aus der Beschaulichkeit etablierter medizinischer Versorgunglandschaft reißt“, erklärte der DGS- und Kongresspräsident Dr. med. Gerhard H. H. Müller-Schwefe zu Beginn der Auftakt-Pressekonferenz. Insbesondere die Situation, in der sich Patienten mit chronischen Schmerzen mangels eines umfassend weitergebildeten „Facharztes für Schmerzmedizin“ befinden, erfordert sowohl bei der Diagnostik als auch in der Therapie, über aktuelles Wissen und Fähigkeiten hinaus, intensive Kooperation, Kommunikation und Vernetzung. „Dem steht ein völlig überlastetes, zähes arztzentriertes Versorgungssystem mit hohen Verzögerungen entgegen“, so Müller-Schwefe. Nach wie vor stehen der hohen Zahl an betroffenen Menschen nur etwas über tausend spezielle Schmerztherapeuten gegenüber, von denen weniger als die Hälfte überwiegend Schmerzpatienten behandeln. Nach Einschätzung der Experten wird sich „diese grotesk unzureichende Versorgungslage“ in einer rapide alternden Gesellschaft noch weiter verschlechtern. Im Jahr 2050 erwarten Experten eine Verdreifachung der Menschen, die über 90 Jahre alt sind und in der überwiegenden Mehrzahl pflegebedürftig sind und Schmerzen haben. Wie soll eine Lösung dieses gigantischen Problems aussehen, wenn die Versorgung schon jetzt defizitär ist und kein ausreichender Nachwuchs in Sicht ist? „Die gegenwärtigen Arbeits- und Vergütungsstrukturen in der Schmerzmedizin müssen dringend attraktiver gestaltet werden“, erklärte dazu Dr. med. Oliver Emrich, DGS-Vizepräsident. Nur so gibt es eine Chance, die jungen Mediziner dafür zu begeistern, sich den Patienten anzunehmen, die bereits beim Orthopäden, Neurologen, Internisten, Onkologen, Geriater oder Allgemeinmediziner waren und als „austherapiert“ gelten. „Nach aktuellen Zahlen sind das über drei Prozent der in Deutschland lebenden Menschen.“ Eine finanzielle Unterstützung der Weiterbildungsassistenten entsprechend der Förderung für Allgemeinmediziner könnte hier einen entscheidenden Beitrag leisten. „Bisher ruhen die finanziellen Lasten der Weiterbildung zur speziellen Schmerztherapie im ambulanten Bereich ausschließlich auf den weiterbildenden Kollegen“, erklärte Emrich.

Orientierungshilfe für eine patientenorientierte schmerzmedizinische Versorgung

Wie wichtig es ist, Ärzten, Patienten und Krankenkassen eine Orientierungshilfe an die Hand zu geben, erklärte DGS-Vizepräsident Dr. med. Johannes Horlemann anhand des Einsatzes von Cannabis in der Schmerzmedizin: „Seit der Gesetzesänderung Anfang 2017, durch die Cannabinoide zulasten der Krankenkassen verordnet werden dürfen, tauchen immer wieder neue Fragen auf – sei es bei der Auswahl der Darreichungsform, der Dosierung, den Indikationen oder auch beim Verordnungsprozedere“, so seine Erfahrung aus der Praxis. Auch in der Prävention gibt es aus Sicht der Experten noch großen Aufklärungsbedarf: „Es könnte weitaus häufiger bereits frühzeitig eine Schmerzbehandlung auch bei Erkrankungen in Betracht gezogen werden, die zunächst gar nicht mit Schmerzproblemen assoziiert werden. Dazu gehören Parkinson, Apoplexie, Demenz und auch Diabetes. Hier gibt es eine hohe Prävalenz von Schmerzen, die vermeidbar wären“, erklärte Emrich. Selbst in der Onkologie, in der tumorbedingte Schmerzen sehr häufig auftreten, kommt der präventiven Schmerzbehandlung eine viel zu geringe Bedeutung zu. „Unsere Aufgabe ist es daher, Ärzten, Patienten und Krankenkassen wirksame Hilfestellungen anzubieten“, erklärte Horlemann.

Das Ziel: Gemeinsam mobilisieren, koordinieren und kooperieren

Zusammen mit der Patientenorganisation Deutsche Schmerzliga e.V. (DSL) hat die DGS bereits wichtige Schritte getan, um der Politik, den Krankenkassen, den KVen und Ärztekammern die besonderen Probleme chronisch erkrankter Schmerzpatienten sowie die Notwendigkeit ihrer flächendeckenden und qualitativ hochwertigen Versorgung bewusster zu machen. Daran anknüpfend hat die DGS mit der sogenannten „Agenda 2020plus“ ein konkretes Programm mit fest definierten Zielen aufgesetzt:

  • das bestehende Netzwerk durch Hinzugewinnen schmerzinteressierter Versorgungspartner (Netzwerkapotheke Schmerz, Schmerzkompetenz Physiotherapie, etc.) vergrößern

  • das qualifizierte und zertifizierte Weiterbildungsangebot für algesiologische Fachassistenten, Pain Care Assistants und Pain Nurses erweitern

  • das Interesse des medizinischen und pflegerischen Nachwuchses für die schmerzmedizinische Arbeit in Klinik und Praxis wecken

Auch gesundheitspolitisch wird die DGS sowohl auf Bundes- als auch Landesebene noch stärker in Erscheinung treten, um die Interessen von Schmerzpatienten und Schmerzmedizinern nachhaltiger vertreten zu können. Ein erster wichtiger Schritt ist die Gründung einer gemeinsamen Initiative mit allen relevanten Fachgesellschaften.

 

 

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
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