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Neuromedizinische Fachgesellschaften begrüßen die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Hirntoddiagnostik

24.02.2015 18:31
Neuromedizinische Fachgesellschaften sehen sich in ihrer Forderung bestätigt, dass bei der Feststellung des Hirntods ein Neuromediziner beteiligt sein sollte – aktuelle Studie unterstreicht die Vorteile

Bevor Organe für eine Transplantation entnommen werden dürfen, muss der Tod des Patienten festgestellt werden. Dies geschieht seit rund 40 Jahren nach dem Konzept des Hirntods und seiner Diagnose. Der Deutsche Ethikrat hat sich heute in einer ausführlichen Stellungnahme „Hirntod und Entscheidung zur Organspende“ erneut für die Feststellung des Hirntods als Kriterium ausgesprochen, fordert aber gleichzeitig mehr Aufklärung und gesellschaftliche Diskussion sowie intensivere wissenschaftliche Beschäftigung mit der Feststellung des Todeszeitpunktes. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), die Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) sowie die Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) begrüßen diese Empfehlungen ausdrücklich, weisen aber gleichzeitig darauf hin, dass die Hirntoddiagnostik nicht allein im Rahmen der Transplantationsmedizin von Bedeutung ist. Die Fachgesellschaften bekräftigen ihre Forderung, dass mindestens ein Neuromediziner (Neurologe oder Neurochirurg) an der Feststellung des Hirntods beteiligt sein sollte, um die Sicherheit dieser Diagnose weiter abzusichern. Eine aktuelle Studie hat gezeigt: Das Einbeziehen von Neurologen oder Neurochirurgen in die Hirntoddiagnostik oder das Hinzuziehen externer Expertenteams erhöht signifikant die Chance einer kompletten und formal korrekten Hirntoddiagnostik und verkürzt die Zeit bis zur Hirntodbestimmung auch durch die Anwendung von Zusatzuntersuchungen stark. Schon heute sind laut Studie an etwa Dreiviertel der Hirntodfeststellungen Neurologen oder Neurochirurgen beteiligt.

Die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates ist eine wichtige Zusammenfassung der gegenwärtigen Diskussion zu Hirntod und Organspende auf hohem Niveau. Sie lässt alle Seiten zu Wort kommen, berücksichtigt unterschiedliche Auffassungen, stützt aber im Ergebnis das in den vergangenen 40 Jahren bestehende Konzept des Hirntods sowie die Auffassung der unterzeichnenden Fachgesellschaften:

 

  • Die Hirntoddiagnostik ist eine der sichersten Diagnosen in der Medizin, erfordert aber eine hohe medizinische Fachkompetenz der untersuchenden Ärzte. Um diesen hohen Standard sicherzustellen, sollte in den Richtlinien   der Bundesärztekammer verankert werden, dass mindestens ein Neurologe oder Neurochirurg mit langjähriger Erfahrung in der Intensivmedizin und regelmäßiger praktischer Erfahrung in der Hirntodbestimmung beteiligt ist. Die Anzahl der Neurologen hat sich in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland verfünffacht, bereits jetzt sind Neuromediziner an drei von vier Hirntoddiagnosen beteiligt.
  • Spende lebenswichtiger Organe ist nur zulässig, wenn der Tod des möglichen Organspenders festgestellt ist (Dead-Donor-Rule). Die Dead-Donor-Rule liegt auch dem Transplantationsgesetz, den ärztlichen Richtlinien und der aktuellen Praxis der Transplantationsmedizin in Deutschland zugrunde. Die Mehrheit des Deutschen Ethikrates ist der Auffassung, dass der Hirntod (d.h. die irreversibel erloschene Gesamtfunktion des Gehirns) ein sicheres Todeszeichen ist.
  • Die Stellungnahme des Ethikrates hält im Ergebnis am Konzept des Hirntods als Kriterium für den Tod des Gesamtorganismus fest. Die unterzeichnenden Fachgesellschaften begrüßen dies ausdrücklich. Eine Organentnahme  kurz nach einem Herzstillstand (Non heart-beating donor), wie sie in manchen, auch europäischen Ländern zugelassen ist, wird strikt abgelehnt. Insofern bleibt Deutschland hier bei der Organentnahme zurückhaltender, konservativer als andere Länder zugunsten einer fachlich und sachlich unprätentiösen Entscheidungsfindung.
  • Das Konzept des Todes bzw. Hirntodes bedarf einer breiten Verankerung in der Gesellschaft – von daher kommt der Stellungnahme des Deutschen Ethikrates eine besondere Bedeutung zu. Um das Vertrauen in die Organspende insgesamt aufrechtzuerhalten, ist die Empfehlung einer oder weniger medizinischer Fachgesellschaften nicht ausreichend. Zum ersten Mal wird in der Stellungnahme des Ethikrates in dieser Ausführlichkeit auch zu Fragen der Information, Aufklärung und Beratung Stellung genommen. Nicht ausreichende Information und Aufklärung war in der Vergangenheit manches Mal Ursache für Missverständnisse und Konflikte und schließlich für eine stark zurückgegangene Bereitschaft zur Organspende.

 

Die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates trägt den Titel „Hirntod und Entscheidung zur Organspende“. Damit wird deutlich, dass die in dem Papier festgehaltenen Überlegungen und Empfehlungen sich primär auf den Hirntod in seiner Bedeutung für die Transplantationsmedizin beziehen. Die unterzeichnenden Fachgesellschaften ergänzen in diesem Zusammenhang, dass sich die Fragen in Bezug auf den Hirntod auch stellen, wenn von vorneherein keine Transplantation in Frage kommt. Bei mehr als der Hälfte der Menschen wird der Hirntod diagnostiziert, auch wenn nach der Diagnose keine Organentnahme erfolgt, aus den verschiedensten Gründen. Die unterzeichnenden Fachgesellschaften sprechen sich deswegen, aber auch zur Stärkung des Vertrauens dafür aus, den medico-legalen Akt der Hirntodbestimmung auch organisatorisch von der Organtransplantation ganz zu trennen.

Die Bundesärztekammer als wichtige steuernde Organschaft

In der Stellungnahme des Deutschen Ethikrates heißt es: „Die Bundesärztekammer sollte die Methoden der Hirntoddiagnostik dem Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft kontinuierlich anpassen. Ihre Anwendung in der Praxis ist sicherzustellen.“ Und weiter:  „Die Durchführung der Hirntoddiagnostik erfordert eine hohe medizinische Fachkompetenz der untersuchenden Ärzte, die nach der gesetzlichen Vorgabe den Spender unabhängig voneinander untersuchen müssen und nicht an der Transplantation beteiligt sein dürfen. Die Ärztekammern sollten die dafür erforderliche Aus-, Fort- und Weiterbildung sicherstellen und die zuständigen Stellen sollten dafür sorgen, dass fachkompetente Ärzte für die Hirntoddiagnostik flächendeckend und zeitnah zur Verfügung stehen.“

Das Konzept des Todes bzw. Hirntodes bedarf einer breiten Verankerung in der Gesellschaft – von daher kommt der Stellungnahme des Deutschen Ethikrates eine besondere Bedeutung zu. Um das Vertrauen in die Organspende insgesamt aufrechtzuerhalten, ist die Empfehlung einer oder weniger medizinischer Fachgesellschaften nicht ausreichend. Zum ersten Mal wird in der Stellungnahme des Ethikrates in dieser Ausführlichkeit auch zu Fragen der Information, Aufklärung und Beratung Stellung genommen. Nicht ausreichende Information und Aufklärung war in der Vergangenheit manches Mal Ursache für Missverständnisse und Konflikte und schließlich für eine stark zurückgegangene Bereitschaft zur Organspende.

Aktuelle Studie zeigt die Vorteile bei Beteiligung von Neuromedizinern an der Diagnostik

Die unterzeichnenden Gesellschaften unterstützen diese Forderung, wie schon in ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom 5. März 2014.

Die Auffassung, dass mindestens ein Neurologe oder Neurochirurg an der Hirntoddiagnostik beteiligt sein sollte, wird auch durch eine aktuelle, im Oktober 2014 im Nervenarzt veröffentlichte Studie bekräftigt: In der Studie wurde die Praxis der Hirntoddiagnostik in einer großen Region Deutschlands an Krankenhäusern verschiedener Versorgungsstufen retrospektiv untersucht, um Faktoren zu ermitteln, die die Einleitung und den Ablauf der Hirntoddiagnostik beeinflussen können. Die Hirntoddiagnostik erfolgt in Deutschland nach der Richtlinie der Bundesärztekammer. Die Richtlinie stellt hohe Anforderungen an die Qualifikation der Untersucher und die erforderlichen Prozessschritte.

Es besteht aufgrund der hohen Anforderungen die Möglichkeit, dass die personellen und logistischen Voraussetzungen nicht überall erfüllbar sein könnten. Die zentralen Ergebnisse der Studie sind: Das Einbeziehen von Neurologen oder Neurochirurgen in die Hirntoddiagnostik oder das Hinzuziehen externer Expertenteams erhöht signifikant die Chance einer kompletten und formal korrekten Hirntoddiagnostik und verkürzt die Zeit bis zur Hirntodbestimmung auch durch die Anwendung von Zusatzuntersuchungen stark.

Die Studie zeigt auch, dass die Einleitung und der Abschluss der Hirntoddiagnostik erheblich von strukturellen und organisatorischen Faktoren des Krankenhauses beeinflusst werden. Gemäß der Richtlinie der Bundesärztekammer kann der Hirntod jedoch „in jeder Intensivstation … festgestellt werden“.  Die unterzeichnenden Fachgesellschaften fordern daher, in der Überarbeitung der Richtlinie zur Feststellung des Hirntodes schärfere Qualitätskriterien zu verankern.  Zumindest einer der beiden hirntoddiagnostizierenden Ärzte sollte, sofern es sich um erwachsene Patienten handelt, nach Auffassung der Unterzeichner ein Neurologe oder Neurochirurg mit langjähriger Erfahrung in der Intensivmedizin und regelmäßiger praktischer Erfahrung in der Hirntodbestimmung sein. Auch dies ist eine Maßnahme, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Hirntodfeststellung und damit die wichtige Bereitschaft zur Organspende insgesamt zu stärken.

Gemeinsame Stellungnahme der DGN, DGNC und DGNI

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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