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Stellungnahme der AkdÄ zu Daclatasvir (Daklinza®) Frühe Nutzenbewertung § 35a SGB V

12.01.2015 22:04
Die Therapie mit Daclatasvir könnte bei einem relevanten Teil der Patienten, für die es bisher keine erfolgversprechende Therapieoption gibt, zur Ausheilung der chronischen Virusinfektion (SVR) und damit zur langfristigen Freiheit von Folgen und Symptomen einer weiterbestehenden chronischen Hepatitis C und Risikoreduktion für Tod durch Leberversagen bzw. für die Notwendigkeit der Lebertransplantation führen.

Die vorgelegten Daten des pharmazeutischen Unternehmers sind aber nicht geeignet, um einen Zusatznutzen valide beurteilen zu können. Die AkdÄ schließt sich daher der Bewertung des IQWiG – kein Zusatznutzen in allen Fragestellungen – an. Bei Vorlage neuer, aussagekräftiger Daten sollte eine erneute Bewertung und Entscheidung über den Zusatznutzen erfolgen.

Über den Zusatznutzen beschließt der G-BA.

Daclatasvir ist in Kombination mit anderen Arzneimitteln zugelassen zur Behandlung der chronischen Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) bei Erwachsenen.

Stellungnahme zu allgemeinen Aspekten

Häufigkeit und Verlauf der chronischen Hepatitis C (CHC)

Für die Pathogenese der CHC ist die persistierende Virusreplikation der entscheidende Auslöser. Die Hepatitis-C-Virus-Infektion (HCV) führt bei der Mehrzahl der be- troffenen Patienten zu einer chronischen Infektion und bei einem relevanten Teil der chronisch Infizierten zu einer zunehmenden Fibrose bis zur Zirrhose der Leber und ihren Komplikationen einschließlich des hepatozellulären Karzinoms und der Notwendigkeit einer Lebertransplan- tation bei Leberversagen. CHC ist damit Ursache relevanter Morbidität und Mortalität.

Die Inzidenz dem Robert Koch-Institut (RKI) gemeldeter CHC betrug n = 5004 (Erstdiagnosen) im Jahr 2012 . In der GKV-Zielpopulation ist von ca. 240.000 erwachsenen Versicherten mit CHC auszugehen (s. IQWiG-Dossierbewertung Daclatasvir, Tab. 16).

Bedeutung der Sustained Virological Response (SVR) als Therapieziel

Das Erreichen einer SVR bedeutet für Patienten mit CHC einen direkten therapeutischen Nutzen durch die dauerhafte Beendigung der Virusreplikation und Infektiosität:

1. Das Erreichen einer SVR beendet die Einschränkungen des Sozial- lebens einschließlich des Sexuallebens, welche aus der Infektiosität der Hepatitis C resultieren (2–4).

2. Das Erreichen einer SVR beendet die psychische Belastung Er- krankter, welche aus dem Wissen um mögliche lebensverkürzende Folgen der Erkrankung resultiert (2–4).

Das Erreichen einer SVR bewirkt damit einen direkten patientenrelevanten Nutzen. Die dauerhafte Beendigung der Virusreplikation eliminiert den Auslöser von Zirrhose, hepatozellulärem Karzinom (HCC) und Leberversagen. Die grundsätzlich wünschenswerte Validierung von SVR als Surrogatparameter für die Folgen der CHC durch prospektive randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) ist nicht durchführbar, denn:

1. Es ist ethisch fragwürdig, aus methodisch-wissenschaftlichen Gründen Patienten die Beendigung der schwerwiegenden Infektionskrankheit und die Beseitigung der mit dieser unmittelbar verbundenen Symptome der Erkrankung vorzuenthalten, um SVR als Surrogatparameter zu validieren.

2. Patienten würden RCTs nicht akzeptieren, wenn dies den Verzicht auf das Erreichen einer SVR impliziert.

Prospektive Kohortenstudien sind und bleiben deshalb die bestmögliche Evidenz für die Validierung des Surrogatparameters SVR.

Die Metaanalyse von Singal et al. 2010  analysiert die bis Ende 2008 vorliegenden, qualitativ hochwertigen Kohortenstudien zur Validierung von SVR: Vier prospektive und 22 retrospektive Studien zeigen eine signifikante Reduktion von CHC, Mortalität und Leberzirrhose. Weitere, nach 2008 publizierte Studien von Morgan et al. 2010 und Backus et. al 2011 sowie Innes et al. 2011 und Maruoka et al. 2012 bestätigen diese Ergebnisse.

Das IQWiG verweist bzgl. der SVR auf die Ausführungen zur frühen Nutzenbewertung von Telaprevir und Boceprevir und berücksichtigt nicht danach publizierte Evidenz, welche die Einschätzung der AkdÄ stützt: Van der Meer et al. 2012 haben für Patienten mit Hepatitis C und fortgeschrittener Fibrose (n = 530) bei einer Beobachtungszeit von im Mittel 8,4 Jahren zeigen können, dass SVR assoziiert war mit einem reduzierten Mortalitätsrisiko (Hazard Ratio [HR] 0,26; 95 % Konfidenzintervall [CI] 0,14–0,49; p < 0,001) und einem reduzierten Risiko für leberbezogene Mortalität und Transplantation (HR 0,06; 95 % CI 0,02– 0,19; p < 0,001). Patienten mit einer SVR hatten eine kumulative 10- Jahres-Überlebensrate von 91,1 % (95 % CI 85,5–96,7), Patienten ohne SVR von 74,0 % (95 % CI 71,6–79,8) (p < 0,001).

McCombs und Mitarbeiter 2014 (12) haben in einer Kohortenstudie (n = 28.769) zeigen können, dass das Erreichen von SVR das Mortalitätsrisiko von Patienten mit Hepatitis C um 45 % reduziert.

Dieperink et al. 2014 (13) haben in einer retrospektiven Analyse gezeigt, dass bei CHC das Erreichen von SVR die Mortalität (HR 0,47; 95 % CI 0,26–0,85; p = 0,012) und die leberassoziierte Mortalität senkt (HR 0,23; 95 % CI 0,08–0,66; p = 0,007).

Das Erreichen einer SVR ist daher als patientenrelevanter Nutzen sowie als valides Surrogat sowohl bezüglich der Verringerung des Risikos für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms als auch bezüglich der Verringerung der leberbezogenen und Gesamt- Mortalität anzusehen.

Dies entspricht u. a. auch der Einschätzung des National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) und des Scottish Medicines Con- sortium (SMC).

Die AkdÄ weist darauf hin, dass SVR als nicht formal validierter Surrogatparameter nach der Methodik des IQWiG grundsätzlich keine Quantifizierung des Nutzens erlaubt, was die vergleichende Bewertung von Therapieansätzen der CHC erschwert.

Bisherige Therapie der chronischen Hepatitis C

Für die Behandlung der CHC stehen – unabhängig vom Genotyp (GT) – pegyliertes Interferon (PEG-IFN) und Ribavirin (RBV) zur Verfügung. Im Jahr 2011 wurden die Proteaseinhibitoren Boceprevir (BOC) und Telaprevir (TEL) in Deutschland zur Behandlung der Hepatitis C beim GT 1 zugelassen. Diese werden nur in Kombination mit PEG-IFN und RBV eingesetzt.

1. Alle bisherigen Behandlungsregime sind durch erhebliche Nebenwirkungen belastet, welche sich in den nebenwirkungsbedingten Abbruchraten der Therapien von > 10 % widerspiegeln.

2. Die Erfolgsraten (SVR) der zweckmäßigen Vergleichstherapie (ZVT) liegen in Abhängigkeit von HCV, Genotyp und Prognoseparametern zwischen 32 % und 77 %.

3. Für Patienten nach erfolgloser Therapie der CHC führt die Wiederholung der ZVT nur bei einem Teil der Patienten zu einer SVR. SVR- Raten der Re-Therapie bei Therapieversagern liegen für Non- Responder zwischen 9 % und 41 % und für Relapse-Patienten zwischen 24 % und 83 % je nach Genotyp und prognoserelevanten Patientenfaktoren.

Bisher nicht oder nicht erfolgreich behandelbare Patienten mit CHC

Nur für einen Teil der CHC-Patienten bietet die bisher verfügbare Therapie eine Behandlungsoption: Maasoumy und Mitarbeiter 2013 fanden, dass von 208 CHC-Patienten mit GT 1 103 wegen Kontraindikationen gegen eine Tripletherapie (PEG-IFN, RBV, TEL oder BOC) nicht behandelt werden konnten. McCombs und Mitarbeiter 2014 (12) fanden, dass von 28.769 CHC- Patienten 24,3 % mit Interferon (IFN) behandelt wurden. Bei den mit ZVT behandelten Patienten blieb die Behandlung bei 23– 68 % ohne Erfolg.

Der relevante Anteil von CHC-Patienten, der mit den bisher verfügbaren Therapien nicht oder nicht erfolgreich behandelt werden kann, unterstreicht den Bedarf an weiteren neuen therapeutischen Optionen für CHC.

Die Zulassung von Daclatasvir (DCV) stellt nach dem in ihrem Zusatznutzen bereits bewerteten Sofosbuvir (SOF) und Simeprevir (SIM) eine Erweiterung des Behandlungsspektrums der Genotypen 1, 3 (kompensierte Zirrhose und/oder therapieerfahren) und 4 der CHC-Infektion dar. DCV ist ein Inhibitor des NS5A, eines multifunktionellen Proteins, das ein wesentlicher Bestandteil des HCV-Replikationskomplexes ist. DCV hemmt sowohl die virale RNA-Replikation wie auch das Zusammenfügen der Virusbestandteile. DCV wird in Kombination mit weiteren Arzneimitteln für die Behandlung der CHC eingesetzt.

Mit DCV ist das Erreichen einer SVR durch eine IFN-freie Behandlung möglich. In Anbetracht der belastenden Nebenwirkungen von IFN und der Anwendungseinschränkung durch Kontraindikationen für IFN könnte dies einen wesentlichen Fortschritt der Therapie darstellen.

Damit würde sich eine weitere Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit Kontraindikationen gegen bzw. Unverträglichkeit von IFN eröffnen.

Auch die signifikant und klinisch relevant niedrigere Rate von nebenwirkungsbedingten Therapieabbrüchen unter IFN-freien DCV-Regimen im Vergleich zu IFN enthaltenden Therapieregimen ist ein Hinweis auf eine deutlich bessere Verträglichkeit von DCV im Vergleich zu IFN. Daten wissenschaftlicher Studien zur Kombination von DCV mit weiteren, zum Teil noch nicht zugelassenen direkten antiviralen Mitteln (DAA) legen den Schluss nahe, dass der wesentliche Nutzen von DCV in der IFN-freien Kombinationstherapie mit einem oder mehreren DAA liegen wird.

Die Zulassung von DCV und die erwarteten Neuzulassungen weiterer DAA beeinflussen bereits jetzt den therapeutischen Algorithmus im Versorgungsalltag, da sich Patienten und Ärzte in Fällen nicht dringlicher Behandlungsindikation häufig dafür entscheiden, auf eine IFN-basierte Therapie zugunsten zukünftiger IFN-freier Behandlungsoptionen zu verzichten.

Grenzen der vorliegenden Nutzenbewertung von DCV

Die im Folgenden gemachten Kommentare zum Zusatznutzen von DCV im Vergleich zur ZVT beziehen sich auf den Zeitpunkt der Markteinführung von DCV und berücksichtigen nicht die Studien zu DCV in Kombination mit zu diesem Zeitpunkt nicht als Arzneimittel in Deutschland zugelassenen oder noch nicht in ihrem Nutzen bewerteten Wirkstoffen (z. B. NS5A-Inhibitor Ledipasvir).

Verfahrensbedingt kann die Bewertung des zukünftigen Potenzials von DCV nicht innerhalb des aktuellen Verfahrens der frühen Nutzenbewertung erfolgen.

Da das vorliegende Gutachten des IQWiG diese Daten noch nicht berücksichtigen konnte, kann es den Zusatznutzen von DCV in Kombination mit anderen DAA nicht adäquat beurteilen.

Vorschlag:

Aus den oben angeführten Gründen vertritt die AkdÄ die Auffassung, dass eine Neubewertung des Zusatznutzens von DCV durch den G-BA erfolgen sollte, um seinen Stellenwert als Kombinationspartner neuer DAA gegen CHC zu berücksichtigen.

Zweckmäßige Vergleichstherapie

Die AkdÄ hat in Ihrer Stellungnahme zur frühen Nutzenbewertung von SOF und SIM bereits darauf hingewiesen, dass es inkonsistent ist, für therapienaive Patienten mit CHC-Infektion durch GT 1 mit Leberzirrhose ausschließlich die duale Therapie mit PEG-IFN und RBV als ZVT festzulegen, da der G-BA in seinem Beschluss zur frühen Nutzenbewertung den Hinweis auf einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen von TEL und BOC nicht auf Patienten ohne Zirrhose beschränkt (16;17). Bei therapienaiven Patienten mit GT 1 und bei Relapse-Patienten mit GT 1 wäre auch eine Bewertung von DCV gegenüber einer Tripletherapie mit TEL oder BOC möglich gewesen. Insbesondere unter der Prämisse der Zugehörigkeit von TEL und BOC zur Klasse der N3/4-Proteasehemmer.

Bei therapienaiven Patienten mit GT 1 (Fragestellung 1 a–c) wäre nach dem heutigen Stand der Wissenschaft und dem Beschluss des G-BA vom 20.11.2014 zur Nutzenbewertung von SIM  auch ein Vergleich von DCV mit SIM + PEG-IFN/RBV möglich gewesen. Der G-BA hat bei dieser Patientengruppe für die Tripletherapie einen Hinweis für einen beträchtlichen Zusatznutzen gegenüber der dualen Therapie oder einer Therapie mit BOC oder TEL + PEG-IFN/RBV festgelegt. Wie in den Stellungnahmen der AkdÄ zur frühen Nutzenbewertung von SOF und SIM ausgeführt, werden Therapieschemata mit IFN bei der CHC zukünftig kaum noch eingesetzt werden.

Wie in den Stellungnahmen der AkdÄ zur frühen Nutzenbewertung von SOF und SIM ausgeführt, werden Therapieschemata mit IFN bei der CHC zukünftig kaum noch eingesetzt werden.

Informationsbeschaffung und Studienpool

Der pharmazeutische Unternehmer (pU) geht in seinem Dossier auf den Zusatznutzen von DCV bei Patienten mit CHC Genotypen 1, 2 (therapienaiv ohne Zirrhose), 3 oder 4 ein. Jedoch ist DCV nur für Patienten mit CHC Genotyp 1, Genotyp 3 (nur kompensierte Zirrhose und/oder therapieerfahren) und für Genotyp 4 zugelassen.

Die Ausführungen des pU zu Patienten mit CHC durch Genotyp 2 und Genotyp 3 (therapienaiv) sind also für die Nutzenbewertung nicht weiter relevant. Gemäß der Dossierbewertung des IQWiG legt der pU für Patienten mit CHC Genotyp 1 (therapieerfahren), Genotyp 1 (therapie- naiv mit Zirrhose), Genotyp 1 mit HIV-Koinfektion sowie für Geno- typ 3 (mit kompensierter Zirrhose und/oder therapieerfahren) keine Daten vor, die für den Vergleich mit der vorgegebenen ZVT geeignet sind. Eine Überprüfung des Moduls 4 bestätigt diese Einschätzung. Der pU beansprucht für diese Indikationen auch keinen Zusatznutzen. Dies betrifft die oben genannten Fragestellungen 1b, 1c, 1d und 2.

Für Genotyp 1 (therapienaiv ohne Zirrhose), Fragestellung 1a,

beansprucht der pU einen Hinweis auf einen erheblichen Zusatznutzen. Als Datengrundlage reicht er einen sog. Matching-adjustierten indirekten Vergleich (MAIC) und eine Bayes- Benchmarking-Analyse (BBA) für den Vergleich von DCV + SOF gegenüber PEG + RBV + TEL/BOC ein.

Das IQWiG beurteilt die Informationsbeschaffung für die Teilfragestellung 1a als unvollständig und verzichtet daher auf eine weitere Prüfung der Methodik. Selbstverständlich ist eine Bewertung des Zusatznutzens nur bei Vorliegen vollständiger Studiendaten möglich. Dennoch nimmt die AkdÄ zu der statistischen Methodik „Matching-adjustierter indirekter Vergleich (MAIC) und Bayes- Benchmarking-Analyse (BBA) Stellung:

a) MAIC: Der MAIC ist ein spezielles Verfahren eines adjustierten indirekten Vergleichs, wodurch es ermöglicht werden soll, einzelne Studienarme ohne gemeinsamen Komparator zu vergleichen, indem die Patientencharakteristika durch eine Gewichtungsstrategie angeglichen werden und so ein randomisierter Vergleich „nachgeahmt“ wird. In einer gemeinsamen Stellungnahme zu indirekten Vergleichen des IQWiG, der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS) und der Deutschen Region der Internationalen Biometrischen Gesellschaft (IBS-DR) von 2012 heißt es: „Die Anwendung von Methoden für adjustierte indirekte Vergleiche ist in verschiedenen Situationen sicher hilfreich [...] liefert aber zur Zeit nur Aussagen geringer Ergebnissicherheit“. Diese allgemeine Aussage trifft nach Einschätzung der AkdÄ insbesondere auf die hier durchgeführte MAIC zu. Einige kritische Punkte werden im Folgenden näher genannt, diese Aufzählung stellt aber keine umfassende Aufarbeitung des Verfahrens dar:

Für einen der zu vergleichenden Studienarme müssen die individuellen Patientendaten vorliegen. Diese werden dann geeignet gewichtet, um die Patientencharakteristika des Studienarms an die Patientencharakteristika des anderen Studienarms anzupassen. Die Studienarme kommen dabei aus zwei unterschiedlichen Studien ohne gemeinsamen Komparator. Zur Wahl der Gewichte werden logistische Regressionsmodelle berechnet, wobei die betrachteten Patientencharakteristika als Kovariaten mit eingehen und deren Effekte geschätzt werden. Eine valide Effektschätzung in Regressionsmodellen ist grundsätzlich nur möglich, wenn die Anzahl der zu schätzenden Parameter im Vergleich zu der Verfügung stehenden Fallzahl angemessen ist. Laut Modul 4 des pU sollen hier aber 7–9 Variablen der Patientencharakteristika bei Fallzahlen pro Studienarm von 123 bzw. 40 betrachtet werden. Die Effektschätzungen sind daher vermutlich mit einer relativ hohen Unsicherheit verbunden und die gewählte Gewichtungsstrategie ist daher ebenfalls einer hohen Unsicherheit ausgesetzt. Wie sich dies in den Ergebnissen niederschlägt, ist schwer vorherzusagen.

Eine künstliche Adjustierung der Studienpopulationen ist grundsätzlich nur für bekannte Populationsunterschiede, die auch dokumentiert sind, möglich. In fast allen klinischen Anwendungen gibt es aber auch unbekannte Einflussfaktoren. Hier ist eine Adjustierung nicht möglich, eine Beeinflussung der Ergebnisse aber dennoch möglich/wahrscheinlich.

Fazit:

Selbst bei einem vollständigen Studienpool wäre die vorgelegte Analyse nicht geeignet, um einen Zusatznutzen zu belegen.

b) BBA: Ziel der BBA ist es, einen Grenzwert für den Endpunkt SVR bezüglich der Vergleichstherapie zu identifizieren, dessen Überschreitung die statistisch signifikante Überlegenheit einer neuen Therapie bedeutet. Einige kritische Punkte sind im Folgenden näher genannt, diese Aufzählung ist aber keine umfassende Aufarbeitung des gewählten Verfahrens:

Die Ermittlung des Grenzwertes beruht auf sehr vielen Annahmen (z. B. über geeignete Prior-Verteilungen, Nicht- Unterlegenheits-Margins usw.), welche die Höhe des Grenzwertes vermutlich entscheidend beeinflussen. Diese Annahmen wurden aber zu einem Zeitpunkt getroffen, zu dem die Daten zu DCV bereits vorlagen. Es ist anhand der vorgelegten Unterlagen daher nicht angemessen überprüfbar, ob die für die Modellierung notwendigen Annahmen tatsächlich unabhängig von den Studienergebnissen zu DCV getroffen wurden.

Selbst wenn die Ermittlung der Grenzwerte methodisch einwandfrei wäre, ließe sich bei signifikanter Überlegenheit einer neuen Therapie die Relevanz des Effektes nicht beurteilen. Die bei der Bewertung des Zusatznutzens entscheidende Quantifizierung des Effektes ist daher mit der BAA nicht möglich.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Aussagen zu DCV auf der Untersuchung von nur wenigen Patienten beruhen: Es wurden 126 therapienaive und 41 vorbehandelte Patienten mit Genotyp 1 untersucht.

Das IQWiG beurteilt die randomisierte doppelblinde Studie AI444042, in der DCV + PEG + RBV (83 Patienten) mit PEG + RBV + Placebo (42 Patienten) bei therapienaiven Patienten mit CHC verglichen wird, bei Genotyp 4 (Teilfragestellung 3) als nicht geeignet für die Bewertung des Zusatznutzens von DCV, da zum einen im Vergleichsarm ungeeignete Abbruchkriterien angewandt wurden und zum anderen der Anteil fehlender Werte in beiden Studienarmen sehr unterschiedlich war. So wurde bei 28,6 % der Patienten unter PEG + RBV + Placebo die Therapie vorzeitig abgebrochen, so dass der Studienarm in AI444042 mit der ZVT systematisch untertherapiert war. Außerdem kam es für die SVR zum Fehlen von Werten (die vom pU als Non-Responder gewertet wurden), wobei die Rate unter PEG + RBV + Placebo deutlich höher war als unter DCV + PEG + RBV (33,3 % vs. 10,8 %). In Robustheitsanalysen erwies sich der vermeintliche Vorteil von DCV + PEG + RBV + Placebo gegenüber PEG + RBV + Placebo als nicht stabil. Im European Public Assessment Report werden diese methodischen Probleme der Studie AI444042 nicht erwähnt . Die Studie AI444042 wurde aber offenbar erst während des Zulassungsprozesses vom pU nachgereicht. Auch im EPAR wird die SVR unter PEG + RBV + Placebo als auffallend niedrig bewertet („lower than what is usually reported in genotype 4“). Aus statistischer Sicht ergibt sich ein hohes Verzerrungspotenzial für die Studie AI444042. Daher folgt die AkdÄ der Bewertung des IQWiG.

Wahrscheinlichkeit und Ausmaß des Zusatznutzens, Patientengruppen mit therapeutisch bedeutsamem Zusatznutzen

Die AkdÄ schließt sich den Bewertungen des IQWiG, dass kein Zusatznutzen in allen Fragestellungen besteht, an.

Fazit

Die Therapie mit DCV könnte bei einem relevanten Teil der Patienten, für die es bisher keine erfolgversprechende Therapieoption gibt, zur Ausheilung der chronischen Virusinfektion (SVR) und damit zur langfristigen Freiheit von Folgen und Symptomen einer weiterbestehenden CHC und Risikoreduktion für Tod durch Leberversagen bzw. für die Notwendigkeit der Lebertransplantation führen. Die vorgelegten Daten des pU sind aus den oben aufgeführten Gründen aber nicht geeignet, um einen Zusatznutzen valide beurteilen zu können. Die AkdÄ schließt sich daher der Bewertung des IQWiG – kein Zusatznutzen in allen Fragestellungen – an. Bei Vorlage neuer, aussagekräftiger Daten sollte eine erneute Bewertung und Entscheidung über den Zusatznutzen erfolgen.

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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