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Zugang zu rheumatologischer Versorgung verbessern

14.10.2021 17:15
Rheuma wartet nicht. Je länger eine entzündlich-rheumatische Erkrankung unerkannt fortschreitet, desto schlechter lässt sie sich therapieren, und desto höher ist das Risiko für bleibende Schäden am Bewegungsapparat oder an inneren Organen. Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) unhaltbar, dass bis zur korrekten Diagnose einer rheumatoiden Arthritis im Durchschnitt neun Monate vergehen – bei anderen, weniger bekannten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sogar noch deutlich länger.

Der Zugang zu einer effektiven Rheumatherapie müsse dringend verbessert und Kapazitätsengpässe beseitigt werden, mahnt die DGRh anlässlich des Welt-Rheuma-Tags am 12. Oktober 2021. Lösungen sehen die Experten in einer Optimierung des frühen Zugangs zur rheumatologischen Versorgung mittels Früh-/Screeningsprechstunden, der Delegation ärztlicher Aufgaben an nicht-ärztliche Mitarbeitende, sowie darin, mehr Fachärzte rheumatologisch weiterzubilden und für die ambulante Versorgung zuzulassen.

Rund ein Viertel der deutschen Bevölkerung leidet an chronischen Schmerzen und/oder Einschränkungen des Bewegungsapparats, die prinzipiell auf eine entzündlich-rheumatische Erkrankung zurückzuführen sein könnten. Bei jedem zehnten von ihnen – etwa zwei bis drei Prozent der erwachsenen Deutschen – liegt tatsächlich eine entzündlich-rheumatische Erkrankung vor. „Bereits diese beiden Zahlen machen das Dilemma der rheumatologischen Versorgung deutlich“, sagt Professor Dr. med. Andreas Krause, Präsident der DGRh. Um die hohe Zahl Betroffener aus einer noch viel höheren Zahl von Menschen mit ähnlichen Beschwerden herauszufiltern, gebe es schlicht nicht genug ausgebildete Rheumatologen. Die Leidtragenden sind die Patienten – denn während früh erkanntes Rheuma in vielen Fällen therapeutisch so gut beherrscht werden kann, dass die Krankheitssymptome ganz verschwinden und ein beschwerdefreies Leben möglich ist, ist eine solche Remission bei länger bestehender Erkrankung nur noch schwer zu erreichen.

In den vergangenen Jahren sind daher an vielen deutschen rheumatologischen Praxen und Klinikambulanzen Früh- beziehungsweise Akutsprechstunden eingerichtet worden, die den Zugang zu einer antientzündlichen Ersttherapie erleichtern und beschleunigen sollen. Um gleichzeitig die fachärztlichen Ressourcen zu schonen, ist dabei vielerorts eine Vorauswahl je nach Dringlichkeit ein zentrales Vorgehen – auch, um Patienten herauszufiltern, die gar keine rheumatologische Therapie benötigen. „Dabei kommen unterschiedliche Versorgungsmodelle zum Einsatz“, erläutert Dr. med. Karolina Benesova, MHBA, Funktionsoberärztin und leitende Studienärztin der Sektion Rheumatologie am Universitätsklinikum Heidelberg, die sich wissenschaftlich mit dem Thema befasst. „Die Patientenvorauswahl findet über Anamnesebögen, Laborbefunde und Voruntersuchungen statt, per Telefonscreening, internetbasierten Priorisierungstools oder Run-In-Kurzsprechstunden, letztere ganz ohne Voranmeldung.“ Die Vorauswahl wird dabei oft von Rheumatologischen FachassistentInnen (RFA) oder einem Online-Algorithmus unter ärztlicher Überwachung unterstützt. Auch die Vorbefundung und gezielte Überweisung durch Hausärzte ist ein wichtiger Baustein der Patientenvorauswahl. Die Effektivität dieser Auswahlmodelle wird wissenschaftlich evaluiert. „Welches dieser Modelle verwendet wird, ist zweitrangig“, so Benesova. Wie erste Erfahrungen zeigten, seien die Früh- und Screeningsprechstunden ein sehr effizientes Werkzeug, um Diagnose und Therapiebeginn zu beschleunigen und so letztlich die Krankheitskontrolle und Lebensqualität Betroffener nachhaltig zu verbessern.

Auch in der laufenden Versorgung bereits behandelter Rheuma-Patienten lassen sich möglicherweise ärztliche Ressourcen schonen, ohne Abstriche bei der Therapiequalität hinzunehmen. „Als komplexe chronische Erkrankungen gehen alle Rheuma-Formen mit einem hohen Versorgungsaufwand einher, erfordern häufige Kontrollen und immer wieder auch Anpassungen der Therapie“, betont Dr. Kirsten Hoeper von der Klinik für Rheumatologie & Immunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Unter ihrer Leitung lief ein bundesweites Projekt, das klären konnte, inwieweit ärztliche Aufgaben in der Verlaufskontrolle an Rheumatologische Fachassistenten delegiert werden können. „Im Rahmen dieser strukturierten RFA-Sprechstunden wurden die derzeitigen Symptome, die Verträglichkeit der Medikamente und andere krankheitsrelevante Faktoren erfasst“, erläutert Hoeper. Erst in zweiter Linie wurden die vorbereiteten Befunde mit dem Facharzt besprochen. Voraussetzung für eine Delegation ärztlicher Leistungen an Rheumatologische FachassistentInnen ist die Weiterbildung nach einem von der DGRh entwickelten und der Bundesärztekammer anerkannten Curriculum (Publikation Krause, Schuch et al in der ZfR).

„Delegation und Frühsprechstunden können gemeinsam sicher einen wertvollen Beitrag dazu leisten, die Kapazitätsengpässe in der rheumatologischen Versorgung zu verringern“, ist DGRh-Präsident Krause zuversichtlich. „Die Aufsicht und das letzte Wort hat aber in beiden Fällen der Facharzt.“ Daher würden auch bei optimaler und ressourcenschonender Organisation noch dringend mehr rheumatologisch weitergebildete Fachärzte benötigt. Die DGRh hat daher in diesem Frühjahr die Kampagne #rheuma2025 gestartet, mit der mehr junge Medizinerinnen und Mediziner für die Rheumatologie gewonnen werden sollen. „Wir haben uns das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2030 rund 800 Ärzte rheumatologisch weiterzubilden“, so Krause. Nur so könne die Versorgung von Millionen von Rheuma-Patienten auch in Zukunft noch sichergestellt werden.

 

Literatur:

Benesova, K., Lorenz, HM., Lion, V. et al. Früh- und Screeningsprechstunden: Ein notwendiger Weg zur besseren Frühversorgung in der internistischen Rheumatologie?. Z Rheumatol 78, 722–742 (2019). https://doi.org/10.1007/s00393-019-0683-y

Benesova, K. Evaluation der rheumatologischen Screeningsprechstunde unter versorgungs-technischen, medizinischen und ökonomischen Aspekten. Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades „Master of Health Business Administration (MHBA)“, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2020

Hoeper JR, Zeidler J, Meyer SE, et al. Effect of nurse-led care on outcomes in patients with ACPA/RF-positive rheumatoid arthritis with active disease undergoing treat-totarget: a multi-centre randomised controlled trial. RMD Open 2021;7:e001627. doi:10.1136/rmdopen-2021-00162

Krause, A., Schuch, F., Braun, J. et al. Delegation ärztlicher Leistungen in der Rheumatologie. Z Rheumatol 79, 123–131 (2020). https://doi.org/10.1007/s00393-020-00760-z

Schwarting, A., Dreher, M., Assmann, G. et al. Erfahrungen und Ergebnisse aus Rheuma-VOR. Z Rheumatol 78, 743–752 (2019). https://doi.org/10.1007/s00393-019-00694-1

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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