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Deutschland steht mit der ePA fast ganz hinten

04.06.2018 14:00
Wo stehen einzelne europäische Länder bei der Implementierung einer Patientenakte (ePA)? Dieser Frage ging das Institut für angewandte Versorgungsforschung (inav) im Auftrag der Stiftung Münch nach. In der Publikation „European Scorecard zum Stand der Implementierung der elektronischen Patientenakte auf nationaler Ebene / Erstes Update 2018“ wird nun einmal mehr deutlich: Deutschland steht im Hinblick auf die ePA schlecht da – im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern.

http://doi.org/10.24945/MVF.06.18.1866-0533.2105

>> Die Frage nach dem Stand der ePA in Deutschland und Europa hat die Stiftung Münch bereits 2016 gestellt. Deutschland landete damals in der entsprechenden Rangliste auf dem elften Platz. Auf den Spitzenplätzen lagen Dänemark, Schweden und Estland. Die Studie habe gezeigt, so die Autoren „dass in Ländern mit einer gut etablierten ePA eine klare Vorgabe des Gesetzgebers die Basis für die erfolgreiche Einführung war“.
Im aktuellen Update der „European Scorecard“ sind im Vergleich zu 2016 wenig große Veränderungen zu beobachten. Nach wie vor führen die skandinavischen Länder – Dänemark, Finnland und Schweden – die Rangliste an (s. Abb.1). Gefolgt werden diese von Estland und Spanien. Eine signifikante Verbesserung zeigen das Vereinigte Königreich (um sieben Ränge) und Frankreich (um sechs Ränge). Eine Steigerung um drei Ränge lässt sich bei Spanien und der Schweiz feststellen.
Wie lässt sich aber die skandinavische Vorreiterstellung im Hinblick auf die ePA erklären? „Die Spitzenpositionen Dänemarks und der weiteren, sehr fortgeschrittenen Länder Finnland, Schweden und Estland begründen sich – neben den hervorragenden infrastrukturellen Voraussetzungen, wie die nahezu vollständige Abdeckung mit Breitbandinternet und einer hohen Internetaffinität der Bevölkerung – insbesondere durch die Fortschrittlichkeit in Bezug auf Nutzung, gebotene Inhalte und vorgehaltene Funktionen der jeweiligen ePA“, erklären die Studienautoren. So seien diese ePA nicht nur auf Gesundheitsdaten beschränkt. Es erfolgten eine Sekundärnutzung von ePA-Daten, und es existierten zudem verbindliche Standards zur Interoperabilität. Ferner werde die ePA in allen Krankenhäusern, darunter auch stets in den Notaufnahmen, verwendet. Es gebe parallel dazu eine sehr gute Einbindung von Haus- und Fachärzten, eRezepte könnten ausgestellt werden, und alle Patienten würden vollen Zugang zur eigenen ePA genießen.
Das Vereinigte Königreich zeigt im Ranking den größten Sprung nach oben gegenüber 2016: um sieben Ränge, Frankreich den zweitgrößten um sechs Ränge. Als Gründe werden in der
Analyse insbesondere für das Vereinigte Königreich infrastrukturelle Faktoren angeführt, etwa eine hohe eGesundheitskompetenz und ein geringerer Anteil älterer Ärzte auf der einen Seite sowie verbesserte spezifische Vorschriften für die Inhalte der ePA, wie die Aufführung durchgeführter Prozeduren oder der Zugang zur eigenen ePA, auf der anderen Seite. „Die einzige negative Entwicklung zu 2016 gab es beim Medikationsplan, der laut aktueller Datenlage entfallen ist“, stellen die Studienautoren fest und resümieren: „Es konnten also mit den drei Ländern Spanien, Schweiz und Vereinigtes Königreich, die 2016 noch der gelben, mäßig fortgeschrittenen Gruppe angehörten, in die grüne, weit fortgeschrittene Gruppe aufsteigen.“
Dass Spanien um drei Ränge aufsteigen konnte, habe damit zu tun, dass die ePA im Gesundheitswesen dieses Landes gut verbreitet ist. So verwendeten laut Studienverfassern gegenwärtig nahezu alle Hausärzte eine ePA, und von diesen wiederum über die Hälfte diese zur Rezeptausstellung. Darüber hinaus verwendeten etwa 70 Prozent der spanischen Fachärzte eine ePA.

Standards für Interoperabilität sind ein Erfolgsfaktor
Bei der Schweiz (Verbesserung um drei Ränge, nun auf Platz 6) erklären die Autoren den Sprung mit dem vollständigen Breitbandinternetausbau, der mit hoher Frequenz der Internetnutzung durch die Bevölkerung einhergeht. Darüber hinaus spiele auch die mittlerweile implementierte Sekundärdatennutzung von ePA-Daten eine Rolle.
Insgesamt zeigt die Untersuchung, so die Autoren, dass mehr Länder als noch im Jahr 2016 einen guten Fortschritt bei der Nutzung und Funktionalität der ePA erreicht haben. Die zweitbeste und mäßig fortgeschrittene Gruppe (gelb markiert in der Abb. 1) führt Portugal mit Platz neun an. Auf dem zehnten Platz folgt Frankreich. Aufgestiegen um sechs Plätze hat das Land damit die rote Gruppe der weniger fortgeschrittenen Länder verlassen. Allerdings hat das offenbar nicht nur etwas mit der realen Verbesserung der ePA-Verbreitung zu tun. Frankreichs deutlicher Sprung nach vorn lasse sich insbesondere dadurch begründen, dass mittlerweile eine bessere Datenlage zu diesem Land vorhanden sei, „das heißt, viele Angaben zu Inhalten und Funktionen der ePA, die 2016 noch mit keiner Angabe kodiert waren, konnten nun mit einer positiven Angabe, also einem höheren Score, versehen werden“, heißt es in der Studie.
Darüber hinaus würden in Frankreich in den Notaufnahmen von Krankenhäusern ePA flächendeckend eingesetzt. Positiv seien außerdem die infrastrukturellen Eigenschaften, Hochschulabschlüsse in MINT-Fächern oder die Nutzung des Internets zur Beschaffung von gesundheitsrelevanten Informationen.
Auf dem elften Platz befinden sich die Niederlande (keine Veränderung gegenüber 2016) und Österreich (Verschlechterung um drei Plätze). Auf Platz 13 folgen Belgien, Litauen und Polen. Polens relative Verbesserung begründe sich insbesondere durch das verbesserte Breitbandinternetangebot sowie die inzwischen vorliegenden spezifischen Vorschriften für die Inhalte der ePA, sind die Autoren überzeugt.
Ebenso auf Rang 13 liegt Deutschland, das im Vergleich zur Untersuchung von 2016 um zwei Plätze im Ranking abfällt „und damit gerade so nicht in die rote, wenig fortgeschrittene Gruppe abrutscht“. Das vernichtende Urteil der Studienexperten lautet: „Außer einer Verbesserung des Breitbandinternets konnte die Bundesrepublik keine Verbesserungen in einem weiteren Indikator aufweisen.“ Deutschland sei noch weiter davon entfernt, zu den sehr fortgeschrittenen Ländern aufzuschließen. Obwohl Deutschland sehr gute infrastrukturelle Voraussetzungen habe, wie beispielsweise sein Scoring in Teilkategorie A zeige (s. Abb. 3), wiesen insbesondere die betrachteten Indikatoren der Teilkategorien D und E darauf hin, dass ePA in Deutschland nicht – wie seitens Politik und Selbstverwaltung erhofft – weit verbreitet und implementiert seien und somit genutzt werden.
„Obwohl sowohl gesetzlich als auch in Form von Interessensbekundungen seitens der Selbstverwaltungspartner ein Top-Down-Ansatz und, wie aktuelle Umfragen zeigen, eine große Akzeptanz der ePA von Seiten der Versicherer vorhanden ist, kann gegenwärtig beobachtet werden, dass nur einige Kostenträger eigeninitiativ ePA in Form sogenannter ‚Insellösungen‘ vorantreiben und damit eher einem Bottom-Up-Ansatz folgen“, schreiben die Studienverfasser im Ausblick. Sie weisen darauf hin, dass sowohl die Techniker Krankenkasse in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen IT- und Beratungsunternehmen IBM als auch der AOK Bundesverband im Moment eigene ePA entwickelt haben, die kompatibel zur Telematik-Infrastruktur sein sollen. Nichtsdestotrotz sehen die Autoren gute Vorzeichen dafür, dass der „große Wurf“ in Sachen ePA in Deutschland in nächster Zeit gelingen könnte.
Allerdings gehen sie davon aus, dass die ePA nicht im Gematik-Rahmen vorangetrieben wird, sondern in alternativen Lösungsansätzen, wie etwa der Kopplung an das von der Bundesregierung geplante Bürgerportal. <<

Autorin: Olga Gilbers

 

Zitationshinweis: Gilbers, O.: „Deutschland steht mit der ePA fast ganz hinten“, in: „Monitor Versor-gungsforschung“ (06/18), 16-18; doi: 10.24945/MVF.06.18.1866-0533.2105

Ausgabe 06 / 2018

Editorial

RoskiHerausgeber
Prof. Dr.
Reinhold
Roski

 

 

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