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OA MVF 01/11: „Geld in die Hand nehmen“

05.10.2012 12:25
Der Schmerz gehört mit zu den teuersten Herausforderungen für das Gesundheitssystem und ist eine schwere Belastung für die betroffenen Patienten und deren Angehörige. Beim 6. Aachener Workshop, zu dem Grünenthal Anfang Dezember 2010 eingeladen hatte, stand das Thema „Zukunft der Schmerztherapie“ im Zentrum. Experten aus verschiedenen Disziplinen beleucheten die Versorgungssituation von Patienten mit starken Schmerzen in Deutschland. Fazit: Nach wie vor ist die therapeutische Betreuung chronischer Schmerzpatienten von Unterversorgung geprägt. Deshalb lautete eine Forderung des Gesundheitsökonomen Prof. Dr. med. Dipl-Kfm. Rainer Riedel: „Um die Versorgungssituation für die Patienten zu verbessern, müssen wir zunächst Geld in die Hand nehmen.“

>> Gleich zu Anfang seines Vortrages zur aktuellen Situation der Schmerzpatientenversorgung in Deutschland aus gesundheitsökonomischer Sicht zeigte Prof. Dr. Rainer Riedel, Rheinische Fachhochschule Köln und Direktor des Instituts für Medizinökonomie & Medizinische Versorgung, auf, wo eines der Hauptprobleme liegt: „Wir haben keine guten und verlässlichen Daten.“ Darüber hinaus würden bislang hauptsächlich die sogenannten Endstreckenpatienten betrachtet. „Schmerzpatienten kommen zunächst zum Hausarzt“, erklärte Riedel. Die Kernfrage an dieser Stelle müsste deshalb lauten: Welcher Zeitpunkt wird definiert, ab dem der Patient vom Hausarzt zum Facharzt gehen muss, um eine Chronifizierung der Schmerzen zu vermeiden. Darüber hinaus sei es unerlässlich, Übergabekriterien zu definieren, damit der Schmerzpatient frühzeitig in eine fachkompetente Versorgung eingesteuert werde. Die große Herausforderung bei der Verbesserung der aktuellen Versorgungsstruktur und Versorgungsleistung ist nach Einschätzung von Rainer Riedel, die Chronifizierung der Schmerzen zu vermeiden. „Wir müssen deshalb im Behandlungsprozess relativ früh einsetzen, denn sonst haben wir nur wenig Möglichkeiten zum Erfolg.“
Wie dringend erforderlich die Verbesserung der Situation für Schmerzpatienten wirklich ist, zeigte Riedel anhand einiger Zahlen, „die uns wachrütteln sollten“. In Deutschland leide jeder dritte Erwachsene an chronischen Schmerzen Das entspreche etwa 17 Prozent der Gesamtbevölkerung. Laut Daten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz führen alleine die Rückenschmerzen zu 112 Millionen Tagen Arbeitsunfähigkeit (AU). „Die damit einhergehenden Produktionsausfälle werden mit 10,6 Milliarden Euro berechnet“, so Riedel.
Wenn frühzeitig in den Behandlungsprozess eingegriffen werde, dann könne man am Ende auch die Kosten senken. „Aber dafür müssen wir erst einmal Geld in die Hand nehmen“, erklärte Riedel, „denn die Verbesserung gibt es nicht zum Nulltarif.“
Am Beispiel des bereits erfolgreich durchgeführten Herzinsuffizienz-Programms „CorBene“ machte Riedel deutlich, dass durch ein optimiertes Behandlungsschema die Therapie verbessert und letztlich auch die Kosten reduziert werden konnten. Wichtig dabei war, die genaue Koordinierung und Festlegung der Übernahmekriterien zwischen Haus- und Facharzt. Dieses Modell könnte laut Riedel auch auf den Schmerzbereich übertragen werden. Die entsprechenden Kriterien müssten von den Fachgesellschaften und den Schmerztherapeuten festgelegt werden. „Am Ende müssen wir ein Standard Operating Procedure (SOP) entwickelt haben, an das sich alle halten.“ Ganz entscheidend für den Erfolg sei, „dass die Patienten zunächst richtig geclustert werden. Die Ein- und Ausschlussverfahren für bestimmte Gruppierungen müssen stimmen, ansonsten wird die Therapie nicht funktionieren“, gab Riedel zu bedenken. Sein Resümmee am Ende des Vortrages: „Wir können nur nach vorne gehen, wenn wir bereit sind, den Versorgungspfad zu ändern.“
Einen medizinischen Einblick auf den Status quo der Schmerzpatientenversorgung in Deutschland gab Professor Dr. Dr. Thomas Tölle vom Neuro-Kopf-Zentrum des Klinikums rechts der Isar. Als Mitglied der Kommission für Forschungsfragen in der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) konstatierte Tölle: „Der Patient sollte frühzeitig wissen, dass die Grundkonzeption eine biopsychosoziale Behandlung ist.“ Ziel dabei sei: Schmerzreduktion, Erhalt der Funktion, soziale Integration sowie Unabhängigkeit. Um der Komplexität und Vielschichtigkeit einer Schmerzerkrankung Rechnung tragen zu können, sehe eine optimale Schmerztherapie nach derzeitigem Stand die Einbindung verschiedener Fachdisziplinen im interdisziplinären Team vor. Nach Ansicht des Schmerzexperten bedarf es unter dem Gesichtspunkt der Versorgung von Schmerzpatienten „der Zusammenarbeit und Information aller Ebenen der Schmerzversorgung“. Hierzu gehörten niedergelassene Praxen, spezialisierte Schmerzzentren, Schmerzorganisationen sowie politische Gremien. „Unser Ziel muss es sein“, so Tölle, „die Entwicklung chronischer Schmerzen durch ein frühes Eingreifen zu verhindern oder bereits chronifizierte Schmerzen durch eine differenzierte Kombination verschiedener Behandlungsstrategien effenktiv anzugehen.“ Nur so lasse sich die Lebensqualität von Schmerzpatienten wirklich verbessern.
In einem der insgesamt sechs Workshops stellte Sveja Eberhard, Stabsstelle Politik und Versorgungsforschung der AOK Niedersachsen, ein bereits durchgeführtes Versorgungsmodell vor, das zusammen mit der Integrated Managed Care GmbH und einer Arztpraxis in Hannover als Vertragspartner durchgeführt worden ist. Ziel dieses Modells waren die Verkürzung der AU-Zeiten, Vermeidung von Operationen sowie vorzeitige Berentung und Optimierung der Arznei- und Heilmittelversorgung. Erwartet wurden für die Pilotregion 280 potenzielle Teilnehmer. Nach einem umfangreichen Screening und „trotz konstruktiver intersektoraler Zusammenarbeit betrug die Anzahl der möglichen Teilnehmer nur 92“. Der Hauptgrund für die geringe Teilnehmerquote war nach Ansicht von Eberhard die Tatsache, dass „die Patienten nur sehr schwer für die Teilnahme am gesamten Programm motiviert werden konnten“. Dennoch habe das Programm auch gezeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen den Sektoren sehr gut funktioniert habe und durchaus Potenziale zur Verbesserung der Versorgung von Schmerzpatienten vorhanden seien“, so das Fazit von Sveja Eberhard. <<


von:

Jutta Mutschler

 

Open Access-PDF zum Zitieren (Zitationshinweis: Mutschler, J.: „Insulin-Medikation unterschiedlich“. In: "Monitor Versorgungsforschung" (MVF) 01/11, S. 18.)

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