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OA MVF 01/11: Ein Fonds für Versorgungsforschung

05.10.2012 12:15
Viel hat sich getan in der Gesundheitsversorgung in den letzten Jahren. Die Frage nach der Qualität gewinnt dabei eine immer größere Bedeutung. Die gesetzlichen Bedingungen für eine bessere Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen wurden immer mehr ausgeweitet. Eine wachsende Zahl von Akteuren hat die gesetzlichen Möglichkeiten der verstärkten Zusammenarbeit genutzt, in strukturierten Behandlungsprogrammen ebenso wie in Projekten der integrierten Versorgung oder in MVZs. Selbstverständlich sehen diese Projekte häufig eine Evaluation vor, die das Wissen erhöht über Nutzen und geringe Effekte von Kooperationen. Gleichwohl - Versorgungsforschung ist noch nicht hinreichend in das öffentliche Bewusstsein und schon gar nicht in die Entscheidungen über die Wahl einer Versorgungsform eingedrungen. Deshalb liegt es nahe, über eine Verstärkung der Rolle der Versorgungsforschung nachzudenken

Mit der jüngsten Gesetzesänderung, dem AMNOG, wurden die pharmazeutischen Unternehmen verpflichtet, bei Einführung eines neuen Produkts den Nutzen dieses Produkts gegenüber dem Bestehenden nachzuweisen, damit der G-BA darüber entscheiden kann, ob dieses Produkt den hohen Preis eines innovativen Produkts rechtfertigt. Damit wird die Qualitätsfrage für pharmazeutische Unternehmen zum ersten Mal fest verankert und zum entscheidenden Maßstab für die Bezahlung gemacht. Der G-BA-Beschluss steht nur am Anfang von Preisverhandlungen zwischen den Krankenkassen und dem pharmazeutischen Unternehmen, im Prinzip ist es den Kassen ebenso wie den Unternehmen auch möglich, die Verhandlungen bei neuen Erkenntnissen erneut einzusetzen.
Qualität wird also allenthalben immer stärker zum Maßstab für die Bewertung von Leistungen und auch für die Bezahlung von Leistungen. Dem entspricht bislang keineswegs die Realität des Wissenserwerbs über die Qualität der gesundheitlichen Versorgung. Denn die Universitäten, an denen Versorgungsforschung betrieben werden kann, sind ebenso auf Drittmittel, also Zahlungen von anderer Seite als den Universitäten selbst, angewiesen wie private Forschungsinstitute. Zweifelsohne hat sich in den vergangen Jahren schon einiges getan, das Bundesforschungsministerium hat die Mittel für Versorgungsforschung deutlich erhöht. Im Jahr 2010 war der entsprechende Fördertopf des Ministeriums mit 54 Mio. Euro ausgestattet.
Die pharmazeutische Industrie sieht sich von Versorgungsforschung bislang nicht betroffen. Schließlich werden darin die Auswirkungen von Versorgungsstrukturen und -prozessen unter Alltagsbedingungen untersucht, also komplexe Wege der Versorgung von Patienten in das Zentrum des Interesses gestellt, nicht der konkrete Einsatz eines Mittels. Die pharmazeutische Industrie untersucht aber die Wirkung eines Produkts unter klinischen Bedingungen, sie fühlt sich für die Erforschung der Anwendung unter konkreten Alltagsbedingungen nicht zuständig (abgesehen von den erforderlichen Meldungen der Pharmakovigilanz).
Und die Befürworter von Versorgungsforschung? Schauen mit Argwohn auf eine potentielle Beteiligung der pharmazeutischen Industrie, schließlich gibt es genügend Anlass zum Misstrauen, eine solche Forschung könnte ein weiteres Mal interessegeleitet sein, mit dem Ziel, die Anwendung eines Produkts als unverzichtbar darzustellen.
Aber die gegenwärtig anlaufende Qualitätsbewertung der Wirkung von Arzneimitteln als Ausgangspunkt für die Festlegung ihres Werts für Krankenkassen (und Patienten) kann den Anlass bieten, dass die Pharmaindustrie ihre Haltung ändert. Nicht, indem Versorgungsforschung eingesetzt wird für das Dossier, das sie künftig für die Preisfestsetzung vorlegen muss, denn das ist rein praktisch nicht möglich, weil Versorgungsforschung ihrer Natur nach nicht für soeben erst zuzulassende Produkte eingesetzt werden kann. Aber der Industrie steht hier eine Möglichkeit offen, durch ernsthafte Beteiligung an entsprechenden Forschungsprojekten den Nachweis für den Nutzen eines neu eingesetzten Produkts unter Alltagsbedingungen zu erbringen und damit auch im weiteren Versorgungsgeschehen unter Beweis zu stellen.
Das wird nicht helfen für die Erzielung eines höheren Preises. Aber es wird helfen, dem Misstrauen gegenüber einer Industrie zu begegnen, der unterstellt wird, sie entwickle in wachsendem Maß neue Produkte nur durch geringfügige Änderungen der Molekülstruktur, um die Bedingungen für ein neues und damit teureres Produkt zu erfüllen. Und es wird helfen, die Behauptung der Industrie, sie sei ernsthaft an einer besseren Versorgung interessiert, mit handfesten Nachweisen zu untermauern. Und damit wird das ein Weg sein, wie die pharmazeutische Industrie ihren nachhaltig beschädigten Ruf wieder aufbessern kann. Immer öfter versucht die pharmazeutische Industrie inzwischen, sich an umfassenden Versorgungsprojekten zu beteiligen. Sie sucht eine wirkliche Zusammenarbeit mit den Akteuren der Versorgung, die damit nicht länger nur KOLs für die Vermarktung neuer Produkte in Fachkreisen sind. Die Ernsthaftigkeit solcher Kooperationen kann sie durch entsprechende begleitende unabhängige Forschung unter Beweis stellen und damit ein weiteres Mal dazu beitragen, die vorherrschenden Vorbehalte gegenüber solchen Kooperationen (und auch gegenüber der Pharmaindustrie) zu beseitigen.
Voraussetzung dafür ist, dass die Forschung nicht im Auftrag, sondern unterstützt von der Industrie stattfindet. Dafür müsste die Industrie eine Stiftung oder Ähnliches gründen, die von einem Vorstand geleitet und kontrolliert wird, in dem alle beteiligten Gruppen im Gesundheitswesen vertreten sind und der entscheidet, welche Projekte gefördert werden. Hier könnte auch ein Ansatzpunkt liegen, dass Krankenkassen in eine systematische Förderung der Versorgungsforschung einsteigen, eine gegebenenfalls notwendige Gesetzesänderung wird dann mit Sicherheit leicht erreichbar sein. Gesundheitsminister Rösler hat mehrfach betont, für wie wichtig er die Versorgungsforschung hält.
Ein solcher Forschungsfonds der Pharmaindustrie wird nicht insgesamt die Versorgungsforschung ein für alle mal finanziell auf goldenen Boden stellen. Darum geht es dabei nicht. Sondern um den konkreten Beweis, dass die pharmazeutische Industrie ernsthaft an Erkenntnissen über die Versorgungsrealität beim Einsatz ihrer Produkte interessiert ist. Auf diese Weise würden Erkenntnisse gewonnen, wie neue Produkte tatsächlich die medizinische Versorgung verändern und (hoffentlich) verbessern, und ebenso würden Erkenntnisse gewonnen, was im Versorgungsprozess gegebenenfalls verändert werden muss, damit ein positiver Effekt erzielt wird. Das finanzielle Engagement für eine solche Forschung wird sich für die pharmazeutische Industrie in einem verbesserten Ruf auszahlen, sowohl weil sie sich engagiert für etwas, das ihr keinen konkreten finanziellen Nutzen bringt, als auch weil sie den Mut hat, Erkenntnisse zu gewinnen, auch wenn sie im Einzelfall nicht immer positiv für sie sein werden. <<

von:

 

Andrea Fischer

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Open Access-PDF zum Zitieren (Zitationshinweis:Fischer, A.: "Ein Fonds für Versorgungsforschung“. In: "Monitor Versorgungsforschung" (MVF) 01/11, S. 17)

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