MVF 01/18
„Register sind für Nutzenfragen nicht geeignet“
Ausgabe 01 / 2018
Prof. Dr. med. Jürgen Windeler wurde am 1. September 2010 als Nachfolger von Prof. Dr. med. Peter Sawicki (MVF 05/2009) zum Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) berufen, vor allem – so wird vermutet – weil der durchaus streitlustige Arzt Sawicki wohl der Pharmaindustrie ein Dorn im Auge war. Das indes ist Windeler ebenso, wenn auch ein vielleicht weniger emotionaler, dafür aber weit methodischerer – manche sagen gar einer mit eher dogmatischen Zügen. Dabei klingt das, was er im Interview mit „Monitor Versorgungsforschung“ ausführlich darlegt, ganz anders als die verkürzten Aussagen seines Statements beim Pro-Contra-Forum „Register“ auf dem Deutschen Kongress für Versorgungsforschung (MVF 06/17).
Auf der Spur des Patientenwillens
Ausgabe 01 / 2018
„Wie würden Sie sich entscheiden?“ Das fragte das Pharmaunternehmen Takeda auf einer Post-ASH-Pressekonferenz und ließ dazu von Wissenschaftlern aus Medizin und Medizinökonomie Real-Life-Daten und Ergebnisse einer multizentrischen Querschnittsstudie zur Therapiepräferenz von Patienten mit rezidiviertem oder/und refraktärem Multiplen Myelom präsentieren und analysieren.
PFS braucht eine ausreichend evidente PRO-Basis
Ausgabe 01 / 2018
Beim Fachsymposium „Patientenrelevante Endpunkte und Big Data-Ansätze im deutschen Versorgungskontext“ – veranstaltet vom Springer-Verlag unter Vorsitz von Dr. Georg Ralle, dem Generalsekretär des Netzwerks gegen Darmkrebs e. V. – wurde einmal mehr deutlich, wie weit doch die Auffassung von Klinikern, Wissenschaftlern und HTA-Behörden auseinanderliegen. Doch wurde auch ein probater Lösungsweg aufgezeigt, wie künftig besser mit einem patientenrelevanten Endpunkt wie PFS (Progressionsfreies Survival/Überleben) umgegangen werden kann.
„Generalisierung auf den Einzelfall eines Klienten“
Ausgabe 01 / 2018
„Übertragung von Evidenz – Spiel ohne Grenzen?“ So überschrieb das IQWiG sein letztjähriges Herbstsymposium und ließ dabei Fachleute aus Forschung und Institutionen zu Wort kommen, die das durchaus mutig gestellte Thema von vielen Seiten beleuchteten. Der Fokus reichte von der „Generalisierung von Forschungsergebnissen“ (Behrens), der Frage der „Extrapolation bei Systementscheidungen“ (Pfennig) bis hin zum „Stellenwert pharmakodynamischer und pharmakokinetischer Modelle“ bei Kindern, was sich die Zulassung bezüglich der „Bioäquivalenz zu Biosimilars“ traut und was nicht (Weise) und vielen anderen interessanten Facetten mehr.
Adhoc-Rückkopplung in die Praxis
Ausgabe 01 / 2018
Versorgungsforschungs-Institute können allerlei Wissenschaftsrichtungen entstammen oder angebunden sein – ob der Ökonomie, Soziologie, Epidemiologie oder aus der Public Health; und einige wenige sind an medizinische Fakultäten angebunden. Ziemlich selten indes ist es, dass ein Versorgungsforschungs-Institut – in einem klinischen Umfeld geboren – sich zum Versorgungslabor und zur Entwicklungsplattform im klinischen Setting entwickelt, so wie es beim Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) der Fall ist. Dessen Leiter ist Prof. Dr. Matthias Augustin, der zudem als Universitätsprofessor für Gesundheitsökonomie und Lebensqualitätsforschung am Universitäts-Klinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) unterrichtet, seit 2005 Gründer und Leiter der Competenzzentren für dermatologische Forschung (CeDeF) sowie Co-Direktor des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) des UKE und der Hamburger Universität sowie Vorstandsmitglied des Center for Health Care Research (CHCR) am UKE ist.
Digitalisierung als Versorgungs-Garant
Ausgabe 01 / 2018
Unsere wichtigsten Ziele sind es, die Qualität der Versorgung zu verbessern, den Menschen Zugang zur medizinischen Versorgung und zum medizinischen Fortschritt zu gewährleisten. Dies wird uns nur gelingen, wenn wir den demographischen Wandel und die Digitalisierung nicht als Bedrohung betrachten, sondern diese Trends als elementare für Zukunftsszenarien nutzen. Wir verspielen unsere Zukunft, wenn wir versuchen, gegen diese Trends anzumanagen: „Don‘t fight the current“ – nicht gegen die Strömung ankämpfen, die Weisheit der Rettungsschwimmer gilt auch für uns, die wir die Zukunft unseres Gesundheitswesens gestalten wollen. Dabei ist gerade die Digitalisierung das Schlüsselelement, um die flächendeckende Gesundheitsversorgung in Zukunft, vor dem Hintergrund des demografischen Drucks, gewährleisten zu können.
Technische Assistenz zur Alltagsbegleitung
Ausgabe 01 / 2018
Demenz und Diabetes mellitus gehören in Anbetracht der Demographie einer immer älter werdenden Gesellschaft in Deutschland daher zu den großen medizinischen und pflegerischen Herausforderungen. Beide Erkrankungen nehmen nicht nur überdurchschnittlich zu, sie beeinflussen sich zum Nachteil des Patienten auch gegenseitig negativ. Aus diesem Grund ist in der Therapie des Diabetes mellitus beim Patienten mit Demenz die Vermeidung von Stoffwechselentgleisungen (insbesondere von Hypoglykämien) ein primäres Therapieziel. Das „Perlen“-Projekt („Persönliche Lebensdokumentation für Menschen mit Demenz und Pflegepersonen“) entwickelt eine dv-basierte Anwendung (App) zur Erfassung medizinisch- und verhaltensbezogen wichtiger Alltagssituationen von Menschen mit Demenz bzw. Demenz und Diabetes.
DMP: Herausforderung für die nächsten 15 Jahre?
Ausgabe 01 / 2018
15 Jahre sind in unserer heutigen schnelllebigen Zeit ein Zeitraum, den man schon fast als „historisch“ bezeichnen darf und der es auf jeden Fall wert ist, gewürdigt zu werden. Es kann zweifelsfrei festgehalten werden, dass sich die DMP als fester Bestandteil der deutschen Versorgungslandschaft durchgesetzt haben. Derzeit werden von allen Krankenkassen rund 10.000 vom BVA zugelassene DMP angeboten. Praktisch alle Krankenkassen bieten DMP an. Mehr als 76.000 Ärzte sind Teil des DMP-Versorgungsnetzes. Eine nahezu flächendeckende Versorgung mit DMP in ganz Deutschland ist somit sichergestellt.
Add-On- und Substitutionseffekte neuartiger Antidiabetika
Ausgabe 01 / 2018
Seit einigen Jahren ist auf dem deutschen Arzneimittelmarkt eine deutliche Mengendynamik zu erkennen [1]. Zudem führen Faktoren wie der demografische Wandel, der medizinisch-technische Fortschritt und die Zunahme ambulanter Therapiemöglichkeiten zu steigenden Arzneimittelausgaben [2]. Diese fortschreitende Entwicklung hat der Gesetzgeber durch die Einführung des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) im Jahr 2011 aufgegriffen. Seitdem werden neue Medikamente hinsichtlich ihres Zusatznutzens bewertet. Es zeigt sich, dass weiterhin eine Vielzahl neuer pharmazeutischer Produkte auf den deutschen Markt gelangt, deren Zusatznutzen oftmals nicht belegt werden kann oder bei denen nur ein geringer Zusatznutzen festgestellt wird [3]. Zudem wurden im Zeitraum 2013 bis Anfang 2014 bereits zugelassene Arzneimittel im Rahmen des AMNOG hinsichtlich ihres Zusatznutzens bewertet (so genannter Bestandsmarktaufruf).1 Zu der einzigen Wirkstoffgruppe, deren Verfahren abgeschlossen wurde, zählen die DPP-4-Hemmer (auch Gliptine).
Pflegepersonaluntergrenzen, das Selbstverständnis der GKV und die Rolle der Versorgungsforschung
Ausgabe 01 / 2018
Deutschland hat ein Pflegeproblem. Was lange Zeit im Stillen des täglichen Ringens der Pflegekräfte um eine irgendwie ausreichende Versorgung ihrer Patienten geblieben ist, erreicht nun die Öffentlichkeit und wird im politischen Prozess prominent aufgegriffen. Objektive Belege für den „Pflegenotstand“1 lieferte beispielsweise die von der EU finanzierte RN4CAST-Studie, die von 2009 bis 2011 durchgeführt wurde: Während in den USA eine Pflegekraft im Krankenhaus im Durchschnitt 5,3 Patienten betreute und in Norwegen für 3,4 bis 8,2 Patienten zuständig war, lag der Betreuungsschlüssel in Deutschland zwischen 7,5 und 19,2. Damit waren die besten Einrichtungen in Deutschland nur wenig besser als die schlechtesten in Norwegen. Deutschland ist damit Schlusslicht unter allen betrachteten Ländern.
Entwicklung der Antibiotikaverordnungen bei Kindern und Jugendlichen
Ausgabe 01 / 2018
Im Rahmen des 1. Kinderreports Nordost des Gesundheitswissenschaftlichen Instituts Nordost der AOK Nordost wurde auch die Entwicklung des Antibiotikagebrauchs im pädiatrischen Setting untersucht (Witte et al. 2017). Im allgemeinen Sprachgebrauch und auch im klinischen Kontext sind mit Antibiotika Wirkstoffe gemeint, die das Wachstum von Bakterien hemmen oder diese abtöten. Durch einen jahrzehntelangen, übermäßigen und ungezielten Antibiotikaeinsatz hat sich die Zunahme von Unempfindlichkeiten bakterieller Erreger weltweit zu einer bedeutenden Public-Health-Problematik entwickelt. Immer häufiger werden Patienten und Ärzte mit Bakterienstämmen konfrontiert, die eine Resistenz gegenüber vielen gängigen antibiotischen Wirkstoffen aufweisen (WHO 2011). Als Folge der Zunahme sogenannter multiresistenter Erreger steigen Behandlungsdauer, Erkrankungsschwere und das Sterberisiko durch schwerwiegende Infektionen. Gleiches gilt für die daraus resultierenden Kosten einer angemessenen medizinischen Versorgung (Aloush et al. 2006; Maragakis et al. 2008; Song et al. 2003; Qavi et al. 2005).
Patientenorientierung in Pharmaunternehmen
Ausgabe 01 / 2018
Zunächst hilft die Wiederholung einer Selbstverständlichkeit: Das Gesundheitswesen ist für die Bürger da, insbesondere soweit sie Patienten sind, und nicht umgekehrt. Patientenzentrierung ist somit die konsequente Ausrichtung aller Akteure und ihrer Leistungen/Beiträge sowie Prozesse an den Bedürfnissen von Patienten und Patientinnen1. Es kann nicht verkannt werden, dass der Begriff der Patientenzentrierung durch eine inflationäre Verwendung entwertet wurde. Die Autoren dieses Beitrages bevorzugen daher den Begriff der Patientenorientierung. Diese ist der Weg zu einem Gesundheitswesen, das tatsächlich seine Leistungen, einschließlich der Arzneimittelversorgung, an den Bedürfnissen der Patienten ausrichtet und einen zielgerichteten und leichten Zugang zu diesen Leistungen für die Patienten ermöglicht. Der Begriff wird auch in der Literatur heterogen interpretiert.
Enterale Ernährung: Bedeutung, Bedarf, Versorgung
Ausgabe 01 / 2018
Eine künstliche Ernährung im ambulanten Bereich soll durchgeführt werden, wenn entweder Mangelernährung nachgewiesen ist bzw. droht oder die orale Nahrungsaufnahme relevant eingeschränkt ist, und wenn es dadurch innerhalb der zu erwartenden Lebenszeit des Betroffenen zu einer relevanten Verschlechterung des Ernährungszustands, der Prognose oder der Lebensqualität kommt, und wenn solche Verschlechterungen nicht durch andere Maßnahmen behoben werden können. So lautet die Empfehlung der S3-Leitlinie für die Ernährungsinterventionen im ambulanten Bereich der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM). Wie die Verordnungsrealität im ambulanten Bereich der enteralen Ernährung aussieht beleuchtet dieser Beitrag in Ausschnitten.